Könnte der Treffpunkt passender sein? Wir sind mit Daniel Haaksman im portugiesischen Café Galão im Weinbergsweg verabredet – für das schnelllebige Berlin eine kleine Kiezinstitution. Auch der DJ wohnt seit 16 Jahren im Kiez, in der nahen Torstraße. Portugiesisch hat Daniel Haaksman inzwischen ebenfalls gelernt: Nachdem er in den vergangenen Jahren immer wieder monatelang in Brasilien weilte, bot sich die Sprache einfach an. Viele Reisen unternommen hat er, meist auf der Suche nach neuer Musik, und ist inzwischen doch in Berlin daheim. Irgendwie folgerichtig, dass Haaksman nun der Hauptstadt genau dieses Album widmet: With Love, from Berlin ist gleichzeitig ein musikalischer Gruß an die Welt und ein Showcase, der zeigt, dass die musikalische Welt in Berlin zu Hause ist.
Die Musiker*innen, mit denen Daniel Haaksman auf der Platte kollaboriert, wohn(t)en alle in Berlin, stammen aber aus Brasilien, Angola, Frankreich, Peru, Mexiko, Israel oder Belgien. Einer der größten Namen ist der US-amerikanische Sänger Robert Owens, der vor allem in der House-Szene seit Jahrzehnten ein Garant für große Hymnen ist. Er ist auf 24-7 zusammen mit Kzia zu hören. Der Track ist wie L’Anoranza (feat. Coco Maria, Dengue Dengue Dengue & Ori Kaplan) ein Statement: So großartig können sich globale Popsongs auf elektronischer Basis anhören.
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Wozu gibt es noch Musik?
Haaksman nennt seinen Sound „Tropical Bass“, versteht das aber nur als Begriff und nicht als Schublade, denn neben den meist erfreulich präsenten Bässen sind seine Tracks vor allem vielfältig. Die anderen Künstler*innen auf seinem Album passen da gut rein, sind „musikalisch sehr nah an dem dran (…), was ich mache“, so Haaksman. With Love, from Berlin startet mit Corpo Sujeito ft. Cibelle chillig und spannt bis zur abschließenden Wolkenreise mit französischen Akkordeonklängen einen Bogen: „Es ist gegliedert wie ein DJ-Set von mir. Ich liebe es, lange Sets zu spielen, vier oder fünf Stunden.“ Ein weiterer Höhepunkt des Albums: Occupy Berlin ft. Kalaf & She’s Drunk. Der Angolaner Kalaf Angelo reißt hier die Themen an, um die es Haaksman mit dem Album insgesamt auch geht: Integration, Offenheit und Völkerverständigung.
Aber wie funktioniert das mit der Musik heute überhaupt noch? Daniel Haaksman kennt auch das Schreiben darüber, hat unter anderem einige Jahre für die vor kurzem eingestellte Groove geschrieben, eine der wichtigsten Zeitschriften für elektronische Musik in Deutschland. Die Spex ist ein weiteres Beispiel: Musikmedien, vor allem die gedruckten, haben es in Zeiten von automatisierten Empfehlungen schwer. Haaksman formuliert es so: „Die algorithmengesteuerte Musikvermittlung hat alles übernommen und das Journalistische obsolet gemacht. Ich finde aber, kein Algorithmus kann dir den Kontext erklären, aus dem bestimmte Sachen kommen und dir auch keine geschichtlichen Hintergründe liefern.“ Doch vielleicht ist das auch gar nicht mehr gefragt: „Musik hat nicht mehr den Stellenwert, den sie vor 20 bis 25 Jahren hatte, als Identitätsträger und -stifter“, vermutet Haaksman. Was den Produzenten und DJ nicht davon abhält, selber daran zu glauben, dass man mit Musik noch etwas verändern, Wissen vermitteln, Leute auf etwas hinweisen kann.
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International ausgerichtet und im Kiez zu Hause
Daniel Haaksman hat schon einiges verändert. Nicht nur weil er kontinuierlich den Sound des Südens in unsere Clubs bringt. Er ist auch verantwortlich für den Begriff „Baile Funk“, der sich in Mitteleuropa als Bezeichnung für einen Musikstil etabliert hat, der in Brasilien eigentlich „Funk Carioca“ heißt. Haaksman nutzte den Begriff für den Namen eines Compilation-Albums – von da an ging der Begriff sozusagen viral.
Das Berlin, das er kennt und auf seinem Album featured, ist eine Stadt, die durch ihre künstlerische und musikalische Vielfalt Menschen aus aller Welt anzieht. Auch ‚ganz normale Menschen‘, für die die Musikszene eine Touristenattraktion ist. Haaksman ist sich der Vor- und Nachteile einer tourismusfixierten Stadt bewusst, sagt aber auch: „Die ganze Clubkultur würde ohne Touristen nicht mehr existieren, wäre schon längst kollabiert.“ Ohne Internationalisierung wäre Berlin außerdem eine viel langweiligere Stadt.
Das trifft auch auf die Torstraße zu: „Vor 16 Jahren wollte hier niemand wohnen. Da war das nur eine laute, dreckige Straße“, erzählt Haaksman. Für die Pioniere, die rechtzeitig da waren, gibt es heute keinen Grund, wieder wegzuziehen. So geht es jedenfalls dem DJ, der sich im Kiez sehr wohl fühlt: „Ich bewege mich kaum raus aus diesen vier Ecken, wenn ich in Berlin bin.“ Rund um den Weinbergspark und die Invalidenstraße gibt es schließlich alles was man so braucht, etwa viele gute Cafés und Restaurants. Oder die Pâtisseries de Sébastien. „Selbst in Frankreich gibt es oft nicht so gute Croissants, Eclairs oder Baguettes“, findet Haaksman. Gute Drinks gäbe es im Acud, das natürlich nach wie vor auch ein Club sei. Betreiberwechsel und Umbau hätten ihm gut getan: „Das Acud ist für viele Leute aus dem Kiez ein wichtiger Veranstaltungsort.“ Auch für Daniel Haaksman: Hier feierte er Ende Januar die Release-Party für sein Album. Der Sound der Welt, zu Hause in Berlin-Mitte.
„With Love, from Berlin“ von Daniel Haaksman ist unter anderem hier erhältlich