Ob zum Verkauf oder zur Miete – anscheinend tut sich etwas im Spätkauf-Leben. Rund 1000 Spätverkaufsstellen gibt es zurzeit in Berlin. Von Kaugummi bis Bohrmaschine – fast alles gibt es im Späti zu kaufen. Egal ob um Mitternacht ein Kondom oder am Sonntag die Milch gebraucht wird, der Späti hat immer auf. „Kult-Kioske“ werden sie daher gern genannt, ein „Stück Berliner-Kultur“ seien sie. Soziologische Studien wurden schon über sie geführt. Für ihren Erhalt wird mit allen Mitteln gekämpft.
Als vor zwei Jahren über das Ladenschlussgesetz gestritten wurde, bezeichnete sogar der Staatssekretär der Wirtschaftsverwaltung Christoph von Knobelsdorff die Spätis als: Teil der Kiezkultur. An den längeren Öffnungszeiten bei Spätis dürfe nicht gerüttelt werden. SPD-Wirtschaftspolitikerin Liane Ollech sagte: Spätis seien „auch ein Wirtschaftsfaktor und haben Ausbildungsplätze geschaffen“. Gesprochen werden müsse lediglich darüber, was an Sonntagen verkauft werden dürfe. Die neue „Interessengemeinschaft der Kiez-Kioske“ bezeichnete sich selbst in einem Brief an die Landespolitiker als “ willkommene Anlaufstelle“ für Anwohner und Touristen.
Die meisten Spätis haben die Diskussion um den Ladenschluss bisher überlebt. Oft nicht ganz legal, aber geduldet. Häufig mit speziellem Sortiment, knapp an der Illegalität vorbei. Jetzt stehen die ersten zum Verkauf bei ebay Kleinanzeigen: Vom Schnäppchen in Tempelhof (gerade mal 8000 Euro kostet die Ablöse) über einen Hermes-Shop in Prenzlauer Berg (16.500 Euro, dafür inklusive Lotto) bis zur Luxus-Version in Tiergarten (65.000 Euro) ist alles dabei.
Der Späti hieß früher Internetcafé
Aber brauchen wir die Spätis wirklich? Sind sie tatsächlich ein Stück Berlin? Oder haben wir nicht genug Supermärkte mit größerem Sortiment, kleineren Preisen – und immer längeren Öffnungszeiten. Und waren nicht vielleicht auch die Internetcafés in den 90ern ein Stück Berlin? An jeder Straßenecke stand eines. Vielleicht kann man sogar sagen: Der Späti hieß früher Internetcafé. Beide werden bis heute meist betrieben von Migranten mit schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt, die auf das große Geld hoffen und sich dann selbst ausbeuten in den zumeist als Familienbetrieben geführten Spätis.
Die Spätis sind keine Kultur, vielmehr sind sie Betriebe, die meist aus der Not von Migranten heraus entstanden sind. Und die nun Touristen und Nostalgikern, die den Tante-Emma-Flair ihrer Kindheit nicht missen wollen, als Anlaufstelle dienen. Woher diese Idee des Tante-Emma-Flairs stammt: Meist sitzen Bier trinkende Männer vor den Spätis, die sich keinen Bar-Besuch leisten wollen oder können. Einkaufen gehen im Späti auch nur die, die schon früher in der Tankstelle überteuerte Preise für Milch und schlechten Kaffee bezahlten, nämlich: schlecht organisierte Mittelschicht-Kids.
„Ich kann sie nicht mehr hören, vor allem diese jungen Neuberliner, die Sprüche machen wie: Was, du lebst in einem Kiez, wo es keinen Späti gibt? Dann lebst du nicht wirklich in Berlin! So ein Blödsinn, denkt jeder, der aus der Stadt ist. Berlin ist auch ohne Späti Berlin und schlechtes Bier und schlechten Kaffee kaufen, das kann jeder.“