Nuttenbrosche (Mitte)
Das Rotlichtmilieu hat sich in die Oranienburger Straße verlagert, die Nuttenbrosche steht unverändert am Alex. Der Brunnen der Völkerfreundschaft direkt neben dem Telespargel – so nennen wir ja angeblich immer den Fernsehturm – hat seinen Spitznamen in den 1970er Jahren erhalten. Damals waren die grell-bunten Emaillierungen noch prächtig genug, um auch als Straßenstrich-Style durchzugehen, und die leichten Mädchen drapierten sich manchmal sogar um das kühle Nass. Seit den 1980er Jahren steht die schmucke Anlage unter Denkmalschutz. Die einstige Unterwasserbeleuchtung war übrigens vom Staatsfeind aus dem Westen, und weil der Stadt damals die Devisen ausgingen, konnte sich der Osten die Wartung nicht mehr leisten. Beim Geld hört die Völkerfreundschaft also auf?
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Wasserklops (Charlottenburg)
Hat der Weltkugelbrunnen am Breitscheidplatz den Spitznamen verdient? Wasserklops klingt nach Ungetüm und das ist das kultige Wasserspiel vor dem Europa-Center doch wirklich nicht. Erst 1983 wurde die großzügige Anlage des Bildhauers Joachim Schmettau eingeweiht. Ihm zur Seite stand Bildhauerkollegin Susanne Wehland, mit der Schmettau bis heute lebt und arbeitet. Nehmen wir den Hinweis auf sein Privatleben als Gedankensprungbrett: Der Brunnen steckt voller Liebe: die Bronzefiguren, die Begegnungstreppen, der gestaltete breite Handlauf, die einseitige Offenheit, die Verzierungen und der beruhigende rote Granit. Wir lassen auf diesen Brunnen nichts kommen und verweigern die Bezeichnung Wasserklops. Der Künstler selbst meint, dass alle Assoziationen mit Essen und Trinken gut seien und ein Werk erst zur Hauptstadt gehöre, wenn die Berliner ihm einen eigenen Namen verpasst hätten. Joachim Schmettau ist mit über 80 Jahren altersweise, wir sind es bald auch.
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Bierpinsel (Steglitz)
Das futuristisch designte Turmrestaurant Steglitz erinnert dich an was? Ganz genau, das Gebäude aus den 1970er Jahren wirkt wie die kleine Schwester des ICC. Und das ist kein Zufall: Fast zeitgleich entstanden die Bauten nach den Plänen der Berliner Architekten Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte. Und beide Meisterwerke ereilte die Pleite. Ein ungerechtes Schicksal. Allerdings wird zumindest der Bierpinsel ganz gewiss dem Abriss entgehen, er steht nun unter Denkmalschutz. Die Fassade wurde zum Glück vor den neuen Auflagen von Streetartists gestaltet. Ach so, und warum heißt der Turm Bierpinsel? Mitte der 1970er zog ein Berliner Geschäftsmann dort einen Gastro-Tempel hoch. Unten gab es ein Wein- und Biergewölbe, im zweiten Stock ein Steakhaus und darüber ein Café. Trotz wechselnder Besitzer und Leerstand seit 2006 blieb der Name Bierpinsel, der unten auf einer Tafel vermerkt ist und als einer der wenigen Spitznamen in Berlin sogar genutzt wird. Ende 2017 soll er mit neuem Konzept nach der teuren Sanierung wiedereröffnen. Wir drücken die Daumen!
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Café Achteck (berlinweit)
Hier würden wir niemals einen Kaffee trinken und schon gar keinen Muffin verspeisen: Das Café Achteck ist sozusagen eine Kette öffentlicher Toiletten. Die Pissoirs aus der Gründerzeit sind optisch eine Zier, olfaktorisch allerdings nicht. Seit einem Jahrhundert scheint sich der unangenehme Geruch von Urin in sämtlichen Ritzen festgesetzt zu haben. Die achteckigen Bedürfnisanstalten aus gusseisernen Wänden, die Carl Theodor Rospatt 1878 konzipierte, bieten sieben Herren Platz, sich gleichzeitig zu erleichtern. Für Damen war zunächst keine Nutzung vorgesehen. Zum Glück dürfen sich diese auch längst über öffentliche Toiletten freuen und jetzt fordert der Berliner Senat sogar absolute Gleichberechtigung durch Urinale für Frauen. Vertiefen wollen wir das Thema nicht. Touristen kannst du auf gut 30 Filialen des Café Achtecks in Berlin verweisen, zum Beispiel am Gendarmenmarkt, Chamissoplatz, Leuthener Platz oder Senefelderplatz.
