Wer einmal in Neukölln Silvester gefeiert hat, kennt die bürgerkriegsähnlichen Zustände auf den Straßen. Schon Tage vorher fliegen (oft illegale) Böller auf die Straßen, von den Balkonen herunter oder direkt auf Passant*innen. Darum wundert es nicht, dass bei der Auswahl der Problemzonen für ein Böllerverbot auch der Hermannplatz in Neukölln berücksichtigt wurde. Hier knallt es an Silvester besonders laut, genauso wie in Schöneberg im Steinmetzkiez und entlang der Pallasstraße. Verbote wird es in diesem Jahr aber nur in den genannten Kiezen in Schöneberg geben, am Hermannplatz seien die Zahlen der problematischen Vorfälle nicht so hoch gewesen wie angenommen. Auf der Straße des 17. Juni darf schon seit Längerem nicht gezündelt werden – zum Schutz der Masse, die dafür das große, offizielle Feuerwerk am Brandenburger Tor geboten bekommt.
Das Argument gegen das Verbot lautet: Feuerwerk und Böller gehören doch zum deutschen Kulturgut. Die jährlichen Verletzungen und Brände sind aber ebenso traditionell und deswegen trotzdem nicht wünschenswert: Rettungskräfte und Feuerwehrleute werden regelmäßig angegriffen, die Polizei spricht von Straßenschlachten und 40 verletzten Beamten allein Silvester 2018. Zudem führen die Befürworter eines Böllerverbots die Feinstaubbelastung an. Die lag beispielsweise in Friedrichshain bei 853 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft – ein deutschlandweiter Spitzenwert.
Silvester ohne Böller?
Das ist jedoch nur der Anfang. Wo es früher von Berlins Innensenator Andreas Geisel hieß, ein allgemeines Böllerverbot sei nicht möglich, wurde jetzt wohl doch ein Schlupfloch gefunden. Durch die Streichung der drei Worte Feuerwerke „mit ausschließlicher Knallwirkung“ im Sprengstoffgesetz, soll es möglich werden, bestimmte Feuerwerkskörper zu untersagen. Dies betrifft nicht nur Böller, sondern auch Leuchtrakten ohne Knallwirkung – laut Pressemitteilung sogenannte „Pyrotechnik der Kategorie F2“. Diese gerade eingebrachte Bundesratsinitiative soll dann auf das klassische Silvesterfeuerwerk ausgeweitet werden und den Behörden ein Verbot von Privatfeuerwerk in dichtbesiedelten Regionen Berlins ermöglichen. Aufgepasst: ermöglichen! Denn eine neue Regelung ist lediglich ein Angebot, wie die Pressestelle uns telefonisch mitteilte – ob und wo ein Böllerverbot eingeführt wird, entscheiden am Ende die Bezirksämter selbst. Neben der Gefahrenminimierung argumentiert der Senat diese Gesetzesverschärfung mit Verbesserungen für Feinstaubbelastung, Tierschutz, Gesundheitsschutz und Abfallbelastung. Außerdem könnte der alljährliche Silvesterkrieg in Kreuzkölln ein Ende finden.
In welchen Kiezen das Böllerverbot kommen könnte
Bis der Bundesrat über das Thema getagt und entschieden hat, werden weitere Brennpunkte unter strenger Beobachtung stehen: Künftig möchte der Senat nämlich auch den Alexanderplatz, die Gropiusstadt, die Schönhauser Allee/Ecke Eberswalder Straße, den Südstern und das Kottbusser Tor zu Verbotszonen erklären. Silvester 2019 trifft es jedoch erst einmal nur kleine Teile in Schöneberg und wie gehabt Mitte. Dort ist sogar der Besitz und Gebrauch von Böllern und üblichem Silvesterfeuerwerk verboten, Kleinstfeuerwerk wie Knallerbsen oder Wunderkerzen sind noch okay. Ob das Verbot etwas bewirkt, wird sich zeigen. Viele befürchten, dass die Knalltüten einfach eine Straße weiter gehen und dort ihr Feuerwerk veranstalten werden. Erfahrungen in Hannover geben Hoffnung, dass dies nicht unbedingt der Fall sein muss. In Städten wie Wien oder Paris ist privates Feuerwerk gänzlich verboten, stattdessen gibt es organisierte Feuerwerke – auch mit diesem Konzept liebäugeln Berliner Politiker*innen.
Wer dieses Jahr an Silvester trotzdem an den gesperrten Orten böllert, muss mit einem hohen Bußgeld wegen dieser Ordnungswidrigkeit rechnen. Auf Menschen zu zielen, wird sogar als Landfriedensbruch gewertet. Das Böllerverbot für die Stadtteile in Mitte und Schöneberg soll vom 31. Dezember 2019 ab 18 Uhr und bis zum 1. Januar 2020 um 6 Uhr früh gelten.