Seine Familie sucht man sich nicht aus, heißt es und bestenfalls ist es Liebe, die diese nächste Verwandtschaft zusammenhält. Manchmal ist es aber auch nur die Idee, was Familie bedeuten sollte, die Menschen aneinander bindet, die unterschiedlicher nicht sein könnten. So ist es bei der Familie Arnim, den Protagonisten im Romandebüt von Sonja Heiss. Während es sich Hans in München mit Vorzeigefrau, Vorzeigekindern im Vorzeigehaus bequem gemacht hat und vor lauter (sexuellem) Frust und (irrationaler) Wut riskiert, alles zu verlieren, hadert seine einst erfolgreiche Schwester Masha in Berlin mit ausbleibenden Rollenangeboten, falschen Männern an ihrer Seite, ihrem Kinderwunsch und der lauten biologischen Uhr. Die Eltern der Geschwister leben in Frankfurt am Main ein geordnetes Leben, geprägt von Sparsamkeit und Spießigkeit, in der Mutter Barbara zu ersticken droht. Offene Worte hört man hier kaum und doch dringen die Probleme aller an die Oberfläche.
Zwischen Liebe und Tristesse
Der Berliner Autorin Sonja Heiss gelingt es in Rimini, uns diese anstrengenden Menschen ans Herz zu legen, obwohl wir sie anfangs unerträglich finden. Die schonungslose Ehrlichkeit, mit der die Autorin die Figuren zeichnet, ihr trockener Witz und die präzisen Alltagsbeschreibungen ziehen uns in den Bann der Familie Armin. Ehrlich gesagt schafft der Roman das besser als ein deutscher Film, bei dem man oftmals von Klaviermusik begleitet auf triste Realitäten schaut und sich fragt, warum man so gequält wird. Wie wir jetzt auf deutsche Filme kommen? Weil die kurze Inhaltsangabe sich wie ein solcher liest und Sonja Heiss Filmemacherin ist, die mit ihrem ersten Langfilm Hotel Very Welcome etliche Preise einheimste. In ihrem Buch zeigt sie, dass sie sehr genau beobachten und das Innen wie Außen von Figuren bestens in Worte packen kann. Nachvollziehbare Gedanken schlängeln sich durch Rimini und erweichen nach und nach unseren Blick. Ist Masha nicht doch liebenswert mit all ihren Macken und Unsicherheiten und würden wir Hans nicht gern helfen, sich aus dem Vorstadtidyll zu befreien? Wir machen nichts und schauen nur zu, wie die Sippe mit ihren Abgründen zu kämpfen hat. Jeder für sich, alle gegen alle. Die Niederlagen, die sie erleiden, ähneln den unseren auf eine Art, die schmerzlich ist.
Der Titel Rimini steht für das Familiengeheimnis, das zum großen Romanfinale gelüftet wird. So lange durchzuhalten, ist kein Problem. Im Gegenteil: Am Ende beginnen wir Familie Armin schon zu vermissen. Aber zum Glück haben wir ja eine eigene Familie, die uns dank Offenheit, Empathie und einfacheren Strukturen nun wie ein Segen erscheint.
Rimini von Sonja Heiss ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen und für 20 Euro im Buchhandel erhältlich. Das Hörbuch haben unter anderem Lars Eidinger und Heike Makatsch eingelesen.