Berliner Persönlichkeiten zeigen ihren Kiez

Pola Beck über den Kreuzberger Graefekiez

Die Regisseurin Pola Beck.
Die Regisseurin Pola Beck.
Seit neun Jahren lebt die Regisseurin, die mit ihrem Film "Am Himmel der Tag" Ende 2012 ein beeindruckendes Debüt vorlegte, in der Nähe des Kreuzberger Urbanhafens. Mit uns hat die gebürtige Charlottenburgerin über das Lebensgefühl im Kiez und die allgegenwärtige Gentrifizierung gesprochen.

Filmemacherin, Fotografin, Eisverkäuferin – die 30-jährige Pola Beck ist ein kreatives Multitalent und viel in der Stadt unterwegs. „Berlin ist eine wahnsinnige Inspirationsquelle. Ob bei einem Spaziergang oder einer U-Bahn-Fahrt, die Offenheit und Authentizität der Menschen lässt einen überall auf neue Geschichten stoßen“, so die Regisseurin, die ihren ersten Spielfilm „Am Himmel der Tag“ mit Hauptdarstellerin Aylin Tezel zu großen Teilen in der Hauptstadt gedreht hat. „An jeder Ecke stößt man auf eine unglaubliche Lebendigkeit und die Stadt ist so weitläufig – man findet hier einfach alles.“

Pola Beck weiß, wovon sie spricht: Die ehemalige Studentin der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf wuchs in Charlottenburg und Schöneberg auf und zog mit Anfang 20 nach Kreuzberg. Ihren Kiez, die Straßen „zwischen Urbanhafen und Ankerklause“ hat die Berlinerin fest ins Herz geschlossen. „Hier sind die Orte, an die ich immer wieder gerne zurückkehre und die Menschen, denen ich jeden Tag gerne begegne und die einfach mal fragen, ob ich ein Bier mit Ihnen trinken möchte. Das macht diesen Kiez für mich zur Heimat – der Mensch ist schließlich ein Gewohnheitstier“, schmunzelt Beck.

Weniger Freiräume im Kiez

Im Gegensatz zum Bergmannstraßenkiez gehe es rund um die Graefestraße außerdem jünger und alternativer  zu – auch wenn die schleichende Gentrifizierung sich hier ebenfalls langsam bemerkbar mache. „In der Fichtestraße zum Beispiel stand früher ein rundes Backsteingebäude, auf der Fläche daneben wurden Hühner und Ziegen gehalten. Doch das Gelände wurde aufgekauft und ein modernes Hochhaus mit Loftwohnungen errichtet – das hat richtig wehgetan“, erinnert sich die sympathische Regisseurin.

Zwar könne man den Lauf der Dinge nicht aufhalten, doch man müsse sich die Frage stellen, wie brutal man bei der Veränderung der Kieze vorgehen dürfe. „Es ist so schade, wenn alternative Konzepte und Freiräume nach und nach Designerläden oder Luxuswohnungen weichen müssen“, betont Beck, die auch die Mietpreissteigerungen im Graefekiez spürt. „Zehn Prozent Aufschlag in einem Jahr sind nichts Ungewöhnliches mehr.“

Doch zum Glück gibt es sie noch, die ursprünglichen Kreuzberger Orte, die Pola Beck so liebt. Zu ihnen gehört an erster Stelle das Devil’s Kitchen, das vom Israeli Shlomi Putschbach betrieben wird. „Hier trifft man immer jemanden, den man kennt und es gibt ganz leckeres Essen – etwa ganz besondere Kartoffeln mit vielen Soßen oder pochiertes Ei in Tomatensauce. Hört sich speziell an, schmeckt aber wahnsinnig gut“, schwärmt sie. Auch der kleine Kiezladen Selbrund, in dem sich die Regisseurin wie im heimischen Wohnzimmer fühlt, der Gorgonzola Club in der Dresdener Straße oder das mediterrane Restaurant Marqués gehören zu Pola Becks Kiez-Tipps.

 

Pola Becks geheime Orte

Darüber hinaus entspannt die Regisseurin, die bereits im Alter von 13 Jahren erste Ideen für Kameraeinstellungen in ihr Tagebuch schrieb, gerne auf der Wiese vor dem Urbankrankenhaus. An der Kreuzberger Admiralbrücke, die früher Beck zufolge „eine stille Oase“ war, sei es heute dagegen schwer, „ein ruhiges Eckchen zu finden“. Auch für ihre Fotoshootings sucht die Filmemacherin gern Orte jenseits des Trubels auf. Als Locations nutzt sie beispielsweise gerne das Amphitheater im Görlitzer Park oder das ehemalige Krankenhaus Oskar-Helene-Heim an der Clayallee in Dahlem. „Das ist ein sehr inspirierender Ort“, berichtete Beck.

Wer sich einen persönlichen Eindruck von der jungen Filmemacherin, die bereits an einem neuen Dokumentarfilm-Projekt und zwei Spielfilmen arbeitet, machen möchte, hat dazu in den kommenden Monaten in der Kreuzberger Eismanufaktur Gelegenheit. Dort arbeitet Pola Beck einmal in der Woche als Eisverkäuferin. Trotz des großen Erfolges ihres Films „Am Himmel der Tag“ sei es auch für sie noch immer schwer, als Regisseurin „regelmäßig Geld zu verdienen“. Doch auch wenn uns Pola Beck für die anstehenden heißen Tage das Erdbeer-Minze-Eis empfehlen kann – ihre Berufung ist und bleibt das Filmemachen.

Der Film „Am Himmel der Tag“ erscheint am 24. Mai als DVD. Anschauen lohnt sich! Lesen Sie mehr:

Lesen Sie nächste Woche in unserer Reihe „Berliner Persönlichkeiten zeigen ihren Kiez“: Joachim Deutschland.

Pola Beck über den Kreuzberger Graefekiez, Graefestraße, 10967 Berlin

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