Lärmschutz für Luxuswohnungen in Berlin-Dahlem

Ein Spielplatz hinter Mauern

Noch sind’s nur Pfeiler. Bald steht hier eine Mauer.
Noch sind’s nur Pfeiler. Bald steht hier eine Mauer.
Dass Anwohner sich vom Geräusch spielender Kinder und Jugendlicher gestört fühlen, kommt in Berlin immer wieder vor. So eine drastische Maßnahme wie jetzt in Dahlem hat es aber noch nicht gegeben – und sogar der Senat äußert Kritik.

Es sind zwar nur Schallschutzwände gegen Kinderlärm, doch Anwohnern und der Kita-Leiterin Anne Pallada kommt es fast vor, als würde in Dahlem die Berliner Mauer neu gebaut: Fünf Meter hoch sind die Stelen an der Marshallstraße und am Tom-Sawyer-Weg, an denen Bauarbeiter zurzeit mit Kränen graue Betonelemente befestigen. Der Grund ist die Luxuswohnsiedlung „Fünf Morgen Dahlem Urban Village“, die der Investor Stofanel auf der anderen Seite der Marshallstraße auf der früheren Truman Plaza baut.

Die Wand soll die künftigen Bewohner vor dem Lärm mehrerer Spiel- und Sportplätze schützen. Nicht nur die Kita-Chefin ist empört. „Ursprünglich war nur eine Mauer vorn geplant“, sagt Pallada, nun aber entstehe eine zweite. Außerdem habe Stofanels Projektleiter vor ein paar Monaten in Aussicht gestellt, dass Kinder und Jugendliche bei der Gestaltung mitreden dürfen. „Dann aber haben wir nichts mehr gehört“, ärgert sich Pallada. Sie leitet das „Deutsch-Englische Kinderhaus Tom Sawyer“ des Unionhilfswerks.

„Geselschaftspolitisch völlig verfehlt“

Auch einige der 110 Kitakinder nutzen gerne mal die benachbarten kleinen Außenanlagen der bezirklichen Jugendfreizeiteinrichtung (JFE) Marshall. Zwischen 15 und 20 Uhr ist das erlaubt. An der Straße gab es eine „Halfpipe“-Rampe für Mountainbikefahrer, die nun vorerst abgebaut wurde. Dahinter schließt sich ein Basket- und Fußballplatz an, hinzu kommt ein weiterer Platz mit Halfpipes, die Jugendliche selbst gebaut haben. Insbesondere die zwei vorderen Sportplätze werden von der Wand umringt. Pallada kann sich kaum vorstellen, dass Kinder und Jugendliche die Anlagen so noch nutzen mögen. Mit dem Jugendtreff stehe sie in engem Kontakt, dort sei man der gleichen Meinung.

Ein Vater, dessen zwei Söhne in die Kita beziehungsweise auf eine Grundschule am Hüttenweg gehen, findet deutliche Worte: „Berlin opfert den knappen innerstädtischen Raum für Freizeitaktivitäten von Kindern und Jugendlichen den Interessen eines Investors und der zukünftigen Bewohner von Luxuswohnungen.“ Es sei „gesellschaftspolitisch völlig verfehlt“, im Zusammenhang mit spielenden Kindern von Lärm zu sprechen. Der Vater verweist auf Gerichtsurteile, wonach Geräusche spielender Kinder nicht als Beeinträchtigung der Nachbarschaft zu werten seien. Neben der Truman Plaza aber würden die Kinder und Jugendlichen „von Licht und Luft abgeschnitten und hinter einer fünf Meter hohen Wand eingesperrt“. Außerdem verschandele diese die Marshallstraße.

Lärmschutz war bislang nicht nötig

Der Steglitz-Zehlendorfer Baustadtrat Norbert Schmidt (CDU) gibt zu, die Lösung sei „städtebaulich natürlich nicht die Ultima Ratio“. Für das Bezirksamt sei jedoch vorrangig gewesen, dass die Jugendfreizeiteinrichtung in Betrieb bleibe und man eventuelle Klagen der künftigen Nachbarn ausschließe. Unklar bleibt, warum bisher kein besonderer Lärmschutz nötig war – denn es gibt schon Wohnhäuser neben den Sportplätzen. „Es hat sich nie jemand beschwert“, sagt die Kitaleiterin. Investor Stofanel teilte nur mit, man sei laut einem städtebaulichen Vertrag zur Errichtung der Wand verpflichtet, Fragen dazu müsse der Bezirk beantworten.

Im Abgeordnetenhaus und der von Sandra Scheeres (SPD) geführten Senatsjugendverwaltung sieht man den Vorgang kritisch – hat zum Teil aber auch Verständnis für das Ruhebedürfnis der Nachbarn. Kinder seien manchmal eben etwas lauter, „das darf nicht mit Verkehrslärm gleichgesetzt werden“, sagt Scheeres’ Sprecher Thorsten Metter. Wenn es deswegen Konflikte gebe, sei es „am besten, gemeinsame Wege zu finden. Das scheint hier jedoch leider nicht passiert zu sein.“

Die SPD-Politikerin Ina Czyborra, in deren Wahlkreis auch die umstrittene Mauer liegt, zeigt sich „entsetzt von deren Massivität“, wie sie am Dienstag sagte. Etwas gelassener sieht das der jugendpolitische Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus, Björn Eggert. Die Mauer sei zwar „nicht schön“. Aber wenn so verhindert werden könne, dass die Anwohner gerichtlich gegen die Einrichtungen für Kinder und Jugendliche vorgehen, sei die Wand das kleinere Übel.


Quelle: Der Tagesspiegel

Ein Spielplatz hinter Mauern, Tom-Sawyer-Weg 5, 14169 Berlin

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