Unterwegs im Kiez

Herbstspaziergang am Lietzensee

Blick von der Großen Kaskade an der Dernburgstraße hinunter auf den Lietzensee.
Blick von der Großen Kaskade an der Dernburgstraße hinunter auf den Lietzensee.
Neue Kantstraße - Mitten in einem beschaulichen Wohngebiet im Herzen Charlottenburgs weitet sich unvermittelt die Stadtlandschaft und gibt den Blick frei auf den rund sieben Hektar großen Lietzensee. Einst lag das Gewässer mitten im Grunewald. Heute fühlen sich an seinen Ufern junge Familien auf Picknickdecken, radelnde Senioren und Naturliebhaber gleichermaßen wohl. Wir haben dem Lietzenseepark einen Besuch abgestattet.

In den vergangenen Wochen hat es der Lietzensee gleich zweimal in die regionalen Schlagzeilen geschafft. Zum einen feierte der rege Verein „Bürger für den Lietzensee“ sein zehnjähriges Jubiläum. Mit Putz-, Pflanz-  und Spendenaktionen hat es die Initiative in den vergangenen Jahren geschafft, Sauberkeit und Wohlfühlfaktor in der historischen Grünanlage deutlich zu steigern. Zum anderen wurde vor einigen Tagen bekannt, dass ein neuer Verein das historische Parkwächterhaus am Lietzensee mit kultureller Nutzung und einem kleinen Café wiederbeleben möchte. Das macht natürlich neugierig. Und so haben wir einen der letzten warmen Spätsommer- / Herbsttage dafür genutzt, einen kleinen Spaziergang rund um das Charlottenburger Gewässer zu machen.

Wir betreten den Lietzenseepark von der Dernburgstraße im Süden der Anlage aus. Erstmalige Besucher dürften won dem weiten Blick, der sich unvermittelt zwischen den Charlottenburger Altbauten öffnet, bezaubert sein. Doch auch viele Anwohner und Familien aus dem Kiez nutzen den schönen Nachmittag, um sich auf den Treppen entlang der Großen Lietzenseekaskade zu entspannen. Die Anlage wurde 1913 in Betrieb genommen, um Algenblüten, die sich seit der Bebauung der Umgebung verstärkt im See ausgebildet hatten, zu bekämpfen. Die Maßnahme gilt als einer der ersten Gewässerrestaurierungen. Auch heute ist die Kaskade wieder ein Vorreiter: Derzeit läuft hier ein Testbetrieb, der eine moderne ökologische Wassertechnik mit dem Denkmalschutz vereinen soll. Nun wird das Wasser aus dem See mit Hilfe zweier Pumpen ans höher liegende Ufer befördert und für den Betrieb der Kaskade genutzt.

Geisternde Hunde

Von dieser technischen Neuerung spürt der Besucher natürlich nichts. Auch uns zieht es rasch hinab ans Wasser, das nicht zum Baden einlädt und durchgängig von einer niedrigen Holzpalisade eingefasst ist. Früher war das anders. Der See gehört, wie Grunewald- oder Schlachtensee, zur Grunewaldseenkette und wurde erst nach und nach von der Stadt „eingeschlossen“. Heute spürt man von seiner früheren Waldlage nichts mehr. Ein paar Meter entfernt braust der Verkehr Richtung ICC oder Savignyplatz. Und das Seeufer selbst ist seit 1920 ein im Jugendstil angelegter Park. Die ursprüngliche Anlage geht auf Pläne des Gartendirektors Erwin Barth zurück. Übrigens gibt es noch eine interessante Legende zur Namensgebung des Sees. Ihr zufolge soll in dem Gewässer einst ein ganzes Dorf namens Lützow bzw. Lietzow untergegangen sein. Von herumgeisternden Hunden wurde berichtet und an der versunkenen Kirchturmspitze blieben lange Zeit, so erzählte man sich, die Netze der Fischer hängen. Diese Fischer gehören heute zwar, ebenso wie das Dorf Lietzow (das übrigens tatsächlich eine historische Siedlung auf dem Gebiet des heutigen Charlottenburg war) der Vergangenheit an. Doch obwohl rundum die Stadt tobt, hat sich der See etwas von seinem verzauberten Charme bewahrt.

Im nördlichen Teil der insgesamt zehn Hektar großen Parkanlage, die seit 1904 durch die Neue Kantstraße vom südlichen Teil getrennt ist, geht es nicht nur aufgrund des nahen Kaiserdamms dabei etwas lebhafter zu. Mehrere Kinderspielplätze, der Biergarten des Cafés Stella am Lietzensee und einige Sportanlagen wie Tischtennisplatten und Basketballkörbe laden neben weitläufigen Liegewiesen und einem alten Baumbestand zum Verweilen ein. Letztere findet man auch im südlichen Teil des Lietzenseeparks. Doch hier muss man die schöne Stadtnatur auch an einem sonnigen Herbsttag mit weniger Menschen teilen. Die Neue Kantstraße wirkt wie eine unsichtbare Barriere. Nur wenige Menschen nutzen die Straßenübergänge bzw. die vor allem für Kinder etwas „spektakulärere“ Unterführung, um in den Südteil der Grünanlage zu gelangen.

Doch egal, wonach einem der Sinn steht: Ein schönes Plätzchen zum Picknicken, romantische Orte für zwei, idyllische Joggingstrecken und ein alles in allem recht sympathisches Völkchen findet man im Lietzenseepark allemal. Zwar schwebt gegen Abend auch mal die ein oder andere Kiffer-Fahne durch die Luft, einige abgelegenere Ecken werden von Jugendlichen mit Bierflaschen belagert und ganz selten stößt man auch auf ein wenig Müll – doch wir sind schließlich mitten in der Stadt. Und vielleicht ist es ganz gut, dass der „Kulturschock“ beim Verlassen des Parks nicht zu groß ist. Sonst stolpert man vielleicht unversehens und versinkt auf ewig in den Tiefen des Lietzensees …

Lietzenseepark, Herbartstraße 4, 14057 Berlin

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