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Top 10: Die größten Touri-Mythen in Berlin – Teil I

In dieser riesigen Waschmaschine wird blütenreine Politik gemacht... ok, andere bezeichnen das Gebäude als Bundeskanzleramt.
In dieser riesigen Waschmaschine wird blütenreine Politik gemacht... ok, andere bezeichnen das Gebäude als Bundeskanzleramt.
Was Touristen auf Stadtrundgängen erzählt wird, hat selten etwas mit unserem Alltag zu tun. Aber es ist gut zu wissen, was der Berlin-Besucher meint, wenn er vom Telespargel spricht oder die Bundeswaschmaschine sucht. Ein kleines Wörterbuch zur Vorbeugung von Irrtümern:

Hundekopf (berlinweit)

Täglich werden über den Hundekopf gut 400.000 Menschen von A nach B transportiert. Klingt unsinnig, ist es auch: Wer hat die Ringbahn nur mit diesem Spitznamen versehen? Es muss ein Fahrgast gewesen sein, der stundenlang durch die (typischen) Verspätungen und Zugausfälle der S-Bahn auf den Plan gestarrt hat, bis ihm ganz schummrig auffiel, dass der Streckenumriss der Ringbahn einem Hundekopf gleicht. Vielleicht war es auch ein findiger Marketingmensch, der sich die tierfreundliche Assoziation ausdachte. Fakt ist: Der Spitzname ist schon sehr bekannt, aber absolut ungebräuchlich.
mehr Infos zur Berliner S-Bahn

(Bundes)Waschmaschine (Tiergarten)

Anfangs wurde das Kanzleramt mit sehr viel Spott versehen, sogar vom Erstbezieher – dem damaligen Kanzler Schröder. Pompös gebaut hatte der Architekt Axel Schultes das neue Zentrum der Macht nämlich nach Wünschen des Vorgängers – Kanzler Kohl. Schröder hätte ein zurückhaltendes Design bevorzugt, heißt es, und er habe als geselliger Mensch die langen Wege zwischen den einzelnen Büros und die Abgeschiedenheit seines Dienstzimmers gehasst. Der alternative Spitzname Elefantenklo ist ebenfalls nicht sehr schmeichelhaft für den Architekten, führt uns aber zu offenen Fragen: Warum hatte Schultes die Toilette des Kanzlers mit Glasfenstern bis zum Boden versehen? Warum hat er die Aussicht aus den privaten Kanzler-Gemächern mit Beton verbaut? Wieso gleicht das Kanzlerbüro einem Schießschacht? Sind Politiker-Westen hier weißer als anderswo? Nun, die Berliner haben sich an den Klotz gewöhnt und die Spitznamen verblassen. Ob Frau Merkel sich in diesem Gebäude wohl fühlt, ist nicht bekannt. Beim nächsten Tag der offenen Tür kannst du ja mal nachfragen.
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Goldelse (Tiergarten)

Eigentlich ist die Viktoria auf der Spitze der Berliner Siegessäule der heimliche Star der Stadt. Doch in Berlin gilt Protzen bekanntlich als uncool und deshalb wurde die schicke Prunkfigur zur Goldelse deklassiert. Aber nein: Der Spitzname ist so alt wie die Säule selbst. In der Entstehungszeit 1864 bis 1873 war der Roman Goldelse von Eugenie Marlitt als Fortsetzungsgeschichte in der beliebten Zeitschrift Gartenlaube erschienen. Der Roman wurde ein Erfolg, Marlitt zur Bestsellerautorin und die vergoldete Viktoria zur Goldelse, um die preußische Figur einzubürgern. Vorbild war nämlich nicht nur die römische Siegesgöttin, sondern auch die damalige Kronprinzessin Victoria von Großbritannien und Irland.

 

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Ein Beitrag geteilt von Katrin (@katrin.potsdam) am Okt 4, 2018 um 9:52 PDT

Schwangere Auster (Tiergarten)

Eine Perle der Baukunst ist die Kongresshalle aus den 1950er Jahren, genannt wird sie aber schwangere Auster. Die Presse behauptet, der Berliner Volksmund habe ihr den Spitznamen verliehen, die Berliner hingegen meinen, von der schwangeren Auster zunächst in den Zeitungen gelesen zu haben. Jedenfalls setzte sich der Begriff durch, während Frau Dulles Hut oder Uncle Sams Zylinder heutzutage eher unbekannt sind. Der eindrucksvolle Bau war ein Geschenk der Amerikaner zur Internationalen Bauausstellung 1957 und galt damals als technisch revolutionär. Heute kämpft die schwangere Auster als Haus der Kulturen der Welt mit anspruchsvollen Programmen um das verwöhnte Berliner Publikum. Das gelingt mal mehr, mal weniger.
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Beamtenlaufbahn (Tiergarten)

Die Beamtenlaufbahn ist in Berlin ganz schön kurz – und führt vom Marie-Elisabeth-Lüders-Haus zum Paul-Löbe-Haus. Die untere Brücke im Regierungsviertel ist öffentlich und jeder kann hier ohne Amtssiegel über die Spree gelangen. Der höhere Teil ist nur aus den gesicherten Parlamentsneubauten zu erreichen und man kann so manchen Regierungsbeamten beim Hinüberlaufen beobachten. Nun, das ist in etwa so spannend wie Aktenberge auf Schreibtischen zu sortieren, aber die einsehbare Brücke symbolisiert Volksnähe. Die spürt man übrigens auch im Dachgartenrestaurant Käfer, und das wesentlich bequemer.
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Raumschiff Enterprise (Westend)

