Mascha: Erzähl doch mal kurz etwas zu deinem Werdegang – fangen wir mal beim Thema Töpfern und Porzellan an, bevor wie zu den Sextoys kommen!
Jessie: „Ich komme aus Australien und habe dort mit dem Töpfern angefangen, ganz simpel in einem Töpferkurs. Ich hatte es noch nie probiert und danach habe ich mich dann spontan in das Handwerk verliebt. Ich komme eigentlich aus dem Kunst- und Galerie-Umfeld, habe illustriert, war beim Film, war also immer sehr kreativ – aber eben in einer anderen Sparte. 2014 zog ich nach Berlin und war in den ersten Jahren ebenfalls eher als Illustratorin und mit meiner Arbeit für Galerien aktiv. Irgendwann packte mich aber wieder die Lust auf Keramik und das Töpfern. Ich habe mir selbst alles beigebracht, was ich in dem Kurs noch nicht gelernt hatte.“
Zunächst hast du mit deinem Label JAK Fine Arts vor allem Tassen und andere Home Accessoires designt. Das machst du auch immer noch – jetzt gibt es aber auch noch das Label _fckboi, für das du Sextoys aus Keramik herstellst. Wie kamst du auf die Idee? Ist ja nun eine etwas andere Zielgruppe …
„Themen wie Sex, Sextoys und Fetischmode waren immer ein Teil meines Alltags. Vor zwei Jahren habe ich dann entschieden, dass ich die Themen Fetisch und Porzellan zusammenbringen, etwas Neues kreieren möchte. Die ursprüngliche Idee war aber eine andere: Eigentlich wollte ich Fetischmode, zum Beispiel Harnesse oder Choker, mit Details aus Porzellan designen – aber ich musste feststellen, dass das Material dafür doch zu sensibel und zu wenig flexibel ist. Die Idee funktionierte in der Praxis nicht. Und so kam ich zu Sexspielzeug. Denn das lässt sich sehr gut aus Keramik herstellen.“
Ich stelle es mir sehr spannend vor, einen solchen Design-Prozess zu beginnen. Klar, man kennt typische Sextoys aus Silikon, auch Produkte aus Holz sind mittlerweile bekannt. Aber selbst mit einem ganz neuen Material an Produkten zu arbeiten, die nicht nur gut aussehen, sondern hochwertig und vor allem sicher sind – war das nicht eine große Herausforderung?
„Porzellan ist ein sehr langlebiges, hypoallergenes Material, das heißt, es kommt sehr selten vor, dass jemand allergisch darauf reagiert. Deswegen muss es nicht lackiert oder lasiert werden und du hast beim Design viele Freiheiten. Es kann problemlos abgewaschen und sogar in kochendes Wasser gelegt werden. Wichtig ist nur, sorgfältig zu arbeiten und keine Risse zu übersehen, denn natürlich muss die Oberfläche dicht und glatt sein. Beim Aspekt Design habe ich mir wieder die Hilfe und Inspiration von Freunden geholt, die regelmäßig mit Sextoys arbeiten. Ich habe sie gefragt: Was würdet ihr euch wünschen, welche Produkte gibt es noch nicht, wie sollten sie aussehen? Welche Formen sind besonders nutzerfreundlich, und zwar für alle Geschlechter? Klar war, dass ich etwas Besonderes, Neues machen wollte, abseits gängiger Klischee-Produkte. Und vor allem wollte ich keine Dildos entwickeln, die wie echte Penisse aussehen.“
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Hier kommen wir zu einem Thema, das dir vor unserem Gespräch wichtig war: Deine Produkte sind für eine queere Zielgruppe bestimmt. Ich vorab habe eine ganze Weile darüber nachgedacht – was bedeutet das für Sextoys? Man könnte ja meinen, dass bei der riesigen Fülle an Produkten für jeden Menschen und jede sexuelle Orientierung etwas dabei ist. Aber tatsächlich sind viele Toys sehr klischeebehaftet. Entweder sind sie überdimensionalen Riesenpenissen nachempfunden oder, mit der Zielgruppe Frauen, quietschbunt. Woran hast du dich bei deinen Designs orientiert?
