Er ist 1,25 Meter groß, wiegt an die 16 Kilogramm, sieht die Welt durch Kameraaugen und hört mithilfe von Mikrofonen. Denn Myon ist ein Roboter, aber kein gewöhnlicher. Statt vorprogrammierte Befehle zu erledigen, eignet er sich selbst Dinge an, um so etwas wie eine künstliche Intelligenz zu entwickeln. Um seine Interaktion mit den Menschen zu verbessern, hat er sich seit zwei Jahren in die Komische Oper begeben, um zu lernen. Was hat es mit dem Lachen auf sich? Warum weinen Menschen? Wie reagieren sie auf verschiedene Bewegungen? Fragen, die Myon verstehen und auf die er entsprechend antworten möchte. Hierbei hilft ihm das Stück „My Square Lady“, für das die Performance-Gruppe „Gob Squad“, das Forschungslabor Neurobotik der Beuth Hochschule für Technik Berlin und das Ensemble der Komischen Oper seit zwei Jahren zusammenarbeiten.
Ein Experiment für alle Beteiligten
Das Stück stellt den Abschluss eines Experiments dar, in dem sich alles um Myon dreht: „Wir haben ihn zwei Jahre lang mit der Oper gefüttert, da sich hier viel um große Gefühle dreht“, sagt Andrea Röber, Pressesprecherin der Komischen Oper. Und die sind ja wiederum für das „Robo-Kleinkind“, wie Myon vom Ensemble der Komischen Oper genannt wird, besonders spannend. „Er ist eine Projektionsfläche für menschliche Gefühle und möchte lernen, sie zu empfinden, auszudrücken und bei anderen hervorzurufen.“ Darum steht er gemeinsam mit Orchester, Solisten und Kinderchor auf der Bühne, die ihn und das Publikum mit Arien und Musikstücken füttern. Sie fragen danach, was den Menschen ausmacht und ob Gegenstände oder andere Lebewesen sich zu einem Menschen formen lassen.
Der Anfang vom Robotertheater?
Hierbei bleiben Fragen nach künstlicher Intelligenz und so etwas wie einem Robotertheater, das es in Japan bereits gibt, nicht unberührt: „Die Ensemblemitglieder hatten teilweise hohe Erwartungen an Myon, weil er nicht ferngesteuert ist. Aber da er sich noch ganz am Anfang befindet und zum Beispiel noch nicht alleine laufen kann, sehen sie ihn mittlerweile als kleines Kind, das von ihnen lernt.“ Von daher müssen sie sich keine Sorgen machen, dass Myon ihnen die Arbeitsplätze von morgen wegschnappt.
Das hat auch die Premiere am Sonntagabend (21. Juni) gezeigt. Hier musste Myon durch eine kleine Funktionsstörung ausgewechselt werden. „Auf einmal herrschte eine Totenstille im Saal. Es war halbwegs so, als wenn ein Sänger zusammenbricht“, so Röber. Klar: Das Publikum war im Voraus gespannt, was Myon schon so kann. Dementsprechend lachten und applaudierten sie wenig später, als er ein wenig dirigierte oder zu singen anfing. „Eben wie bei einem kleinen Kind, bei dem man nicht genau weiß, was es bereits kann und wie es auf das Umfeld reagiert.“
Durch das Feedback vom Publikum konnte er wiederum jede Menge lernen und die Emotionen einordnen. Myon, ein Roboter auf dem Weg zum Opernstar? „Das ist Zukunftsmusik. Das Team hinter ihm wird sicher weiter an seiner Entwicklung feilen. Aber bis er talentierten Schauspielern bei Castings Konkurrenz macht, dürfte es wohl noch eine Weile dauern.“ Für die Komische Oper jedenfalls endet das zweijährige Experiment Anfang Juli, wenn die dritte und letzte Aufführung von „My Square Lady“ ansteht. Zum Abschluss des Gefühlsexperiments dürfen sich die Besucher ein weiteres Mal auf das Robo-Kleinkind freuen: „Er kann auf äußere Reize eben unkalkulierbar reagieren. Das macht gewissermaßen auch die Spannung des Experiments aus“, so Pressesprecherin Röber. Und egal, wie er reagiert: Publikum und Bühnenkünstler dürften weinen, lachen und staunen.
Das Theaterstück „My Square Lady“ läuft noch am 25. Juni um 19:30 Uhr und 5. Juli um 19 Uhr in der Komischen Oper. Hauptfigur ist der Roboter Myon, der die Gefühle der Menschen kennenlernen möchte. Tickets gibt es ab 12 Euro unter (030) 47 99 74 00. Die Vorstellung am 5. Juli findet im Rahmen des Komische Oper Festivals 2015 statt. Hier können sich Zuschauer vor Beginn der Aufführung mit Myon austauschen und im Anschluss an die Aufführung darüber diskutieren, ob sich Roboter wie er in ferner Zukunft zu einem alltäglichen Teil der Gesellschaft entwickeln könnten.