Durch den Kiez

Schiller: "Jetzt bin ich selbstgewählt heimatlos."

Christopher Deylen alias Schiller lehnt an einem Stück der Berliner Mauer. Er ist gern an der East Side Gallery oder im kleinen Park dahinter unterwegs.
Christopher Deylen alias Schiller lehnt an einem Stück der Berliner Mauer. Er ist gern an der East Side Gallery oder im kleinen Park dahinter unterwegs. Zur Foto-Galerie
Mediaspree - Er ist Deutschlands erfolgreichster Elektro-Künstler. Sein neues Album Future stieg im Februar auf Platz 1 in die Album Charts ein. Trotzdem hat Schiller keine Wohnung. Warum das so ist und wie er Berlin neu kennenlernt, verrät er beim Kiezspaziergang.

Mit Future hat Schiller gerade sein neuntes Album veröffentlicht. Auf allen regieren Synthesizer, epische und atmosphärische Melodien. Man würde sich nicht wundern, wenn plötzlich eine Panflöte oder Engelschöre einsetzen. Hinzu kommen philosophische Texte. In den sozialen Netzwerken ruft der 45-Jährige dazu auf, die eigenen Träume zu leben – untermalt von Sonnenuntergängen und anderen romantischen Motiven. Sensibelchen? Chill-Out-Yogi? Wer ist der Mann hinter dem Konzept?

„Innerlich bin ich ein rastloser Geist und kein Om-Typ“, sagt Christopher von Deylen, so Schillers bürgerlicher Name. Das gilt nicht nur für seinen Drang, den eigenen Klang zu perfektionieren. Christopher ist auch ständig unterwegs. Eines seiner Alben hat er in der Arktis aufgenommen, das aktuelle in der Wüste Kaliforniens. „Musikalisch kann ich mich in der Wüste freier ausdrücken als in der Großstadt“, erklärt er. Weit weg vom dynamischen Berlin.

„Berlin oder gar nicht!“

Insgesamt zweieinhalb Jahre hat Christopher zuletzt in den USA verbracht. Und ist dort zum bekennenden Starbucks-Fan geworden. Von Berlin kann er sich trotzdem noch nicht lösen: „Berlin als Großstadt in Deutschland ist die einzige Alternative. Berlin oder gar nicht!“, sagt er. Aber wo genau wohnt er nun?

„Ich wohne eigentlich gar nicht mehr“, lacht der Mann aus der Lüneburger Heide. Auf seiner letzten Tour 2013 habe ihm erstaunlicherweise gar nichts von zuhause gefehlt. Überhaupt wollte Christopher nach 15 Jahren Großstadt etwas verändern. Die Konsequenz: Bis auf zweieinhalb Koffer hat er seinen ganzen Hausrat verschenkt. Und kommt seither entweder bei Freunden unter oder findet die nächste Bleibe via Airbnb.

So lernt Christopher auch Berlin ganz neu kennen. „Manchmal erscheint es fast leichter, für ein Wochenende nach London zu reisen, als einen Nachmittag in Charlottenburg zu verbringen“, weiß er. Die Gegend zwischen seiner früheren Wohnung in Friedrichshains Niederbarnimstraße, dem Michelberger Hotel und seinem Plattenlabel Universal nennt der Musiker scherzhaft sein Bermudadreieck. Früher habe er es nicht einmal rüber nach Kreuzberg geschafft. Jetzt erst war er zum ersten Mal auf der Siegessäule („Das lohnt sich!“). Und zu seinen Berlin-Favoriten zählen neuerdings das Panoramacafé am Potsdamer Platz und die Victoria Bar in Charlottenburg – „Bei allem selbstgewählten Einsiedler-Dasein das super Menschenkino.“

Der Ex-Friedrichshainer und die Oberbaumbrücke. ©Wernicke

Sammelt Schiller dort Inspiration für seine vielen Songs? Nicht wirklich. „Es geht nicht um emotionales Abfotografieren. Es geht darum, jede Form der emotionalen Sesshaftigkeit zu vermeiden, wach und neugierig zu bleiben.“ So drückt es der Dichter, pardon, Musiker aus.

„Ich kann nur jedem raten, Prüfungen nicht zu bestehen.“

Überhaupt spricht Christopher oft in schönen Bildern. Wohlformulierte Sätze kommen ihm ganz selbstverständlich über die Lippen. Da klingt es sogar fantastisch, wenn mal was danebengeht. „Ich bin ein großer Freund von menschlichem Versagen“, sagt der Reisende. Und ist rückblickend froh darüber, dass er die Aufnahmeprüfung für das Studium zum Toningenieur nicht geschafft hat. Weil Gutes oft genau dann passiert. Auch später, als er schon erfolgreich war, ist er noch öfter gescheitert, erzählt Christopher. „Das weiß nur keiner“, fügt er lachend hinzu.

Und da wir gerade beim Thema sind: „Mein Fehler ist, dass ich Musik mache aber nicht singen kann“, gesteht er. Macht aber nichts. Denn Schiller hält sich an Édit Piafs Motto „Nutze deine Defizite und mach was draus“ und findet immer neue Gastkünstler, die seinen Songs eine Stimme geben. Ohne sie zu suchen, wie er betont. Den Text zum neuen Song For You hat zum Beispiel Sharon Stone an ihn geschickt, ohne dass die Hollywood-Schauspielerin und der Musiker je miteinander gesprochen hätten.

In der Mercedes-Benz Arena feiert Schiller das Finale seiner Tour durch 16 Arenen. ©Wernicke

Zum Abschied gibt uns Christopher statt Lebensweisheiten dann aber doch noch ein paar Kieztipps mit auf den Weg: Den besten Cappuccino gebe es in Friedrichshain im La Tienda del Barrio. Fast nebenan serviert Christophers Lieblingsasiate Lemongrass richtig gutes Essen. Für die beste Currywurst lohne sich dagegen der Weg in die City West zu Bier’s Kudamm 195.

Für richtig gute Klangkost sollte man aber im Oktober zu Schillers Konzert in die Mercedes-Benz Arena kommen und seine ausgeklügelten Licht- und Soundinstallationen bewundern. Beides hat Christopher selbst konzipiert, erzählt er uns, als wir vor der Arena stehen. „Lass uns schnell weitergehen, ich bekomme jetzt schon Lampenfieber!“, sagt er dann. Ganz der rastlose Künstler eben.

Am 14. Oktober kannst du Schiller mit einer multivisuellen Show in der Mercedes-Benz Arena sehen. Tickets gibt es hier noch ab 69,50 Euro zu kaufen.

Foto Galerie

Mercedes-Benz Arena, Mercedes Platz 1, 10243 Berlin

Telefon 030 2060708899

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