Kreuzberg - "Schnippeldisko" ist ein Trend des Slow-Food-Aktivismus. Zusammen kochen und dabei auch noch Spaß haben ist dabei weder eine neue, noch eine komplizierte Idee - aber jetzt wird wiederentdeckt, was schon immer gut und lecker war.
Schnippeldisko, das ist Slow Food, Protestsuppe, Anti-Agrarindustrie, Anti-Mastbetriebe, Anti-Mainstream-Clubkultur, Anti-alles für jetzt und immer. Bei up-tempo-Partymucke oder treibendem Minimal-Beat das Küchenmesser zu wetzen, ist der letzte Schrei. Zuletzt hat Kreuzbergs Markhalle Neun passend zur Berlin Music Week die Boxen angeschmissen und mit 200 Leuten haufen-, ach was, tonnenweise Gemüse in die Töpfe geraspelt. Das ist Spaßfaktor, Ökotrend und Kommunikator in einem. Wer sich bei da mehreren hundert Gleichgesinnten nicht traut das Tanzbein zu schwingen, kommt wenigstens beim gemeinsamen Essen ins Gespräch. Über virale Netzfreunde wie den Nomy-Blog aufgezeigt, über Social Media weitergeflüstert und fett mit DJ-Support unterlegt, haben sich immer wieder aufpoppende „Schnippeldisko“-Happenings als Lifestyle-Gut in der Friedrichshain-Kreuzberger Szene etabliert.
Eine alte Idee wird hip verpackt
Auf seine Bestandteile runtergebrochen, dürfte einem die Schnippeldisko aber ziemlich bekannt vorkommen. Denn auch wenn „Schnippeldisko“ wahnsinnig hip klingt, wird doch auch nur mit Wasser gekocht. Man trifft sich in einer Gruppe, weil kochen alleine weniger Spaß macht. Und wenn man schon zusammen ist, dann kann man auch das Radio anschmeißen. Und wenn schon gute Mucke läuft, dann kann man, während man Zucchini und Brettchen malträtiert, auch mit den Hüften wackeln. Die partytauglichen Happenings stellen somit nur einen organisierteren Überbau für eine seit Jahrtausenden funktionierende Ess- und Gemeinschaftskultur dar. Abschmecken und abtanzen, ja, das kannten sicher schon die Neanderthaler, als sie ihre Mammuts im Plenum verarbeiteten und währenddessen einer auf den Fellen trommelte.
Was aber keinesfalls die wirkmächtige Richtigkeit der Schnippeldisko außer Kraft setzt. Bewusst essen, bewusst Essen verarbeiten und bewusst dabei Spaß haben – das kommt einfach nie aus der Mode. Und: das lässt sich unglaublich einfach verbinden mit anderen coolen Variante-1-Sachen. Den regelmäßigen Voküs im Vetomat beispielsweise oder den mittlerweile von den Supermärkten hart bekämpften Container Divern, also den Guerillas, die sich den kiloweise weggeworfenen Lebensmittel der Discounter annehmen.
Ganz klar, mehr Schnippeldiskos braucht die Stadt – sie sind einfach zu organisieren, lockern das Miteinander und richten sich als sympathischer Mittelfinger sowohl gegen teure Restaurants als auch gegen fettig-fritierende Fast-Food-Ketten. Also, abschmecken und abtanzen, denn nur selber tanzen macht satt!