Eine baumgesäumte Straße und reichlich Gelegenheiten zum Einkehren und Draußensitzen – die Körtestraße am Südstern zeigt sich auch an heißen Sommertagen von ihrer angenehmen Seite. Sie ist unser Einstieg in einen Spaziergang durch den Graefekiez. Das Viertel stellt ein Paradebeispiel für den großen Wandel dar, dem einstmals ruhige Wohngegenden in Kreuzberg unterliegen. Mit seiner teilweise gut erhaltenen und sanierten alten Bausubstanz, darunter zahlreiche Jugendstil-Häuser, ist der Kiez bei Wohnungssuchenden schon seit Jahren äußerst begehrt. Zu den rasch gestiegenen Mietpreisen haben sicher auch Gastronomie und interessante kleine Geschäfte beigetragen.
Es ist ein Dilemma, aber schon beim Gang durch die Körtestraße versteht man, was die Menschen in den Graefekiez zieht. Da gibt es „Broken English“, den Laden, in dem eine Engländerin klassische Produkte aus dem Vereinigten Königreich verkauft. Ein paar Häuser weiter stehen Töpfe und Pfannen im Schaufenster von „Fleischwolf und Lotte„. Es gibt ein Restaurant namens „Mädchen ohne Abitur“ und um die Ecke das sehr empfehlenswerte „Wirtshaus zum Mitterhofer“ mit Südtiroler Spezialitäten.
Wohnen im Gasometer
Die Urbanstraße trennt die so unterschiedlichen Teile der namensgebenden Fast-schon-Flaniermeile. Hier warten die beiden sonnenbebrillten Insassen eines 7er-BMWs aus den 90er Jahren auf einen Mann am Straßenrand, der aufgeregt telefoniert. Betritt man den nördlichen Teil der Graefestraße, hat man sofort wieder die Ruhe weg. Schließlich verhindern Poller an der Kreuzung Böckhstraße eine Nutzung als alternativer Schleichweg anstelle des Kottbusser Damms.
Der Teufel macht Hummus
Nicht fehlen darf am Ende eines Spaziergangs durch den Graefekiez der Besuch der Admiralbrücke. Diese wurde nicht nur wegen ihrer Schönheit bekannt, sondern auch, weil sie schon früh zum Symbol für die Nutzungskonflikte in gefragten Szenekiezen wurde. 2010 heizte sich der Konflikt zwischen den jungen Flaneuren aus aller Welt, die die Brücke zum abendlichen und nächtlichen Treffpunkt gemacht hatten, und sich gestört fühlenden Anwohnern so weit auf, dass in der Folgezeit die Polizei täglich um 22 Uhr begann, den Ort per mündlicher Aufforderung zu räumen. Hier wie im gesamten Viertel gilt eben: Schönheit hat ihren Preis.