1. Rund 70 Hektar Fläche im Gewerbegebiet Siemensstadt gehören dem Weltkonzern Siemens. Am dortigen Standort zwischen Nonnendammallee und Rohrdamm liegen auch seine Wurzeln. Auf diesem Gelände soll nun die Siemensstadt 2.0 entstehen. Neben dem Begriff „Innovationscampus“ spricht Siemens auch von einem „Technologiepark“ und „Inkubator“. Konkret sollen zukunftsweisende Büro-, Forschungs- und Produktionsflächen entstehen – und zwar unter anderem für die Bereiche Elektromobilität, Internet der Dinge, künstliche Intelligenz, Data Analytics oder dezentrale Energiesysteme und Energiemanagement.
2. Zukunftsträchtig und ganz vorne mit dabei soll das Großprojekt durch eine enge Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft sein. Die Wege von Uni oder Forschungsinstitut zu Start-ups und anderen progressiven Unternehmen will man möglichst kurz und unkompliziert gestalten. Ein erster Schritt in dieser Hinsicht war Mitte 2019 die Gründung des Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science. Beteiligte neben Siemens und der Stadt Berlin: die TU, die Fraunhofer-Gesellschaft und die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung sowie weitere Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft. Laut Tagesspiegel sind gemeinsame Projekte, drei neue Professuren für digitale Technologien und ein gemeinsames Gebäude geplant.
3. Wichtig für die Stadt insgesamt: In Siemensstadt 2.0 wird nicht nur geforscht, entwickelt und produziert. Es sollen auch bis zu 3000 Wohnungen entstehen, davon 30 Prozent Sozialwohnungen. Siemens will damit dem Gründungskonzept des Stadtteils treu bleiben: Die Siemensstadt sollte schon 1897 Arbeiten, Forschung und Wohnen vereinen. Die Situation heute beschreibt der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens Joe Kaeser so: „Arbeiten, Leben und Wohnen werden integrierter und mit der zunehmenden Vernetzung von Menschen und Dingen entstehen neue Ökosysteme.“ Im Idealfall auch lebendige Kieze – daher sind in Siemensstadt auch eine Schule, Kitas, ein Hotel und Einzelhandel geplant.
Seit 8. Januar 2020 steht der Gewinner des städtebaulichen Wettbewerbs für die Siemensstadt 2.0 fest: das Büro Ortner & Ortner Baukunst aus Berlin. In dessen Grobplanung sind unter anderem Hochhäuser, darunter ein besonders prägnantes auf einem zentralen Platz, vorgesehen. Das gesamte Areal soll geöffnet und zugänglich gestaltet werden. Gleichzeitig werden auch viele historische Gebäude zumindest äußerlich erhalten und weiter genutzt. Im Schaltwerk-Hochhaus, dem ersten Fabrikhochhaus Europas von 1928, soll neben Wohnungen und Büros auch das Hotel unterkommen. Der siegreiche Entwurf für die Siemensstadt muss nun allerdings noch zu einem Masterplan verdichtet werden. Wie die neuen Gebäude wirklich aussehen, wird ohnehin erst durch den hochbaulichen Wettbewerb entschieden, der laut Siemens im Frühjahr startet.
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4. Siemens investiert in den Innovationscampus besagte 600 Millionen und erwartet dafür keine Förderung vom Land Berlin. Gegenleistungen aber selbstverständlich schon. Der Senat hat den Ausbau des Breitbandnetzes für schnelles Internet zugesichert. Wesentlich dürfte auch die bessere Verkehrsanbindung vor allem an den zukünftigen Flughafen BER werden. Hier ist Berlin natürlich nicht allein verantwortlich, sondern auch Bahn und Bund sind gefordert. Der Bezirk Spandau und der Senat planen eine Wiederbelebung der Siemensbahn, die einst am Bahnhof Jungfernheide von der Ringbahn abzweigte. Heute ist die über ein Viadukt führende Strecke weitgehend zugewuchert. Der Bahnhof Siemensstadt soll reaktiviert werden und über den S-Bahn-Ring die gewünschte schnelle Verbindung zum Flughafen entstehen. Ebenfalls gewünscht ist ein Anschluss zum nicht weit entfernten künftigen Entwicklungsgebiet Tegel, auch Urban Tech Republic genannt, auf dem bisher noch eifrig Flugzeuge starten und landen. Geschätzt wird, dass die gesamten Investitionen des Landes ähnlich wie bei Siemens 600 Millionen Euro betragen könnten.
5. Wie lange dauert die Fertigstellung der Siemensstadt 2.0? Siemens hat dafür einen auf den ersten Blick großzügigen Zeitrahmen von 2022 bis 2030 genannt. Angesichts der zahlreichen Beteiligten ist das jedoch eher realistisch als pessimistisch. Während der Bauzeit soll alle zwei Jahre ein neuer Entwicklungsschritt angegangen werden. Ob die große Einigkeit, die einst zur positiven Entscheidung des Unternehmens beitrug, bestehen bleibt, muss sich allerdings noch zeigen.