Angst und Verwirrung in New York: Das Radio berichtet über eine Invasion vom Mars im benachbarten New Jersey. Dass es sich bei der 1938 ausgestrahlten Sendung um eine Hörspieladaption von H.G. Wells‘ 40 Jahre zuvor veröffentlichtem Science-Fiction-Roman Der Krieg der Welten (im Original: The War of the Worlds) handelt, ist vielen Hörern nicht bewusst. Kann sich ein Schriftsteller einen durchschlagenderen Erfolg vorstellen? Spätestens jetzt ist Wells weltberühmt.
Auch Thilo Krapp hat Der Krieg der Welten zunächst im Radio gehört – im Alter von elf Jahren. Seitdem hat den heute 41-Jährigen die Geschichte nicht mehr losgelassen. Ein paar Jahre später bekam er das Buch geschenkt und fasste noch als Jugendlicher den kühnen Plan, den Klassiker als Comic umzusetzen. Bereits mit 17 fuhr der begabte Zeichner nach London, um die Handlungsorte aufzusuchen. Erste Bilder entstanden. Im Jahr 2014 folgte ein weiterer zweiwöchiger Aufenthalt in der britischen Hauptstadt und der englischen Grafschaft Surrey, in der Der Krieg der Welten im Original spielt.
Mit Liebe zum Detail
Im Januar 2017 ist Krapps Graphic Novel bei Egmont erschienen. Nun wird klar, was der gebürtige Westfale und heutige Berliner von seinen Reisen und der Recherche in Büchern und Zeitschriften mitgebracht hat: Seine Version vom Krieg der Welten ist von großer Liebe zum Detail geprägt. In England studierte er Architektur und Landschaft und setzte viele Skizzen originalgetreu im Buch um.
Es gab bereits Comic- und selbstverständlich Film-Adaptionen des Wells-Klassikers, doch Krapp versetzt nicht nur die Handlung zurück an ihren ursprünglichen Schauplatz, sondern schafft es auch wie kaum jemand zuvor, eine visuell authentische Atmosphäre zu schaffen. Das viktorianische Südengland des ausgehenden 19. Jahrhunderts erweckt er in feinen Grautönen zum Leben. Gleichzeitig wird die Story von den mordenden Marswesen wieder zur Parabel auf den Kolonialismus des britischen Empire zu Wells‘ Zeiten.
Man sieht den Rechercheaufwand, den Krapp betrieben hat, an Kostümen, Möbeln, Häusern und Landschaften. Man kann ihn im Anhang der Graphic Novel erahnen, wo der Illustrator einige seiner Skizzen zeigt. Noch deutlicher wurde er bei Thilo Krapps Vortrag zu seinem Buch am 20. Januar in der Bibliothek am Luisenbad im Wedding. Die Besucher erfuhren nicht nur, wie heutzutage eine Graphic Novel mit Hilfe eines Tablets und digitalen Stiften entstehen kann. Sie sahen unter anderem auch Dutzende Stuhllehnen, die Krapp im Laufe seiner Recherchen skizziert hat. Es ist nicht nur, aber besonders diese Authentizität, die die jüngste Version von Der Krieg der Welten zu einer besonders gelungenen macht – und das kurz vor dem 120-jährigen Jubiläum des Klassikers.
Der Krieg der Welten von H.G. Wells und Thilo Krapp ist zum Preis von 28 Euro bei Egmont Graphic Novel erschienen. Der Verlag präsentiert außerdem noch bis zum 24. Februar 2017 alle seine Bücher während der Öffnungszeiten in der Bibliothek am Luisenbad.