Berliner Persönlichkeiten zeigen ihren Kiez

Stefan Kleinert würdigt Jörg Berger und Lichterfelde

Stefan Kleinert, Schauspieler und Regisseur des Stücks über Jörg Berger, auf der Bühne des Theaters im Palais.
Stefan Kleinert, Schauspieler und Regisseur des Stücks über Jörg Berger, auf der Bühne des Theaters im Palais. Zur Foto-Galerie
Dorotheenstadt / Schweizer Viertel – Der Schauspieler und Regisseur kann sich nicht über mangelnde Arbeit beklagen: Vor Kurzem ist er künstlerischer Leiter des Theaters im Palais geworden. Außerdem inszeniert er dort fast im Alleingang ein Stück über den verstorbenen Fußballtrainer Jörg Berger. Ruhe findet Kleinert an seinem Geburts- und Wohnort Lichterfelde.

Fußball ist eine Konstante im Leben des Theatermanns und früheren Journalisten: von den Anfängen auf dem Bolzplatz, als Spieler und gleichzeitiger Kommentator des Geschehens, über das langjährige Dasein als Schalke-Fan (bei vier Hertha BSC unterstützenden Brüdern) bis zur beruflichen Beschäftigung mit dem Thema. Als Redakteur beim Hörfunk lernte Stefan Kleinert Jörg Berger kennen, den als Retter kriselnder Klubs geschätzten Trainer, der einst aus der DDR in den Westen floh. Bergers positive Einstellung, seine Geradlinigkeit und Zuverlässigkeit imponierten ihm.

Im Oktober 2014, fast 25 Jahre nach dem Mauerfall, wäre der gebürtige Pommer 70 Jahre alt geworden. „Ich finde, dass es an der Zeit ist, den Menschen Jörg Berger und seine Arbeit zu würdigen“, sagt Kleinert deshalb – und setzte die Idee selbst in die Tat um. Herausgekommen ist das Ein-Personen-Stück „Jörg Berger – Meine zwei Halbzeiten“. Es basiert auf der gleichnamigen, im Rowohlt Verlag erschienenen Autobiografie des Trainers. Darin behandelt Berger nicht nur seine Arbeit, seine Flucht, die folgenden Anschläge auf sein Leben, sondern auch die Krebserkrankung, die ihn 2002 ereilte.

Mit der Diagnose, die er als Alemannia Aachen-Trainer vor einem Spiel mitgeteilt bekam, beginnt auch die Inszenierung von Stefan Kleinert. Diese ist nicht chronologisch gegliedert; es gibt Sprünge durch die Biografie – etwa wenn Kleinerts Jörg Berger über die Vergangenheit reflektiert. Einzelne Situationen werden fiktiv nachgespielt, orientieren sich aber immer am Text des Buches. Berger selbst ist in O-Tönen zu hören. Im Gespräch vor Ort im Theater betont Stefan Kleinert, dass es ihm nicht darum ging, den Trainer zu imitieren: „Jörg Berger bleibt auf der Bühne eine Kunstfigur“. Der Schauspieler wird auch nicht anfangen, zu sächseln.

Jung und Alt zusammen auf einer Bühne

Neben der Arbeit als Schauspieler und Regisseur hat Kleinert am Theater im Palais auch das Jugendtheater JUST initiiert. „Das ist einzigartig in der Stadt“, sagt Kleinert. „Ein Ensemble aus Schülern und Studenten, die schon viele Jahre hier sind.“ Außerdem sei das Jugendtheater fest in den Spielplan integriert. Seit Juni 2014 ist der Lichterfelder obendrein noch als künstlerischer Leiter des Hauses tätig, das sich als exklusives Kammertheater für Geschichten von heute versteht. „Wir wollen nicht das alte Publikum verschrecken, aber wir müssen ein neues gewinnen“, umschreibt Kleinert seine Zielsetzung. Er möchte mit den dienstälteren Schauspielern neue Facetten erarbeiten und mittelfristig auch den Nachwuchs aus dem Jugendbereich integrieren.

Nach Spielschluss fährt Stefan Kleinert mit der S-Bahn zurück in sein Lichterfelde, wo er schon immer zu Hause war. Derzeit lebt er mit einem jüngeren Bruder in der Wohnung seiner Eltern, die beide wie Jörg Berger an Krebs gestorben sind. In der Gegend gefällt es dem Schauspieler nach wie vor: „Berlin verändert sich rasend schnell. In Lichterfelde habe ich das Gefühl, es hat sich nichts verändert.“ Natürlich gebe es auch dort neue Häuser, etwa im Schweizer Viertel, an dessen Rand Kleinert wohnt. Doch „Flair und Charakter haben sich nicht verändert“, meint er.

Der Ur-Berliner findet das gut. Beim Bestreben, eine Metropole sein zu wollen, entwickle sich die Hauptstadt insgesamt viel zu schnell – oder versuche es zumindest. Kleinert übt Kritik an den Hauruck-Verfahren, den vielen Bauprojekten, die nicht funktionieren. Was er an Berlin schätzt? Er nennt die Weltoffenheit, die kulturelle Vielfalt und macht obendrein klar, dass für ihn keine andere Stadt in Frage käme: „Ich hatte nie das Gefühl, dass es mir zu viel, bunt oder laut wird.“

Bodenständig in Lichterfelde-West

In der Freizeit ist Kleinert gerne an Schlachtensee oder Wannsee unterwegs. Ihm gefällt der Biergarten Loretta an letzterem – und die Dampferfahrten, bei denen er gut abschalten kann. Auch Spaziergänge am Wasser mag er. Stefan Kleinert ist nach eigener Aussage ein bodenständiger Typ. In seiner Nachbarschaft besucht er häufig den Hot Grill, einen Döner-Laden im Schweizer Viertel. „Da kann ich draußen sitzen, ganz ungezwungen sein und über Fußball reden“, lobt er dessen Vorzüge. Und das Fleisch schmeckt ihm ebenfalls, genauso wie beim Schlosspark-Grill, einem kroatischen Restaurant in der Bäkestraße, Ecke Hindenburgdamm.

Ansonsten ist das Umfeld des S-Bahnhofs Lichterfelde West eine Gegend, in der sich Stefan Kleinert wohlfühlt. Er sitzt gerne im kleinen Park neben dem Bahnhof oder sogar in der Bäckerei im Durchgangsgebäude. „Da kriegt man Dinge mit, die kannst du gar nicht für die Bühne erfinden“, erklärt der Regisseur. Wenn er Literatur braucht, zieht es ihn ein paar Schritte weiter in die Buchhandlung Bodenbender. Für viele Einkäufe fährt er allerdings eher zur Steglitzer Schloßstraße.

Neben den vielen Dingen, die Kleinert an Lichterfelde schätzt, gibt es aber auch Probleme – selbst wenn diese nicht kiezspezifisch sind. Er denkt an marode Schulgebäude, etwa die Max-von-Laue-Schule, in die der Schauspieler einst selber ging und wo seine Theaterkarriere startete. Auch die Entwicklung der Mieten sei problematisch. „Das sind Themen, über die man spricht, auch wenn ich beim Hot Grill sitze“, sagt Kleinert.

Die Premiere von „Jörg Berger – Meine zwei Halbzeiten“ findet am Sonntag, 12. Oktober, um 20 Uhr im Theater im Palais, Am Festungsgraben 1, statt. Vorpremiere ist einen Tag zuvor um 18 Uhr. Weitere Termine findet ihr auf der Homepage.

Foto Galerie

Hot Grill, Lausanner Straße 81, 12205 Berlin

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