Fahrstuhl und Müllschlucker
Um die Versorgung aller Einkommensschichten mit Wohnungen sicherzustellen, stand insbesondere der soziale Wohnungsbau im Vordergrund. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden aufgrund der großen Wohnungsnot nicht nur zerstörte Wohnhäuser ersetzt, sondern auch anderweitig genutzte Freiflächen bebaut. Dafür mussten erst einmal Laubenpieper weichen – damit auf städtischem Grund und Boden 2.200 Wohnungen zwischen der Seestraße, dem Schillerpark, der Holländerstraße und der Markstraße gebaut werden konnten. An der Aroser Allee befand sich außer den Kleingärten lediglich die 1925-27 errichtete Anlage „Schillerhof“. Die Architekten Gerhard Krebs, Alfred Rahn, Hans Schoszberger und Kurt Dübbers realisierten die Neubauten nach dem städtebaulichen Entwurf von Klaus Müller-Rehm für die städtische Gesellschaft DEGEWO.
Die Berliner Morgenpost schrieb über das Projekt am 29. April 1953 begeistert: „Ein mustergültiger, moderner Stadtteil in einer in den Schillerpark übergehenden Grünfläche, der auch im Ausland etwas Neues darstellen dürfte. Vier…Hochhäuser mit Ein-Zimmer-Wohnungen, Zentralheizung, Fahrstuhl und Müllschluckeranlage werden das Wahrzeichen der Siedlung bilden. Die anderen Häuserzeilen, mit zum größten Teil Zwei-Zimmer-Wohnungen, sollen vier und fünf Etagen haben, alle Wohnungen erhalten einen Balkon, die im Erdgeschoss einen Garten von etwa 300 Quadratmetern mit direktem Zugang.“
Die 1955 bis 1961 errichteten Gebäude gruppieren sich in Nord-Süd-Richtung in viergeschossige Zeilenbauten, drei achtgeschossige Zeilen und eine achtgeschossige Hochhausscheibe. Auch an die Infrastruktur wurde mit einer Schule, einem Jugendheim, einer Sportanlage, einem Altenheim und einem Kirchenneubau gedacht. Später wurde die 1949 gegründete DEGEWO-Tochtergesellschaft GESOBAU Eigentümer der Schillerhöhe. Die vor dem Krieg begonnene Systematik der nach Schweizer Orten benannten Straßen wurde in der Siedlung weitergeführt, so entstanden die Schwyzer Straße und der Frauenfelder Weg. Eigentlich müsste die Siedlung also eher Schweizer Viertel heißen.
Architektur, die insgesamt anspricht
Sehenswert ist insbesondere die St. Alyosiuskirche, ein für die Fünfzigerjahre typischer Kirchenbau mit angeschlossenem Gemeindezentrum, entworfen von Architekt Felix Hinssen. Mitten in der Siedlung Schillerhöhe steht das Gemeindezentrum Schillerhöhe der Evangelischen Kapernaumgemeinde, ein wenig ansprechender Betonklotz der Siebzigerjahre. Auch das Oberstufenzentrum Gesundheit, ein monströser Schulneubau, steht für das Architekturverständnis dieser Zeit. Doch die den Geist der Nachkriegszeit atmende Schillerhöhe wirkt insgesamt, vor allem durch die energetisch sanierten und farblich ansprechend gestalteten Zeilenhäuser, freundlich und ziemlich vorstädtisch.
In den 1970er Jahren kam noch das Kombibad Seestraße hinzu, das den größten Teil der Siedlung von der verkehrsreichen Seestraße abschirmt. Trotz oder gerade wegen der ruhigen Lage: im Bewusstsein der Berliner ist dieses kleine, in sich geschlossene Wohngebiet kaum bekannt – schließlich passt eine Siedlung im Grünen kaum in das das Klischee vom “Arbeiterbezirk Wedding”. Dabei ist immerhin die gesamte nördliche Hälfte des Ortsteils Wedding voll von Parks und Gärten. Und die benachbarte grüne Siedlung Schillerpark aus den 1920er Jahren hat es – auch wegen ihres Reformwohnungsbaus – zum Weltkulturerbe gebracht. Die weitgehend unbekannte Siedlung Schillerhöhe hat eine ebenso lebenswerte Wohnlage im Übergangsbereich von Wedding nach Reinickendorf – die Mini-Trabantenstadt am Rand des dichtbebauten Wedding ist einen zweiten Blick wert.
Dieser Artikel wurde uns zur Verfügung gestellt von www.weddingweiser.de