Im Quartier 206 wurden am vergangenen Freitag viele Angestellte von der Mitteilung über die anstehende Zwangsversteigerung der Luxusimmobilie überrascht. Der Tagesspiegel hatte von den finanziellen Problemen des Inhabers Anno August Jagdfeld und den Sanktionen der Gläubiger berichtet. Die Mitarbeiter verschiedener Läden im Quartier 206 gaben daraufhin an, mangelnde Umsätze könnten wohl kaum an den Zahlungsschwierigkeiten des Hauses und der Familie Jagdfeld Schuld sein. Die Einnahmen seien zufriedenstellend.
Darüber hinaus wusste der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbands Nils Busch-Petersen, ebenso wie die Interessengemeinschaft Friedrichstraße, nichts von finanziellen Problemen der im Quartier 206 angesiedelten Geschäfte zu berichten. Eine geringe Besucherzahl, wie sie am Freitag zu beobachten war, sei in Luxusgeschäften nichts ungewöhnliches, beschwichtigte auch Christian Plöger, der Sprecher Jagdfelds. Zwar seien oft wenige Kunden im Haus, doch die könnten dafür überdurchschnittlich hohe finanzielle Mittel für die angebotenen Waren aufwenden.
Bei Strenesse äußerte man sich „sehr zufrieden“ und auch das im Quartier 206 ansässige Modehaus Moschino berichtete von einer hohen Stammkundenzahl. Ein Angestellter der Boutique Etro erklärte, dass man erst kürzlich den Mietvertrag für die Ladenfläche im Luxuskaufhaus an der Friedrichstraße verlängert habe.
Auswirkungen der Finanzkrise
Es gibt jedoch auch bedenkliche Zeichen: Ein Anbieter beklagte den Rückgang der „für uns relevanten Gruppe“ von Käufern. Seit Jahren kämen „weniger Spanier, Italiener und Südamerikaner“ ins Quartier 206.
Im unteren Bereich des Kaufhauses stehen darüber hinaus zwei Geschäfte leer. Sie seien in den höher gelegenen Departmentstore, eine durch Jagdfelds Ehefrau Anna Maria und den Sohn Nikolaus initiierte Einrichtung, umgezogen. Dies kann zumindest den Schildern an der Ladenfassade entnommen werden. Sprecher Plöger dementierte einen Zusammenhang von Umzug und Zwangsverwaltung.
Auch der anstehende Auszug der Louis Vuitton-Filiale stehe laut einer Sprecherin des Unternehmens in „keinem Zusammenhang“ mit der angespannten Lage des Hauses. „Der Mietvertrag läuft Ende dieses Jahres aus.“ Louis Vuitton wolle die Gelegenheit nutzen und die Geschäftsräume im KaDeWe bis November erweitern. Außerdem solle im Westen der Stadt ein eigener Laden eröffnet werden. „Am Ku’damm passiert einiges im Luxussegment“, lobte die Sprecherin die Entwicklung in der City-West. Mit dem dortigen Angebot sei man berlinweit „gut abgedeckt“.
Niedergang eines Familienkonzerns
Dem Immobilienunternehmer Jagdfeld scheinen die Hände gebunden. Zwar hieß es am Freitag aus familiären Kreisen, zu einer Versteigerung des Quartier 206 werde es „nicht kommen“, doch die Gewalt über das weitere Vorgehen liegt nicht mehr bei der Unternehmerfamilie und ihrem Oberhaupt. Gerichtlich könnte jederzeit ein Termin für die Versteigerung verkündet werden. Dann erhielte der finanzkräftigste Investor den Zuschlag für die Edel-Immobilie.
Bis zur Auktion hat Jagdfeld die Möglichkeit, die auf dem Haus lastenden Schulden von rund 140 Millionen Euro und die eventuell anfallenden Zinsen zu begleichen. Doch bereits jetzt kann der eingesetzte Zwangsverwalter über die Nutzung des Gebäudes entscheiden. Er hat allein den maximalen Ertrag, die Interessen der Gläubiger und das zuständige Vertragswerk im Auge – ein Todesurteil für das verzweigte jagdfeld’sche Imperium, das die Flächen im Quartier 206 nicht nur besitzt, sondern zu großen Teilen auch nutzt.
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