Steht die Hansabibliothek vor der Auflösung? Trotz ihrer Lage im denkmalgeschützten Hansaviertel und ihrer Bedeutung als kulturelles Zentrum im Kiez hat die SPD in der BVV den Antrag auf Verlegung der Einrichtung gestellt. Sie soll mit der in der Perleberger Straße beheimateten Bruno-Lösche-Bibliothek zusammengelegt werden. Als neuer Standpunkt werden ein in Planung befindliches Einkaufszentrum an der Stromstraße oder die Turmstraße in Erwägung gezogen.
„Als Nutzer der Hansa-Bibliothek fände ich es unerträglich, wenn dieser letzte kulturelle Treffpunkt von einem der schönsten Kleinode Europas weggenommen wird“, so Berlinale-Chef und Kiezbewohner Dieter Kosslick. „Die Hansabibliothek zu schließen, nur um einem Investor die Miete zu sichern, das ist kompletter ökonomischer Unsinn, ein kulturpolitischer Skandal. Es gibt schon ungefähr 1000 Unterschriften dagegen, meine jetzt auch.“
Auch die Leiterin des Ökomarktes Brigitta Voigt macht sich gegen die Pläne stark. Man könne es nachvollziehen, dass es im Interesse der neuen Shopping-Mall liege, den Umsatz und die Mietzahlungen durch eine Bibliothek zu steigern. Doch deshalb ein denkmalgeschütztes Ensemble zu schließen, käme nicht infrage. Für zusätzliche Unruhe unter den Anwohnern sorgt auch der angeblich 2014 endende Mietvertrag der Hansabibliothek.
Noch keine politischen Tatsachen
Doch die grüne Kulturstadträtin Sabine Weißler dämpft solche Sorgen: „Das Gelände gehört uns doch.“ Auch sie setzt sich für den Erhalt der Bibliothek ein. „Wir haben einen Auszug nicht in der Planung, dadurch würde auch nichts billiger“, so Weißler. Die Bibliothek würde sogar einen kleinen Gewinn erwirtschaften und sei allenfalls etwas klein. Dagegen wäre die Suche nach einer neuen Nutzungsform mit nicht unerheblichen Kosten verbunden.
Für Weißler besteht die Möglichkeit, dass die Bruno-Lösche- und die ehemals in der Turmstraße 75 untergebrachte Brüder-Grimm-Bibliothek im neuen Einkaufszentrum untergebracht werden. Doch der Betrieb in der Hansabibliothek werde von solchen Plänen nicht beeinflusst
Für die SPD stellt die Lücke im Haushalt das größte Argument für die Auslagerung der Hansabibliothek dar. 19 Millionen Euro würden 2013 fehlen, so der Fraktionsvorsitzende Hans-Günter Mahr. Und natürlich könnten durch eine Zusammenlegung zweier Bibliotheken Kosten eingespart werden. In Bezug auf den angestrebten Welterbe-Titel des Hansaviertels betonte Mahr, dass es dem Bürgerverein freistünde, einen kulturellen Treffpunkt im Bibliotheksgebäude einzurichten.
Entscheidung erst nach dem Sommer
Sein Favorit für den neuen Standort der Hansabibliothek ist ein in Besitz von Land oder Bezirk befindliches „geeignetes Grundstück in der Turmstraße“. Weitere Details will Mahr noch nicht öffentlich machen. Eine noch vor der Sommerpause geplante Abstimmung über den Vorschlag der SPD konnte nicht mehr umgesetzt werden.
Der Bürgerverein macht sich gegen die Pläne der SPD stark. Die Bibliothek im Hansaviertel sei ein beliebtes Zentrum, das nicht nur Bücher zur Verfügung stelle, sondern auch Buchpräsentationen, Lesungen und Computerkurse anbieten würde. „Besser geht’s nicht“, unterstreicht Matthias Rudolph, der zweite Vorsitzende des Bürgervereins, die Leistungen der Hansabibliothek. Mit der Entfernung der Einrichtung aus dem denkmalgeschützten Bauensemble, das im Rahmen der internationalen Bauausstellung von 1957 errichtet wurde, sieht Rudolph die Anerkennung als Weltkulturerbe gefährdet. Am 6. Juli soll der Antrag auf Aufnahme in der Akademie der Künste unterzeichnet werden.
Erst vor kurzem war im Rahmen der Tagesspiegel-Serie „Platz da“ eine bürgerfreundliche Zukunft des Hansaplatzes erörtert worden. Baumaßnahmen auf der an sich intakten Seite des Platzes seien dabei sicher nicht hilfreich, so Rudolph.