Das ist jetzt vielleicht keine große Überraschung: Ich schaue mir wahnsinnig gerne Sexszenen an. Klassische Pornos, okay, kann man mal machen. Aber irgendwie muss da doch mehr drin sein. Sex – und eben ein bisschen mehr. Überraschendes, Unverstelltes, Szenen, die nicht nur geil machen, sondern auch geil zum Nachdenken (und Nachmachen) anregen. Ich erinnere mich, dass ich auf sowas immer eher zufällig gekommen bin.
Irgendwann, vor bestimmt 15 Jahren oder so, stieß ich nachts beim Zappen auf einen Film, in dem zwei Menschen miteinander Sex hatten. Soweit nichts Ungewöhnliches, aber es war das erste Mal, dass ich, im normalen Fernsehprogramm, so explizite Sexszenen sah. Vielleicht sogar einen erigierten Penis, uiui, der ganz offensichtlich in der Frau verschwand. Und vor allem sah ich Menschen jenseits der 25, mit ein paar Falten, beim Wälzen über den Boden einer ollen Wohnung unvorteilhaft gequetschter Haut in fahlem Licht. Kein übertriebenes Pornogestöhne, kein Silikon, einfach zwei Menschen mittleren Alters, die es hemmungslos und offensichtlich mit echter Leidenschaft in einer Wohnung trieben. Sexfreunde – nur anders. Der Film hieß „Intimacy“ und war, wie ich später recherchierte, sowas wie ein Kritikerliebling und seinerzeit Filmfestspielpreisträger. Und nein, natürlich nicht nur, weil die Kamera mal einfach draufgehalten hat, sondern weil es ein wahnsinnig dramatischer und trauriger Film ist – das ist aber gerade nicht mein Thema. Ich wollte mehr Filme wie den.
Versehentlich ganz viele Sexszenen – juchu!
Im Studium folgte der Streifen „9 Songs“. Unsere süße Freundin Luzie hatte ihn auf DVD mitgebracht, da solle es um „ein Paar und ganz viel Musik, mit Konzerten und so“ gehen. Wer den Film kennt: Tatsächlich gehen die zwei Menschen im Film auf Konzerte. Den Rest der Zeit vögeln sie, und auch hier klappten uns die Kinnladen nach unten: Oralsex im Flur (und ich glaube, die Frau war nicht komplett rasiert!), Fesselsex mit ihr als dominanter Part, Hand Jobs und so weiter. Noch viel zu unsicher, um mich mit meinen Freundinnen darüber auszutauschen, dass mich das wahnsinnig angemacht hat und ich einige eigene Fantasien im Film wiedergefunden habe, kicherten wir viel und sagten, huch, da haben wir ja mal richtig daneben gegriffen.
Heute gibt es mehr Stoff wie diesen. Nur anders. Gerade habe ich die Netflix-Serie „Easy“durchgeschaut. Ich Spätzünder. Vor allem die Folge mit einer Sexarbeiterin, die für Geld mit unterschiedlichen Männern schläft und das, so vermittelt es die Serie, ziemlich super findet, war expliziter, als ich es jemals in einer „normalen“ Serie sah. Gerade mit dem Wissen, dass die Schauspielerin Karley Sciortino Macherin des großartigen Blogs „Slutever“ ist und auch im wahren Leben als Escort gearbeitet hat, bekommt das Ganze eine wirklich spannende Dynamik. Denn die Kombination aus Charakteren, die mal mit leicht dämlichen, mal sehr nachvollziehbaren Problemen als Single und Liebespaar zu kämpfen haben, und dem Zelebrieren von guten und schlechten Sexszenen macht aus dieser Serie ein ziemlich tolles Gesamtpaket. Ich kann mich in viele Charaktere hineinversetzen, Parallelen zu meinem Leben ziehen, es wird getindert, gedatet und sich getrennt – und vor allem wird viel über Sex geredet und dieser dann auch tatsächlich praktiziert. Und zwar so, dass ich die gesamte Story, die Lust, die Orgasmen, die schlaffen und steifen Schwänze und die enttäuschten bis euphorischen Gefühle glauben kann. Und mich irgendwo zwischen schlanken und kurvigen, alten und jungen Körpern wiederfinde.
Ich will beides – Porno und echtes Leben
Das ist natürlich, da muss ich dem klassischen Porno zur Seite springen, nicht das typische Setting reiner Sexfilme. Aber an Filmemacherinnen wie Erika Lust sieht man ja ganz schön, dass sich auch in der Branche etwas bewegt. Der Feminismus-Diskurs zu diesem Thema ist nochmal ein ganz breites, eigenes Feld – und ich finde in Erika Lusts Filmen viele Motive und Szenen, die mich doch sehr an klassische Pornos erinnern. Nicht zuletzt, weil die Darsteller fast alle schön und schlank sind und immer ganz perfekt ihre Körper aneinander schmiegen. Aber: Erotischer, besser produziert und zumindest ein bisschen mehr am Leben einer mitteljungen Großstädterin orientiert als „You-Porn“-Clips ist das allemal.
Was ich eigentlich sagen will: Ich wünsche mir mehr realistische, unverstellte, kühne und wilde Sexszenen, ob nun als Kurzfilm, in Serie oder im Kino. Und die müssen gar nicht immer zum Ziel haben, dass ich mich im Anschluss oder währenddessen selbst befriedigen kann (wobei das gerne so sein kann) – sondern mich auch zum Nachdenken bringen, aha-Erlebnisse erzeugen und mich inspirieren. Das wäre herrlich.
Eure Mascha
Ich bin Mascha (33) und seit rund zwei Jahren Single. Nach einer langen Beziehung habe ich endlich Zeit mich ein bisschen auszuleben, die Sau raus und nichts anbrennen zu lassen. Insgeheim warte ich aber natürlich auf meinen bärtigen Ritter, der mit seinem Pferd in den Hinterhof meiner Neuköllner Wohnung galoppiert und mit dem ich ein, zwei Mate auch mal ohne Wodka trinken kann. Bis es soweit ist, betätige ich mich ab sofort im Auftrag aller Berliner Singles als Versuchskaninchen, teste mich durch diverse Datingportale, -events und -partys. Und lasse auch sonst nichts unversucht, um Libido und Liebe auf die Sprünge zu helfen. Ausgang ungewiss. Was soll ich als nächstes ausprobieren? Schreib an: redaktion@qiez.de