„Die ganzen Läden hier kenne ich noch gar nicht. Die müssen erst seit Kurzem offen haben“, sagt Henrike von Kuick einige Male, als sie mit uns durch ihre Berliner Heimat rund um den Boxhagener Platz spaziert. Wegen eines Drehs ist sie einige Wochen nicht in Friedrichshain gewesen und schon gibt es wieder Neues zu entdecken, im „Ballermann Berlins“, wie die Schauspielerin das Gebiet zwischen RAW-Gelände und Simon-Dach-Straße nennt. „Hier kann man so sein, wie man ist. Die Menschen sind einfach locker drauf. Das mag ich total.“ Die vielen jungen Menschen täten dem Kiez gut, findet Henrike: „Das fühlt sich oft so an, als würde hier niemand arbeiten, als hätten alle Urlaub. In Mitte ist das etwas ganz anderes.“
Dabei ist das keineswegs immer so gewesen. Als die Schauspielerin vor rund zwölf Jahren das erste Mal hier war, „sah es aus wie nach’m Krieg: Alles grau und trist.“ Auch ihre Eltern, die im brandenburgischen Caputh leben, hatten anfangs ihre ganz eigene Meinung zum neuen Wohnort. „Meine Mutter sagte: ‚Henrike, ruf‘ mich bitte jedes Mal an, wenn du wieder zu Hause bist, damit ich mir keine Sorgen machen muss.'“
Lieblingscafé gesucht
Doch viele Anrufe waren nicht nötig. Schnell lebte sich die 29-Jährige ein, auch weil sie Freunde in allen Bezirken hat. Mit den Regisseuren, mit denen sie bereits gearbeitet hat, hat sie in Berlin meist einen Stamm-Treffpunkt: „Mit Anno Saul treffe ich mich zum Beispiel immer im Weinbergspark in Mitte. Dort gibt es Bäume, die einfach umwerfend ausschauen, wenn sie blühen. Aktuell bin ich mit Philipp Döring öfter im Café NEST in Kreuzberg. Mit ihm habe ich schon einige Male zusammengearbeitet. Wir drehen diesen Herbst unseren ersten gemeinsamen Langfilm.“
Für alle möglichen Treffen war auch lange Zeit das Café Cortado ihre erste Adresse: „Die Tassen waren hier genauso fantastisch wie das Kaffeeangebot. Zu schade, dass es schließen musste“. Dadurch befindet sich die gebürtige Potsdamerin weiterhin auf der Suche nach einem neuen Herzenscafé in Friedrichshain. „Dafür kann ich das französische Bistro 3 minutes sur mer in der Torstraße empfehlen. Hier kann man eigentlich blind alles bestellen – und wird positiv überrascht.“
Auch wenn ihr meist die Zeit für ein gutes Buch fehlt, schaut sie gerne einmal im Buchladen Lesen und Lesen lassen in der Wühlischstraße vorbei: „Von wegen unfreundliches Berlin. Das Ehepaar, das den Laden betreibt, nimmt sich für jeden Kunden Zeit und berät so liebevoll, wie es nur kann.“ Genauso wohl fühlt sich Henrike ein paar Meter weiter im Superschlüpfer, bei dem sie „nicht nur den Namen, sondern auch die lustige Unterwäsche“ super findet.
Ein Herz für Bäume und Brücken
Die Schauspielerin hofft, dass sie sich noch lange an diesen Läden erfreuen kann, aber bleibt skeptisch: „Das Cortado musste aufgrund einer Mieterhöhung dicht machen. So geht es wohl leider vielen Läden hier im Kiez – und auch den Bewohnern.“ Trotzdem sei sie absolut froh darüber, weiterhin hier leben zu können. Henrike weiß allerdings, dass auch sie eine Mieterhöhung treffen könnte. Apropos treffen: „Irgendwie sind gefühlt alle Dealer vom Görlitzer Park jetzt hier. Es ist schon oft unangenehm, wenn sie einen penetrant verfolgen. Gerade dann, wenn man wie ich mit Drogen nichts am Hut hat.“ Auch der gewissen Anonymität im Party-Kiez steht die Schauspielerin skeptisch gegenüber, da ein Nachbar, mit dem sie sich prima verstand, auf einmal verschwand. Erst Tage später fand man ihn tot in seiner Wohnung. Eine Vorstellung, die die gebürtige Potsdamerin gruselt und darin bestärkt, stets einen guten Draht zu ihren Nachbarn zu pflegen.
„Meine Lieblingsbrücke ist allerdings die Warschauer Brücke. Dort läuft man immer mit Musik im Ohr und Wind im Haar entlang.“ Außerdem begegnet sie hier jedes Mal ihrem Lieblingsbaum. „Das ist so ein wunderschöner Mirabellenbaum. Trotzdem glaube ich, dass er kaum jemandem auffällt. Warum eigentlich? Er begrüßt einen doch immer, wenn man hier ist.“ Er zählt für sie zu den wenigen Dingen in Friedrichshain, die so etwas wie Beständigkeit ausstrahlen. „Alle Läden, die ich hier noch aus meiner Schul- und Studienzeit kenne, gibt es nicht mehr.“ Gerade deshalb mag sie den Baum wohl umso mehr. Während vieles kommt und geht: Ihn stören die Mieterhöhungen nicht. Er bleibt. Und grüßt sie jeden Tag auf‘s Neue.
Die Schauspielerin Henrike von Kuick lebt seit 2011 in Berlin-Friedrichshain. Sie stand bereits bei deutschen Dramen wie „Die Summe meiner einzelnen Teile“ (2011) und „Am Himmel der Tag“ (2013) sowie in einigen Ausgaben vom „Tatort“ vor der Kamera. Zuletzt drehte sie im brandenburgischen Neumädewitz ihren ersten eigenen Kurzfilm „Das Huhn“ und arbeitet aktuell am Drama „Coke Champagne & Cigarettes“, das 2016 ins Kino kommt. Sie hat zuletzt auch Aufträge als Synchronsprecherin übernommen. Außerdem hat sie noch einen Entwurf für ihr erstes Buch in der Schublade. Nicht ausgeschlossen also, dass man bald ein paar Zeilen von ihr lesen kann.