„Ich wollte Sextoys, die nicht aussehen wie typische Sextoys. Die also eben nicht entweder wie ein unrealistisch großer Männerpenis aussehen oder diesen verspielten Charakter haben, dieses kindliche. Ein paar Modelle sind zwar auch bunt, aber besonders gerne mag ich die schlichteren Farben. Meine Designs sollten neutraler sein, abstrakter, und somit kein Klischee von Weiblichkeit und Männlichkeit bedienen. Und flexibel in der Handhabung sein. Das hat ja auch großen Einfluss auf das Spiel mit den Geschlechtern. In einer sexuellen Situation, in der kein cis-Mann beteiligt ist, aber ein Penis in Form eines Sextoys ins Spiel kommt, übernimmt meist die Person die dominantere, maskulinere Rolle, die diesen Penis benutzt – vor allem, wenn er als Strap-on getragen wird. Ich wollte Alternativen bieten und auch die Art der Benutzung möglichst vielfältig gestalten. Ich habe alle neuen Produkte von meinen Freunden testen lassen und die beliebtesten waren die, die ich mit der Hand geformt habe und die auch vorwiegend mit der Hand benutzt werden. Ich zeige dir jetzt mal drei Beispiele.“
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(Stimmt, ich hatte ja um Beispiele gebeten. Jessie holt eine Tüte hervor, darin ein Anal Plug und zwei Dildos – der eine, weiß und lackiert, steht auf einem kleinen Sockel und kann in ein Strap-on-Geschirr geschnallt werden. Durch die Glasur, die mitgebrannt wird, fühlt sich die Oberfläche extrem glatt an, fast wie Glas. Der andere ist leicht gebogen und kann von beiden Seiten benutzt werden. Er ist nicht lackiert, das Material ist dadurch nicht so glänzend-glatt, fühlt sich aber nach einer Weile in der Hand fast weich an. Ganz schön schwer sind beide Dildos – der Anal-Plug dafür schön klein und relativ leicht.)
„Das unglasierte Modell gehört zu den gefragtesten. Du kannst es allein oder zu zweit benutzen und es ist ziemlich komfortabel. Zudem bietet es eine angenehme, ganz leichte Reibung, wenn das Porzellan nicht glasiert ist, die Lasur macht das Ganze glasähnlicher, das Produkt ist glatter und kühler. Generell ist jedes Produkt ein Unikat, ich arbeite nach den Wünschen der Kunden.“
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Das heißt, ich kann dich anschreiben und sagen: Ich möchte einen schwarzen Dildo in dieser oder jener Länge und Form – und du stellst dann genau dieses eine Produkt für mich her?
„Genau, ich kann genau nach deinen Wünschen arbeiten. Da ich nicht industriell fertige, sondern alle Sextoys mit der Hand oder auf der Töpferscheibe herstelle, gibt es natürlich hier und da minimale Abweichungen in Größe und Form. Aber generell kann ich eigentlich jeden Form- und Farbwunsch erfüllen, der sich mit Porzellan realisieren lässt.“
(Ein Mann, der nach einer Zigarette fragt, staunt die Sextoys auf dem Tisch an. „Sind das Produkte aus dem Sexshop“?, fragt er. Naja – fast.)
Wie lange arbeitest du im Schnitt an deinen Produkten – und was kosten sie?
„Der erste Schritt ist, die Stücke auf der Töpferscheibe zu formen, das dauert ein bis zwei Stunden. Dann trocknen sie für fünf bis sieben Tage, dann werden sie gebrannt, geschliffen, glasiert, erneut gebrannt und nochmal geschliffen. Alles in allem dauert die Arbeit an einem Stück zwischen fünf Stunden bis zu zwei Tagen. Die Plugs starten bei 30 Euro, die Dildos kosten zwischen 60 und 120 Euro, je nach Größe und Aufwand.“
Verkaufst du deine Produkte über Instagram oder kann man dich noch auf anderem Wege erreichen?
„Ja, die Sachen können über meine Instagram-Seite gekauft werden. Hier kann ich auch Fragen zu Preisen oder Details beantworten. Oder du schreibst mir eine E-Mail an jakfinearts@gmail.com.“