Die Fotografie bestimmt bis heute noch wie wir uns ein Land vorstellen: ob nun klischeehaft in Postkarten-Optik oder vielschichtig, neu und anders. In der neuen Ausstellung in der Berlinischen Galerie kannst du 17 Fotografen in einer Zeitspanne von gut 135 Jahren folgen und mehr als 180 Bilder bestaunen. Du lernst hier nicht nur fremde Länder kennen, sondern siehst exemplarisch wie sich Autorenfotografen von den Aufträgen lösen und zu Künstlern werden. Dazu rückt auch Bekanntes in eine neue Perspektive.
So hat Robert Petschow ab 1920 ganz Deutschland mit dem Ballon, dem Zeppelin und später mit dem Flugzeug bereist. Herausgekommen sind beeindruckende Luftbilder, die die Begrenztheit des Raumes auflösen und Deutschland zwischen den Weltkriegen zeigt. Der berühmte Berliner Fotograf Erich Salomon begab sich 1930 zum ersten Mal in die USA – Fernreisen waren damals ein absolutes Novum. Er machte eine Reportage über die Gefahren unbewachter Bahnübergänge und hielt so sachlich, aber packend alles auf der Straße fest, ob nun Autounfälle oder Plakatwerbung.
Die weite Welt in der DDR
Besonders ins Auge fallen uns die Werke von Ulrich Wüst und Tobias Zielony. Als DDR-Bürger konnte Wüst in den 80ern nicht einfach nach Griechenland oder Italien losdüsen. Seine außergewöhnliche Idee: Er schnappte sich eine Kamera und versuchte in seiner Serie Kopfreisen die Vorstellung von seinen liebsten Reisezielen in seiner Umgebung zu finden. So fand er beispielsweise die Toskana in Thüringen. Nach dem Fall der Mauer machte er sich auf, um zu checken, ob seine Fantasie der Realität entspricht. Allerdings mit ernüchterndem Ergebnis, was er in der Serie Irrfahrten festhielt.
Der 44-jährige Tobias Zielony fuhr in die kalifornische Wüste und zeigt dort Jugendliche in einer fast verlassenen Bergbausiedlung. Obwohl nur Sand und leerwirkende Häuser sie umgeben, sehen sie aus wie die coolen Vorstadtkids. Stets bereit sich zu messen, abzuhängen oder einfach Spaß zu haben. Zielony bewegt sich mit seinen Fotos genau an der Schnittstelle zwischen Dokumentation und Fiktion. Denn die Selbstdarstellung, also wie die Mädchen und Jungen sich zeigen wollen, spielt hier eine große Rolle.
Ob nun die Nachwirkungen des verheerenden Tsunamis 2011 in Japan oder die Griechenlandkrise, dargestellt durch den nächtlichen Sternenhimmel sowie den Aussagen von Menschen vor Ort – die Fotografien in der Ausstellung Die fotografierte Ferne gehen weit weg von der Schnappschuss-Romantik. Vielmehr erlebst du selbst eine spannende Reise, die dir zum Beispiel zeigt wie die Entwicklung des Fotoapparats neue Möglichkeiten ergeben und sich die Bildsprache und Erzählweisen verändert haben.
Die Ausstellung „Die fotografierte Ferne. Fotografien auf Reisen (1880 – 2015)“ läuft bis zum 11. September. Der Eintritt beträgt regulär 10 Euro. Am 12. Juni startet die nächste Kuratorenführung, die auch ohne Anmeldung besucht werden kann.