Vielbeschäftigt, diese Schauspieler. Zum Termin kommt Katharina Nesytowa mit Hündin Preta – und telefoniert. Es geht wohl um irgendwelche Vertragsverhandlungen, Kilometergeld wäre schon gut. Verständlich, denn Nesytowa reist für ihre Projekte quer durch Deutschland, dreht in Halle („Zorn – Wie sie töten“), Köln („Helen Dorn – Die falsche Zeugin“) oder Hamburg („Stralsund“). Das Telefongespräch ist aber schnell auf später verlegt, es bleibt die einzige Störung für die nächsten zwei Stunden. Und dann geht es schon los mit dem Rundgang durch den Kiez.
Die erste Station ist auch Nesytowas erster Berührungspunkt mit der Gegend: „Hier hat alles angefangen“, sagt sie über das libanesische Restaurant „Babel“ in der Kastanienallee. Mit 18 wohnte sie in Pankow („viel zu langweilig“) und sollte im „Babel“ für ein kleines Filmteam Falafel holen. „Die Haltestelle der U2 Eberswalder Straße war mein Tor zur Welt. Hier fing das Leben an, wie ich es mir vorstellte.“ Alles sei aufregend gewesen, Filmteam, Szenekiez. Sie findet es witzig, dass sie sechs Jahre später nach Zwischenstationen in Mitte und Hannover genau dort gelandet sei.
Zuhause in Moskau und Berlin
Nesytowa wurde 1985 in Pankow geboren. Als sie wenige Monate alt war, zog ihre Mutter, selbst Russin, mit ihr nach Moskau. Obwohl sie dort nur etwa fünf Jahre blieb, hat sie die Zeit nachhaltig geprägt. Die 30-Jährige würde nie auf die Idee kommen, sich als „Deutsche“ zu bezeichnen: „Mein bewusstes Leben hat in Moskau angefangen, Russisch war meine erste Muttersprache. Ich fühle mich als Russin.“ Gleichzeitig könne sie aber auch ohne Probleme sagen: Ich bin Berlinerin. „Meine Heimat sind Moskau und Berlin.“ Denn hier verbrachte sie ihre Jugend, entwickelte die Liebe zum Schauspiel, hier wohnt sie – und kauft um die Ecke ein.
So wie im „fein und ripp“, einem ihrer Lieblingsgeschäfte. Der Laden führt viele Textilien, die schon mehrere Jahrzehnte auf dem Buckel haben (oft aber noch ungetragen sind), teilweise stammen sie aus den 20er Jahren. Einige der Teile sind schwedische Staatsreserve und wurden in den 30er Jahren in Gefängnissen gefertigt. Für Nesytowa ist das „fein und ripp“ vor allem ein Ort zum Entdecken.
„Man kann sich entwickeln“
Dennoch will sie diese Erfahrung nicht missen. Sie spielt das erste Mal eine Serienrolle für eine längere Zeit. „Das ist ein neues, ein schönes Gefühl, über einen längeren Zeitraum Teil eines Ensembles zu sein. Man kann sich und auch die Rolle entwickeln. Man wird darin souveräner und hat Raum, sich den Feinheiten zu widmen, was ich sehr gern tue.“ Die Serie habe sich auch toll entwickelt, wird jede Woche von Millionen Zuschauern gesehen. Dadurch würden sich neue Handlungen ergeben, die auch mal abseits der Klinik spielen. „Ich finde es großartig, wenn der Zuschauer überrascht wird, indem plötzlich Züge einer Figur ans Licht kommen, die völlig unerwartet sind. Das macht es lebendig.“
Kleiner Kiez, aber alles da
Nesytowa kreist ihren Kiez sicher, aber sehr eng ein: Im Norden eingegrenzt vom Mauerpark und der Eberswalder Straße, im Osten die Schönhauser Allee und im Süden und Westen die Schwedter Straße. In diesem Kosmos finde sie alles, was sie brauche, sogar ihren Lieblingsfranzosen, „Les Valseuses“. Schwieriger wird es, als sie ihren Kiez beschreiben soll. Lange 15 Sekunden Pause, dann sammelt sie erst einmal Adjektive: entspannt, gemütlich, gleichzeitig quirlig. „Und irgendwie fühle ich mich hier immer wieder so, als wären diese Straßen mein verlängerter Balkon. Das wird jetzt schnulzig, wenn ich es sage, aber hier kann ich einfach so schön atmen. Kiez ist für mich da, wo Zuhause anfängt, wenn man aus der Bahn steigt.“
Bleibt nur noch zu fragen, ob Katharina Nesytowa ihr Leben lang in Berlin bleiben wird? Sicher ist sie sich nicht, aber: „Ich könnt’s mir schon ziemlich gut vorstellen. Berlin ist der Ort, wo ich das Gefühl habe, alles und von allem etwas zu haben.“
Katharina Nesytowa ist immer donnerstags um 18.50 im Ersten zu sehen. Dort läuft momentan die zweite Staffel von „In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“.