Die zukünftige Baustelle überspannt eine weiße Stoffbahn, als am Freitag der Grundstein für das Einkaufscenter am Leipziger Platz 12 gelegt wurde. Gut 300 Gäste versammelten sich in der zwölf Meter tiefen Baugrube. Das privat finanzierte Projekt soll die durch die deutsche Teilung entstandene Lücke schließen und das Potsdamer-Platz-Ensemble ergänzen. Das von Harald G. Huth entwickelte Vorhaben ist dann das 64. Shoppingcenter Berlins.
Hostessen in roten Kleidern servieren Prosecco auf silbernen Tabletts, als Huth auf die Bühne tritt. Bereits 1912 stand hier ein Kaufhaus: das Wertheim, dessen letzte Reste bis zum Abriss 2005 das Tresor beheimateten. Mit seinen Plänen habe Huth „den Bann gebrochen“, meint Nils Busch-Petersen vom Handelsverband Berlin-Brandenburg. Stadtentwicklungsssenator Michael Müller (SPD) wünscht ihm „ganz viel wirtschaftlichen Erfolg“. Dem setzt er hinzu: „In Ihrem Interesse, aber auch in dem Berlins“.
Bauarbeiten im Zeitrahmen
Bereits vor der Eröffnung kurbelt der 460 Millionen Euro teure Neubau die Umsätze der Berliner Baufirmen an: Nach Plänen einer Arbeitsgemeinschaft um Sergei Tchoban verarbeiten sie in der Grube täglich Stahl mit dem Gewicht von 100 Autos und gießen jeden Tag 1200 Kubikmeter Beton in die Bewehrung. Erhebliche Staus blieben bislang aus. Auch der Wasserdurchbruch, der auf der U-Bahn-Linie 2 zu Komplikationen führte, konnte schnell behoben und verlorene Zeit auf der Baustelle wieder eingeholt werden. Der Eröffnung der 270 Läden im Jahr 2014 und der Vermietung der 270 Wohnungen scheint nichts im Wege zu stehen.
Der ehemalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann sinniert über vergangene Zeiten, schwärmt vom Leipziger Platz als einstige „Brücke“ zwischen der Friedrichstraße im Osten und dem Kurfürstendamm im Westen. Das Warenhaus des Vorreiters Georg Wertheim, der es bis zu seiner Vertreibung durch die Nazis betrieb, stand jedoch nicht als erstes seiner Art an dieser Stelle. Die Kaiserpassagen erlitten dort im Jahr 1891 ihren Niedergang.
Bedarf an Shopping-Centern geht zurück
Für Projektentwickler Huth ist das Projekt nicht die erste Erfahrung auf Berliner Baustellen: In den 90er Jahren entstand durch sein Zutun das stadtweit größte Einkaufszentrum, die Gropius-Passagen in Neukölln. Auch die Eröffnung vom Einkaufstempel Das Schloss an der Steglitzer Schlossstraße 2006 ist ihm zu verdanken. Der Handelsverband schloss sich nicht dem Dünken einiger Kritiker an, dass bereits zu viele Center in Berlin erbaut wurden, sieht aber höchstens noch vereinzelt neue Projekte in der Zukunft.
So plant der Möbelhausunternehmer Kurt Krieger in Pankow ein neues Stadtquartier. Ein angeschlossenes Shoppingcenter will die Stadtentwicklungsverwaltung aus der Planung streichen. Ein Zentren-Konzept des Senats soll den Konsumtempeln Einhalt gebieten. Nur an „integrierten Standorten“ wollen sie Center sehen. Dort hätten auch die Läden in der Umgebung etwas von der Anziehungskraft der großen Häuser.
Keine Angst vorm Leipziger Platz
Der neue Centermanager Lutz Heinicke der Potsdamer-Platz-Arkaden bekommt bislang noch keine grauen Haare – obwohl unter den Mietinteressenten der Ladenflächen am Leipziger Platz auch Ketten wie Aldi, Kaiser’s und Saturn sind, die schon Fillialen in den Arkaden betreiben. Heinicke ist der Ansicht, dass sie nicht den Standort verlassen werden, sondern in beiden Centern vertreten sein wollen. Außerdem liefen in den 1998 eröffneten Arkaden zehnjährige Mietverträge, die 2008 verlängert worden seien. Jedoch eröffnete die Elektronikmarktkette Saturn inzwischen, sie werde „Ende 2013 vom Potsdamer Platz an einen neuen Standort am Leipziger Platz umziehen“. Einen neuen Nutzer benötigen die Arkaden auch für den Laden der wirtschaftlich angeschlagenen Buchhandelskette Hugendubel, die Ende Januar 2013 ihr Geschäft am Potsdamer Platz aufgibt.
Auch die Interessengemeinschaft Friedrichstraße fürchtet „keine Bedrohung“ durch die Bauarbeiten am Leipziger Platz. „Der Lückenschluss ist stadtentwicklungspolitisch gut“, sagte Vereins-Geschäftsführer Mateusz Hartwich. Auch er rechnet damit, dass für Einzelhändler „dank des Tourismus der Kuchen größer wird“. Außerdem scheinen die „stilbildenden“ Marken- und Luxusläden der Friedrichstraße treu zu bleiben.
Handelsverbandschef Busch-Petersen prognostiziert, dass in Berlin „nicht alle“ ansässigen Center überleben werden. Doch an guten Standorten sei nicht mit Problemen zu rechnen. Das Center am Leipziger Platz könne „auch im Wechselspiel mit den Arkaden funktionieren“, Huths Vorhaben sei „noch kein Akt des Kannibalismus“. Bei anderen Verkaufsverbänden sei es bereits schwierig. Manche Center wären schon „verwechselbar“ und müssten nun neue Wege gehen.