Im Cell geht es ums Ausbrechen: zwar nicht aus einer Gefängniszelle, sondern aus der Box im Kopf, die viele auch beim Essen mit sich herumtragen. Jetzt verstehen wir auch, warum es zwei Jahre dauerte bis das finale Gastro-Konzept für das neue Lokal stand. Das Cell soll laut eigener Beschreibung ein Contemporary Cuisine Restaurant sein. Was sich zunächst ziemlich abstrakt anhört, ist eine Symbiose von Kunst und Küche.
Um diese Grenzen zwischen Kunst und Gastronomie aufzubrechen, schöpft der russische Chefkoch Evgeny Vikentev aus dem Vollen. Der Gast hat die Wahl zwischen zwei 9-Gänge-Menüs: „Time Steps“ mit Fleisch und Fisch oder die vegetarische Option „Beets Religion“. Evgeny, der selbst großer Kunstfan ist, und in seiner Freizeit nicht nur gerne Restaurants, sondern auch Galerien in Berlin besucht, sagt selbst über seinen Stil: „Gastronomie ist für mich Teil der modernen Kunst.“ Und so wundert es nicht, dass nicht nur das Essen hohe Kochkunst darstellt, sondern auch das Geschirr ein Kunstwerk für sich ist. Einen der vielen verschiedenen Teller hat der Chefkoch sogar selbst designt.
Eine Symbiose aus Kunst und Gastronomie
Um das Konzept aus regionalen Zutaten mit globalem Twist noch raffinierter zu machen, greift bei „Time Steps“ jedes Gericht eine Zutat des vorherigen Ganges auf, wenn auch in einer anderen Konsistenz. Eine rote Linie, die sich wie eine geschmackliche Erzählung durchs Menü zieht. Einen Fokus legt Vikentevs, genauso wie in seinem Restaurant Hamlet & Jacks in St. Petersburg, auf Fisch. Und beweist schon mit perfekt gegarten, zitronigen Jakobsmuscheln zu Beginn einen guten Geschmack. Aber auch Fleisch kann er. Beim Hirsch mit Mandarine, Kürbis, Miso und Palmkohl überzeugt das Zusammenspiel des zarten Fleisches mit den intensiven Fruchtnoten. Und spätestens beim Dessert kommt die Assoziation wieder zur Kunst. So ausgefallen und überzeugend finden wir Schwarzwurzeleis mit Hanföl und Granatapfel.
Das Finale scheint ein weiteres Steckenpferd des Russen zu sein. Denn auch beim vegetarischen Menü steigert er die Aromen von Gang zu Gang und endet mit „More than honey“. Dafür wird eine Art Bienenkorb serviert, der beim Lüften der Haube mit Honigduft die Sinne betört und so intensiv schmeckt, als würden wir direkt aus einer Wabe naschen. Hier macht der Gast im positiven Sinne geschmackliche Grenzerfahrungen. Und genau das ist es, was das Cell – englisch für Zelle – mit seiner Küche erreichen will: die Grenzen des Geschmacks aufbrechen.
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Auch Interieur und Service stimmen
Die Einrichtung ergänzt die Küche gelungen: zwar edel, trotzdem frisch und modern. Mit dicken Steinsäulen, Kronleuchtern, Wildledersesseln und Sitzecken wirkt das Cell wie ein kleiner, gemütlicher Palast. Die Schwarz-Weiß-Gemälde von russischen Künstlern an den Wänden bilden dazu einen gelungen Kontrast.
Genauso perfekt finden wir den Service. Und fühlen uns von Chef-Sommelier Pascal Kunert sehr gut betreut. Er arbeitete schon im Reinstoff, Schwein und der vormaligen Cordobar (jetzt Cordo) und begleitet das Menü mit spannenden Tropfen aus seinem 400 Flaschen starken Weinsortiment. Und wenn du jetzt denkst, das klingt alles ziemlich exklusiv, müssen wir dir Recht geben. Beide Menüs kosten exklusive Getränken 109 Euro. Ein Luxus, den man sich vermutlich nicht oft, aber sehr gut zu einem besonderen Anlass gönnen kann.