So groß und vielseitig das Land China ist, so vielseitig ist auch das Essen: von den kantonesischen Dim Sum bis hin zu den sauer eingelegten Kartoffelraspeln aus Dongbei. Der deutsche Gaumen kommt leider nicht so oft mit authentischen chinesischen Speisen in Berührung. Viel zu oft ist hier noch Hähnchen süßsauer in einer undefinierbaren Sauce mit Ananasstücken angesagt. Dass es auch ganz anders geht, zeigt seit eineinhalb Monaten das Liu in Mitte. Das Nudelhaus konzentriert sich auf traditionelle Gerichte aus Chengdu (Hauptstadt von Sichuan). Und diese Küche hat ziemlich viele Fans, denn die Schlange ist um die Mittagszeit wirklich gewaltig. An einem Counter bestellst du eines der Gerichte, dabei ist an einer großen Holztafel an der Wand eine Menükarte angebracht. Durch ein Schiebefenster bekommst du einen kleinen Blick in die Küche, ziemlich flink werden hier die Suppenschüsseln ausgegeben. Etwas ungewohnt – zu trinken gibt es vor allem kalte Teegetränke, die schon in Plastikbechern bereitstehen.
Scharf, schärfer, am schärfsten
Auf der Karte stehen Gerichte wie Shitake Tofu Nudeln, Zhongshuijiao (Dumplings aus Chengdu), Sauerkraut-Nudeln mit Schweinefilet, handgemachte Tianshui Nudeln, sowie kalte Nudeln oder die berühmten Sichuan Rindfleischnudeln. Was gleich ins Auge sticht: Die vegetarischen Gerichte werden extra ausgezeichnet, genauso wie der Schärfegrad der Speisen. Die Skala reicht von einer bis hin zu drei Chilis. Nach dem Bestellen bekommst du eine Nummer – das Prinzip erinnert an eine amerikanische Fast-Food-Kette – damit dich die Mitarbeiter*innen in dem mittäglichen Gewusel auch wiederfinden. Gezahlt wird übrigens erst beim Rausgehen.
Wir ergattern noch einen Platz an einem Tisch mit ziemlich jungen, hippen Leuten – insgesamt ist das Publikum sehr gemischt, von den großen Gruppen von Kids bis hin zu chinesischen Berlinern – nicht selten kommt man hier mit seinen Tischnachbarn ins Gespräch, denn der übersichtliche Raum wurde gekonnt mit Sitzmöglichkeiten ausgestattet. Das Restaurant ist hell und nur am Counter wurde mit kräftiger Petrol-Farbe gearbeitet, was sich aber wie ein roter Faden durchzieht, sind Pandas. Der Panda ist in den Gebirgen von Sichuan heimisch und das erklärt auch den deutlichen Panda-Hype im Liu. Panda-Utensilien auf dem Tisch als heimliches Versteck für Servietten und richtig – noch mehr Chili – oder als Motiv auf den Tellern und Schüsseln, sowie auf der Speisekarte.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Ganz neue Geschmackserlebnisse
An unseren Tisch bringt Xiao Li, die genauso wie der Küchenchef selbst auch aus Sichuan stammt, unsere bestellten Dumplings und die Rindfleischnudeln. Beides höchst typische Gerichte für ihre Heimatregion, sagt die junge Frau. Die Suppe schimmert kräftig rot, dafür sorgt das reichlich zugefügte Chiliöl. Unser Tipp, lieber nichts Weißes anziehen. Neben unterschiedlichen Chilisorten wird im Liu natürlich auch Szechuanpfeffer genutzt, der laut Xiao Li extra aus China importiert wird, da der europäische Szechuanpfeffer einen ganz anderen Geschmack habe. Generell würden die Macher hinter dem Liu auf Zutaten direkt aus Sichuan setzen, so Xiao Li weiter.
Die Suppe ist hocharomatisch mit einer beinahe zimtigen Note, Koriander und knackiger Pak Choi geben dem Gericht Frische und der geröstete Sesam rundet das Ganze ab. Nicht zu vergessen ist natürlich die wohlige Wärme des Chiliöls, die einem das Gesicht hellrot färbt. Ein perfekter Winterbegleiter also. Das ganze Chiliöl ist für uns etwas gewöhnungsbedürftig, vor allem wegen der Textur, aber genau so soll es sein, bekräftigt Xiao Li, die uns noch etwas frischen grünen und roten Chili an den Tisch stellt. Das heißt, hier findet wohl jeder, der Schärfe mag seinen Meister, uns reicht zum Beispiel die grüne Chili als Garnitur völlig aus.
Xiao Li legt uns zudem die selbstgemachten Tianshui Nudeln ans Herz, die wir leider nicht mehr schaffen, denn die Portion an Rindfleischnudeln ist ordentlich. Unbedingt probieren muss man aber auch die Zhongshuijiao. Die Dumplings schwimmen ebenso in Chiliöl, sind unfassbar seidig, gleichzeitig aber fest genug, um zusammenzuhalten. Sobald der Happen im Mund ist, fängt es wegen dem Szechuanpfeffer auch gleich kräftig zu kribbeln an. Im Inneren befindet sich außergewöhnlich gewürztes Schweinefleisch, so wie wir es auf jeden Fall noch nie probiert haben. Die sofortige Eingebung: Noch eins!
Aktuell hat das Liu von Montag bis Sonntag von 11.30 bis 15 Uhr geöffnet, geplant sei aber ab Ende Februar auch abends zu öffnen und eins DER Gerichte aus Sichuan, nämlich Chuan Chuan Xiang anzubieten. Das Street Food besteht aus Spießen mit Gemüse, Fleisch und Fisch, die in einer würzigen Suppe gegart werden, also eine Art Hotpot. Zum Abschied bekommen wir noch ein Eis-Bonbon, der perfekte Abschluss nach einem scharfen Essen, sagt Xiao Li und wir können nicht widersprechen.