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Hohler Zahn (Charlottenburg)
Diesen Zahn kannst du den Touristen gleich ziehen… Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche liegt uns Berlinern viel zu sehr am Herzen, als dass wir sie ernsthaft mit einem solchen Spitznamen versehen würden. Hohler Zahn, von wegen! Die Turmruine ist ein mahnendes Überbleibsel des neoromanischen Kirchenschiffs, das hier einst stand. Das Gebäude stammt(e) aus einer Epoche, in der in Berlin noch Rekordzeiten auf Großbaustellen aufgestellt wurden. Der Bau der Kirche – zum Gedenken an den im Dreikaiserjahr 1888 verstorbenen Wilhelm I. – dauerte nur vier Jahre von der Grundsteinlegung an dessen (posthumen) Geburtstag am 22. März 1891 bis zur Fertigstellung am 1. September 1895. Weltbekannt wurde die Kirche allerdings erst nach ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Weil die Berliner gegen den geplanten Abriss protestierten, wurde der Turm gesichert und in den Neubau integriert. Das achteckige Kirchenschiff und der neue Glockenturm werden Lippenstift und Puderdose genannt. Lassen wir das für die Touris mal so unkommentiert im öffentlichen Raum stehen.
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Hungerharke (Tempelhof/Kreuzberg)
In Brandenburg ist eine Hungerharke ein landwirtschaftlich genutzter Schlepprechen, in Berlin ist es ein Luftbrückendenkmal. So wird es jedenfalls auf Stadtrundfahrten gern behauptet. Für die Skulptur am Platz der Luftbrücke, die wahlweise auch Hungerkralle genannt wird, möchten wir uns gar nicht so stark machen, entspricht sie doch eher nicht unseren ästhetischen Vorstellungen. Die Zeit, die das Denkmal von Eduard Ludwig ins Gedächtnis ruft, ist aber in jedem Fall Berlin-typisch und jede Erinnerung wert. Als 1948 die sowjetische Besatzungsmacht die Zufahrtswege zu Land und zu Wasser nach West-Berlin blockierte, versorgten die Westalliierten die Stadt aus der Luft. Diese außergewöhnlichen Transport-Pendelflüge bildeten die legendäre Luftbrücke. Deshalb müssen nun auch Frankfurt am Main und Celle, von wo aus die sogenannten Rosinenbomber starteten, mit Hungerharken alias Luftbrückendenkmalen klar kommen. So, und Rosinenbomber ist ein Spitzname, der sich bis heute behauptet. Um den wartenden Kindern am Flughafen Tempelhof eine Freude zu machen, warf der Pilot Gail Halvorsen Süßigkeiten an Taschentuchfallschirmen ab. Viele Kollegen machten es ihm bald nach …
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Spinnerbrücke (Nikolassee)
Pssst, sag das nicht so laut! Auf der Spinnerbrücke treffen sich nämlich harte Kerle und handfeste Biker und die lassen sich nicht ungestraft als Spinner titulieren. Scherz! Denn der wenig schmeichelhafte Spitzname konnte sich längst durchsetzen und wurde von der dort ansässigen Lokalität als offizieller Name sogar übernommen. Seit 50 Jahren treffen sich hier an der AVUS Motorradfahrer. Die sagen wir mal seeeeehr verkehrsgünstige Lage macht es den motorisierten Berlinern und Brandenburger leicht, nach einer Runde Smalltalk eine Runde zu cruisen und mit neuem Gesprächsstoff zurückzukehren. Bekloppt? Nun ja, auf jeden Fall hat sich die Gastronomie Spinner-Brücke an der Spanische-Allee-Brücke so weit einen Namen gemacht, dass neben den Freaks auch andere Gäste hier auftauchen. Als Spinner wurden übrigens schon zu besten AVUS-Zeiten in den 1920ern die Technik- und Motorfans bezeichnet, die auf der Brücke den Blick auf die Rennstrecke genossen, selbst wenn keine Rennen stattfanden, sondern nur LKWs, Motorräder und Autos vorbeifuhren.