Noch immer erscheint uns das Internationale Congress Centrum futuristisch, dabei ist es schon fast 40 Jahre alt. Die High-Tech-Architektur der Berliner Architekten Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte wirkt wie eine Weltraumstation aus einem Comic und so erhielt das ICC verdientermaßen den Spitznamen Raumschiff Enterprise. Nicht nur echte Trekkies wissen, dass dieser Spitzname einer Lobpreisung des visionären Baus gleichkommt. Nur leider wurde der Messe der Unterhalt des coolen ICC zu teuer und so ist dessen Zukunft ungewiss. Politiker wollen das teuerste Wahrzeichen West-Berlins erhalten, andere stimmen für den Abriss dieses Betriebskosten-Millionengrabs. Seit 2015 leben unter der silbern funkelnden Aluminiumfassade Geflüchtete, die aber hoffentlich bald in eine angenehmere Wohnsituationen wechseln können. Denn bei aller Liebe: Gemütlich ist das riesige Kongresshaus genauso wenig wie die Kommandobrücke von Captain Kirk und Mr. Spock im echten Raumschiff.
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Ein Beitrag geteilt von Theo BLN (@theos_live) am 26. Mär 2017 um 7:50 Uhr

Castingallee (Prenzlauer Alle/Mitte)

Als die Kastanienallee noch hip war, galt sie als geheimer Hotspot von Filmemachern, Schauspielern und solchen, die es werden wollten. So mancher Star (hüstel, räusper) soll hier beim Milchkaffee schlürfen entdeckt worden sein. Heute gleicht die einstige Castingallee einer Touri-Hochburg. Statt Promis tummeln sich hier Schwaben, Spanier und Prenzlauer Berg Mütter mit Nachwuchshipstern. Und sogar der Milchkaffee ist der Latte mit Soja gewichen. Wer sich wünscht, von der Straße auf die Leinwand zu gelangen, sollte lieber im Borchardts kellnern oder bei Agenturen vorsprechen. Naja, aber der Mythos ist einfach nicht totzukriegen.
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Gürteltier (Charlottenburg)

Wie so viele Bauten in Berlin wurde auch das neue Gebäude der IHK Mitte der 1990er Jahre teurer als ursprünglich geplant: statt 255 Millionen kostete die Fertigstellung gut 70 Millionen Euro mehr. Aber immerhin: Im Gegensatz zu anderen Bauten ist es 1998 fertig geworden und schreibt seither als Gürteltier Stadtgeschichte. Den Touristen sei allerdings gesagt, dass man die ganze Pracht der fünfzehn Bögen und der schuppigen Fassade nur aus der Luft sehen kann. Der Brite Nicholas Grimshaw gewann damals den Wettbewerb um das Bauvorhaben des Ludwig Erhard Hauses. Die Stahl-Glas-Konstruktion gilt bis heute als spektakulär, auch weil die neun Geschosse innen an den Bögen hängen und sich das Erdgeschoss ohne die sonst notwendigen Säulen und Stützen sehr großzügig zeigt.
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Zirkus Karajani (Tiergarten)

Die jüngere Generation weiß gar nicht mehr, wer Herbert von Karajan war und so droht dieser Spitzname in Vergessenheit zu geraten. Zum Glück gibt es noch Kenner und Ur-Berliner, für die der Jahrhundertdirigent für immer mit den Berliner Philharmonikern verbunden bleibt. Die Heimstätte des berühmten Hauptstadtorchesters ist seit 1963 ein Meisterwerk moderner Architektur. Herbert von Karajan schwärmte damals schon von Hans Scharouns Gebäude, das trotz anfänglicher Bedenken einiger Kulturbeauftragter weltweit Anklang fand und oft kopiert wurde. Die Anordnung der drei ineinander übergehenden Pentagone gleicht einer Manege, in ihrem Scheitelpunkt ist der Platz des Dirigenten – total Zirkus-like eben. Der beste Platz befindet sich übrigens in der ersten Reihe des Blocks B, als Geheimtipp gilt der günstige Block F. Wie auch immer: Ein Besuch im Zirkus Karajani ist auch unter der Leitung von Sir Simon Rattle mehr als lohnenswert.
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Palazzo Prozzo (Mitte)

Die lieben Touristen müssen ganz stark sein, denn der Palazzo Prozzo ist Geschichte. Dort, wo Erich Honecker wichtige Funktionäre und Freunde aus kommunistischen Nachbarstaaten zum Walzertanzen empfing, entsteht seit 2013 das Humboldt Forum. Als der Palast der Republik noch die Spreeinsel einnahm, durfte sich hier natürlich auch das Volk auf Feiern, im Restaurant und auf der Bowlingbahn amüsieren. Kurz nach der Wende wurde der Bau wegen Asbest geschlossen und von 1998 bis 2003 von dem krebserregenden Baustoff befreit. 35 Millionen Euro soll das gekostet haben, doch statt für eine anschließende Sanierung stimmte der Senat für den Abriss, der 2006 begann. Es dauerte zwei Jahre, bis Erichs Lampenladen, wie der Palast der Republik wegen seiner 10.000 Kugelleuchten gleichfalls genannt wurde, verschwunden war. Das Humboldt Forum greift nun die Vorgeschichte wieder auf: Denn um Platz zu schaffen für das Haus des Volkes, so der inoffizielle dritte Titel des Palasts, wurde die Ruine des Stadtschlosses gesprengt. Das Humboldt Forum wird stolz die historische Fassade der königlichen Residenz wieder auftragen. Warten wir mal ab, was dieser Neubau für Spitznamen auf den Plan rufen wird.
mehr Infos zum Humboldt Forum

…und weil es noch viel mehr Berlinismen gibt, folgt demnächst Teil II mit weiteren Touri-Mythen.

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