Kälte, Nieselregen, Lärm draußen im Kiez und der Alltagstress – alles ist hier jetzt erstmal weit weg in der evangelischen Marthakirche an der Glogauer Straße in Kreuzberg. Sanft klingt die Orgel, ein Paar mittleren Alters steht vor Pfarrerin Monika Matthias, die Augen geschlossen. „Mögt ihr eure Hände öffnen?“ fragt die Pastorin. Dann zeichnet sie mit „kostbarem Öl“ ein Kreuz auf die Innenflächen, führt die Hände der beiden zusammen, umfasst sie mit ihren eigenen Händen, spricht segnende Worte. Eine Helferin streicht unterdessen über Kopf und Schultern des Paares. Die Zwei öffnen ihre Augen. Ein warmes Lächeln.
„Fasten ist eine Phase des Loslassens“
Alle schenken sich gemeinsam ein wenig Zeit und Raum
Wie bringt man das alles zusammen, Valentin, Verzicht und Weite? Dazu gestaltet Monika Matthias gemeinsam mit ihren Helfern eine höchst ungewöhnliche Andacht. Nach Liturgie, Predigt und Paul Gerhardts Liedklassiker „Wach auf mein Herz und singe“ lädt sie dazu ein, „uns allen ein wenig Zeit und Raum zu schenken“. Jeder der rund 50 Gottesdienst-Besucher kann nun frei nach Gefühlen und Bedürfnissen handeln.
Einige zünden Osterkerzen am Altar an. Andere meditieren still auf ihren Stühlen oder suchen sich ein zurückgezogenes Plätzchen unter dem Gewölbe der 1904 gebauten, dreischiffigen Backsteinkirche. Weiter weg vom Großstadtgetriebe kann man in Berlin kaum mehr sein. Die Kreuzberger Marthakirche ist ja ohnehin schon versteckt. Sie steht im Hinterhof auf der Rückseite des zur Glogauer Straße mächtig aufragenden Gemeindehauses mit den zwei Glockentürmen.
Ein Paar mit Baby im Tragebuch lässt sich segnen
Die meisten Besucher nehmen an diesem Sonntag aber auch das ganz besonderes Angebot in Anspruch: an drei „Segnungs-Stationen“ im Hintergrund des Gotteshauses. „Wenn sie möchten, lassen sie sich als Paar, Familie oder einzeln heute persönlich salben und segnen“, sagt die Pastorin. Das sei spürbarer als der allgemeine Segen. Und schiebt noch das Valentins-Motto nach: „Willkommen, Verliebte, aber natürlich auch Singles!“
Dann lässt sich das erste Paar segnen, mit seinem Baby im Tragetuch. Ganz bei sich, umfangen von drei Helfern der Gemeinde, dem „Segnungs-Team“. Auch zwei Männer, Hand in Hand, lassen sich das Kreuz auf die Stirn zeichnen. Und ein hochbetagtes Paar. Zwanzig Minuten „Zeit und Raum“ für die Seele. Dann klingt die Andacht aus. Mit dem Taizé-Lied: „My peace, mein Friede“.
Besondere Gottesdienste mit mehr Zeit und Raum sowie persönlicher Segnung gibt es in der Marthagemeinde auch an anderen Sonntagen. Wann? das steht auf der Website der Marta Gemeinde.