Bayerisches Viertel - Vor zwei Wochen wurde das von Grund auf neu gestaltete Bahnhofsgebäude der Öffentlichkeit übergeben. Wir haben uns in der lichtdurchfluteten Anlage mit Dachterrasse umgesehen - und wurden dabei auf eine kleine Reise in die Vergangenheit entführt.
Schon von außen macht das neue, zweistöckige Bahnhofsgebäude, das den Eingang zu den U-Bahnlinien U4 und U7 markiert, einen tollen Eindruck: Viele Fenster, eine (noch) nicht mit Graffiti beschmierte Fassade in Schieferoptik und natürlich die zu drei Seiten hin offene Dachterrasse machen Lust, einen Blick ins Innere der Bahnhofshalle zu werfen, die den Vorgängerbau von 1971 ersetzt. Mehr als ein Jahr und 2,2 Millionen Euro wurden von der BVG in den Umbau der Anlage gesteckt, die Grundfläche der Anlage wurde dabei von rund 70 auf knapp 400 Quadratmeter erweitert. Die Investition scheint sich auszuzahlen: Seit der Eröffnung Mitte September zieht der Bau nicht mehr nur die Nutzer des Nahverkehrs an – auch Geschichtsinteressierte und Liebhaber von Kaffee und Kuchen entdecken den Bahnhof als neue Anlaufstelle für sich.
Wir betreten das Gebäude durch den neu geschaffenen Eingang in Richtung Innsbrucker Straße. Vorher fallen uns bereits die einladenden Liegestühle und die vielen Berufspendler ins Auge, die sich am sehr sauber anmutenden „Brutzelstübchen“ eine Currywurst genehmigen. Alles lädt dazu ein, nicht einfach nur in die nächste Bahn zu hetzen, sondern sich Zeit zu nehmen für ein paar Minuten am Bayerischen Platz. Ein Eindruck, der sich im weiteren Verlauf unseres Rundgangs immer wieder bestätigt. Auch das Erdgeschoss, von dem aus man zu den U-Bahngleisen gelangt, hat ebenfalls gar nichts mit den zugig, düsteren Hallen gemein, wie man sie von so vielen anderen Berliner U-Bahnstationen kennt. Lichtbanden, viele Fenster und bunte Säulen schaffen ein schönes Ambiente. Und es mutet gar nicht ungewöhnlich an, dass sich der ein oder andere Rentner hier einen Fensterplatz sucht, um ein paar Minuten zu verschnaufen und das Treiben rund um die Grunewaldstraße zu betrachten.
Auch der Gang ein wenig tiefer lohnt sich: Im Zwischengeschoss des Bahnhofs hat sich die BVG eine informative Dauerausstellung geleistet, die Besucher über die Geschichte des Bayerischen Platzes und seiner vielen prominenten Bewohner vor und nach dem Zweiten Weltkrieg informiert. Großformatige Bilder und kurzeTexte machen Lust, in die Vergangenheit des Schöneberger Zentrums einzutauchen. Noch strahlt alles in neuestem Glanz und eine vorbeieilende Anwohnerin hofft, dass es hier „nicht so schnell Vandalismus“ gibt. Weiter geht es, zurück in die höhergelegenen Ebenen des Bahnhofs. Über das kleine Bistro des Caterers „Apeccino“, das mit leckeren Torten, kleinen Gerichten und Kaffeespezialitäten zum Verweilen einlädt, gelangen wir zur Treppe ins Obergeschoss.
Über sie gelangt man zum eigentlichen Highlight des Bahnhofsgebäudes: Dem – ebenfalls zu Apeccino gehörenden – Café Haberland. Hier hat das Ambiente plötzlich gar nichts mehr mit einem Bahnhof gemein. Kronleuchter zaubern ein warmes Licht, aus den Lautsprechern klingt Klaviermusik der 20er Jahre, gemütliche Sessel und eine liebevoll zusammengestellte, ebenfalls an diese Epoche erinnernde Inneneinrichtung lassen schnell vermuten: Das hier könnte ein neues Lieblingscafé im Kiez werden. Das Tüpfelchen auf dem i ist die große Dachterrasse mit Strandkörben, Liegestühlen und einen tollen Blick ins Bayerische Viertel. Wir sind nicht die ersten, die sich verliebt haben: An diesem Nachmittag sind alle Tische auf dem zu drei Seiten hin offenen Balkon besetzt.
Doch kein Grund zur Traurigkeit: Schließlich haben die Vereine „Quartier Bayerischer Platz“ und „Wir waren Nachbarn“ – in enger Zusammenarbeit mit dem Café, der BVG und dem Bezirk sowie mit Unterstützung der Lottostiftung – im Inneren eine tolle multimediale Ausstellung geschaffen. An mehreren Säulen können sich kleine und große Besucher in Bild und Ton über das blühende, jüdisch geprägte Leben im Bayerischen Viertel vor und nach 1933 informieren. Großformatige Zeitungen – die im benachbarten Buchladen erworben werden können – informieren zum Beispiel über „Kunst und Kultur“ oder die „Baugeschichte“ des Viertels, ein riesiger Stadtplan zeigt den Weg zu historischen Sehenswürdigkeiten und ehrenamtliche Ansprechpartner stehen den Besuchern bei allen Fragen zur Verfügung. Auch eine Menge Veranstaltungen stehen auf dem Programm des „Zeithistorischen Portals Café Haberland“.
„Toll, wie es der neue Bahnhof schafft, eine alte Tradition wieder aufleben zu lassen. Schließlich war der Bayerische Platz vor dem Zweiten Weltkrieg ein echtes Zentrum der Hauptstadt. Heute findet man hier endlich wieder einen Ort, der ganz verschiedene Menschen zusammenbringt und zum Austausch anregt. Im „Zeithistorischen Portal“ jedenfalls wurden bei meinem kurzen Besuch gleich mehrere neue Kontakte zwischen Cafébesuchern, Anwohnern und den ehrenamtlichen Ansprechpartnern geknüpft. „