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Suppenschüssel (Mitte)
Größer, schneller weiter, das war schon immer ein Ziel ehrgeiziger Protzer. So kam es, dass der Steinmetz Christian Gottlieb Cantian 1826 eine riesige Granitschale auf der Akademie Ausstellung präsentierte und in dem Gesandten William Cavendish gleich einen Käufer fand. Als König Friedrich Wilhelm III. davon erfuhr, verlangte er nach einer Granitschale, die das Modell mit gut 1,80 Meter im Durchmesser deutlich übertreffen sollte. Nach langem Hin und Her und gründlicher Suche, konnte Cantian dem König eine Schale mit einem Durchmesser von fast sieben Metern anbieten. Des Königs Freud war des Architekten Leid: das Prunkstück sollte nämlich Platz in Schinkels Museumsneubau finden. Dafür war es nur leider viel zu mächtig und Schinkel überzeugte den König mühsam davon, die Schale vor dem Museum zu platzieren. Dort stand sie seit 1829, bis sie den Naziaufmärschen im Weg war und Richtung Dom versetzt wurde. Erst zu Schinkels 200. Geburtstag im Jahr 1981 durfte sie wieder auf ihren Platz zurückkehren. Irgendein Witzbold nannte sie dann Suppenschüssel und als solche steht die größte Schale, die aus einem einzigen Stein gefertigt wurde, als schwieriges Fotomotiv im Lustgarten vor dem Alten Museum.
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Pallasseum (Schöneberg)
Wohnen im Sozialpalast an der Pallasstraße war vor wenigen Jahren noch verpönt. Wer in diesem Wohnungsbau am Kleistpark residierte, bezog oftmals Hartz 4 und gehörte auch sonst eher zu den Schwächsten in unserem Staat. Doch frei nach dem Motto Image ist alles, wandelte sich das Außenbild durch Sanierungen und neue Mieterstrukturen seit Anfang 2000. Die Dealer und Süchtigen wurden aus den Hausgängen vertrieben, andere Kriminelle und Banden gleich mit und nach und nach erkannten Zugezogene die (bezahlbare) Bestlage der Immobilie. Gut 300 Meter erstreckt sich das Gebäude quer über die Pallasstraße und bietet auf 14 Stockwerken 514 Wohnungen in verschiedenen Größen. Und der Spitzname Pallasseum ist gar keiner: Er stammt von einem 12-jährigen Mädchen, das damit 2001 den Namensfindungswettbewerb der Wohnungsbaugesellschaft gewann. Seither heißt die Anlage und die Wohnungsbaugesellschaft offiziell Pallasseum. Die Gestaltung der Fassade mit Flaggen zur Fußball WM 2006 und das Satellitenschüsselprojekt Von Innen nach Außen, für die der Künstler Daniel Knipping die Schüsseln mit selbst ausgewählten Motiven der Bewohner gestaltete, machten den Bau kultig und zur Anlaufstelle für fotowillige Touristen, die heute ganz weltmännisch nach dem Weg zum Pallasseum fragen.
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Tränenpalast (Mitte)
Wer einmal durch diese Abfertigungshalle geschleust wurde, hat das beklemmende Gefühl nie vergessen, das einen automatisch beschlich und lange nicht losließ. Egal ob man von Ost nach West oder West nach Ost reiste, ob man etwas zu verbergen hatte oder nicht. Das System aus Schikane und Angst war unberechenbar und hier an der Friedrichstraße so alltäglich wie unfassbar. Dieser Bahnhof wurde zum Symbol der Teilung. Ostlern wie Westlern wurde die Aufspaltung der Stadt nirgendwo sonst so bewusst. Die Abschiede von Freunden und Verwandten waren meist tränenreich, wusste man nie, ob und wann man sich wiedersehen würde. Heute sieht der Tränenpalast völlig harmlos aus, auch wenn er seinen Spitznamen behalten und offiziell gemacht hat. Fast vergessen steht er eingekeilt zwischen dem sanierten Bahnhof und einem Neubau. Die Glasfront wirkt offen und freundlich und man kann sich kaum noch vorstellen, wie das Gebäude als leuchtende Insel im Dunkel der damals eher unbelebten Friedrichstraße zu den traurigsten Orten der Welt zählte. Seit 2011 versucht hier ein Museum die Geschichte lebendig zu halten. Die Dauerausstellung ist ein guter Grund, dich mindestens einmal unter die Touristen zu mischen und selbst in die Zeit zurückzureisen, die heute kaum noch vorstellbar ist.
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