Lass uns über Liebe reden ...

Küssen auf Kommando, TV vs. Reality – Unsere Singlekolumne #21

Ein guter Kuss ist eine gute Grundlage für mehr - aber auf Kommando? Mascha grübelt ...
Ein guter Kuss ist eine gute Grundlage für mehr - aber auf Kommando? Mascha grübelt ... Zur Foto-Galerie
Wo bleibt die Liebe? Unsere Singlelady Mascha befindet sich gerade in einer Art Zwischenstadium. Und beobachtet mit Staunen, was findige TV-Formate für Singles zu bieten haben. Warum das gar nicht so realitätsfern ist? Lest selbst.

Heute muss ich mal ein wenig über meinen Berliner Tellerrand hinausschauen. Zumindest ganz kurz. Um dann wieder dorthin zurückzukommen. Denn: Ich habe letzten Donnerstag, mehr oder weniger versehentlich, diese uuunfassbare Sendung Kiss Bang Love auf Pro7 gesehen, die nach Germany’s Next Topmodel kommt.

Die Idee: Ein Typ oder eine Frau, in diesem Fall eine 30-jährige Blondine mit bräsigem Nasenstecker, treffen in einem gleißend weißen Studio nicht nur auf die unsägliche Moderatorin Annemarie Carpendale, sondern auch auf zwölf andere Menschen – mit denen sie dann knutschen. Jawohl. Mit verbundenen Augen. Um so rauszufinden, ob man den anderen kennenlernen will. Weil, ein Kuss sagt ja ganz viel aus über zwei Menschen. Sabber, schleck… das ist selten schön anzusehen, aber ich habe es einfach nicht geschafft, umzuschalten. Und habe ein bisschen nachgedacht.

Bei aller Trash-TV-Bratzigkeit, die dieser Sendung aus jeder Pore dringt, so ganz fern von der Realität ist sie nicht. Ich muss da nur diverse Club-Nächte rekapitulieren. Da steht man so auf der Tanzfläche, ich in der Regel mit wild schwingenden Armen und Hüften, und plötzlich steht da irgendwer. Mann, Frau, schön, mittelschön, egal. Im Gegensatz zu Kiss Bang Love darf man sich zwar sofort in die Augen schauen, aber ansonsten steht man ähnlich erwartungsvoll voreinander, druckst ein bisschen herum und plötzlich kleben die Lippen aneinander, Zungen züngeln wild umher

Und das sind nicht die einzigen Gemeinsamkeiten: Durchaus kam zu späterer Stunde die Frage, ob man den nochmal küssen solle oder wolle. So läuft das auch auf Pro7, da treffen sich die Auserwählten dann sehenden Auges in einem anderen Raum wieder. Und schauen, ob sie immer noch Lust haben sich zu küssen. Oder mehr. Spätestens, wenn man gemeinsam den Club verlässt oder sich auf der Clubtoilette wiedertrifft, ist das ja sehr ähnlich: Plötzlich sieht man, huch, der ist ja maximal 20 oder mindestens 45! Oder, huch, der hat ja mega fiese Zähne! Da halte ich meine Zunge lieber fern …

Und eigentlich darf ich mich auch gar nicht darüber beschweren, dass dieser wunderbare Akt des Küssens in dieser Sendung derart inflationär bemüht wird. Mit so vielen Menschen in so kurzer Zeit… Zwölf waren zwar selbst in meinen wildesten Zeiten eher unwahrscheinlich, aber in ausufernden Partynächten habe ich durchaus fünf bis zehn Menschen an den Lippen gehangen. Freunde inbegriffen. Die lernt man so ja auch ganz anders kennen. Und am Ende habe ich dann, ganz à la Kiss Bang Love, meine finale Auswahl getroffen. Wen möchte ich denn jetzt außerhalb des Clubs wiedersehen? Manchmal wurde mir die Entscheidung natürlich abgenommen, weil der Typ meiner Wahl entweder anderweitig beschäftigt oder dem Club bereits entschwunden war, aber ansonsten – gar nicht mal so anders.

Insofern: Aus der Sicht eines Singles, dem es beim Austausch von Körpernähe und -säften gar nicht schnell genug gehen kann, hat Kiss Bang Love realistische Tendenzen. Oder anders: Ich könnte sogar die leitende Redakteurin sein. Dann allerdings würde ich das Skript dahingehend ändern, dass die erbärmliche Vorhersehbarkeit jeder Folge (kurz verliebt nach dem Date, dann – komisch – wird nichts draus) getilgt wird. Und die Regieanweisungen („Jetzt aufs Bett hüpfen und dem anderen Erdbeeren in den Mund schieben“) weniger platt und offensichtlich geben. Die unerträglichen Begleiter der Protagonisten, die aus dem Off die Knutschszenen beobachten und in ätzender Besserwisser- und Kreischmarnier kommentieren, würde ich allesamt rausschmeißen.

Vielleicht sollte man das Ganze einfach direkt in einem Berliner Club drehen. Wahlweise in einem sexpositiven, da sind die Hemmschwellen noch niedriger. Da muss man kaum was machen. Kamera drauf, Action. Und im Gegensatz zur TV-Show kam es auf dieser Ebene garantiert schon zu realer und dauerhafter Pärchenbildung. Ganz ohne die Hilfe der augenbrauenrunzelnden Annemarie Carpendale.

Auf meine Karriere als Reality-TV-Regisseurin – und die Triebe!

Eure Mascha

Mascha heißt in Wirklichkeit vielleicht anders...
Ich bin Mascha (32) und seit rund anderthalb Jahren Single. Nach einer langen Beziehung habe ich endlich Zeit mich ein bisschen auszuleben, die Sau raus und nichts anbrennen zu lassen. Insgeheim warte ich aber natürlich auf meinen bärtigen Ritter, der mit seinem Pferd in den Hinterhof meiner Neuköllner Wohnung galoppiert und mit dem ich ein, zwei Mate auch mal ohne Wodka trinken kann. Bis es soweit ist, betätige ich mich ab sofort im Auftrag aller Berliner Singles als Versuchskaninchen, teste mich durch diverse Datingportale, -events und -partys. Und lasse auch sonst nichts unversucht, um Libido und Liebe auf die Sprünge zu helfen. Ausgang ungewiss.
Was soll ich als nächstes ausprobieren? Schreib an: redaktion@qiez.de

Foto Galerie

KitKatClub, Köpenicker Straße 76, 10179 Berlin

Weitere Artikel zum Thema