Es ist so ein bisschen wie bei einem Heißluftballon. Je mehr Ballast an Bord ist, umso eher droht der Absturz. Beim Spirituosenhersteller Schilkin hat man offenbar in letzter Minute erkannt, dass mehr als 80 verschiedene Produkte im Sortiment zu viel Ballast sind. Also trennt sich das Familienunternehmen mit Sitz in Kaulsdorf von einer Reihe seiner Artikel und wirft sie bildlich gesehen über Bord. Künftig wird sich Schilkin ganz auf seine regionalen Berliner Liköre und Schnäpse konzentrieren. Ziel ist es, das in eine wirtschaftliche Schieflage geratene Unternehmen wieder auf die richtige Bahn zu bringen. Erste Erfolge sind inzwischen sichtbar.
Im Sommer hatten die beiden Geschäftsführer des Unternehmens, Peter Mier und sein Sohn Patrick, das Amtsgericht Charlottenburg eingeschaltet. Seit September befindet sich Schilkin in einem sogenannten Planinsolvenzverfahren in Eigenverwaltung unter der Aufsicht eines Sachwalters. „Das bedeutet nicht, dass wir zahlungsunfähig sind“, betont Vertriebsleiter und Prokurist Hans-Jörg Ullrich. Am Standort auf dem Gutshof Kaulsdorf wird weiter produziert und an den Handel geliefert.
Sanierungskonzept unter Aufsicht erstellt
Die wichtigste Entscheidung ist erst einige Wochen alt: Schilkin produziert nicht mehr im Auftrag von Supermarktketten deren Eigenmarken, die dann zu Discountpreisen verkauft werden. Während nämlich die Rohstoffpreise und die Energiekosten stiegen, blieben die Margen der Auftraggeber gleich. Das hätte sich auf Dauer nicht mehr gerechnet, Schilkin verdiente mit diesem Massengeschäft kein Geld mehr. Also konzentrieren sich die Mitarbeiter von Schilkin auf die Traditionsmarken des Unternehmens.
Das Sortiment wurde zunächst einmal ordentlich abgespeckt, 36 der 86 Artikel aus dem Programm genommen. Darunter waren Boonekamp, verschiedene Goldbrände und Wodka. „Was wir jahrelang versäumt haben, holen wir jetzt nach: Wir trennen uns von den nicht mehr nachgefragten Produkten“, sagt Vertriebsleiter Ullrich selbstkritisch. Dabei bleibt es aber nicht: Auf der Grünen Woche 2015 will Schilkin sein Flaggschiff „Berliner Luft“ mit neuen Sorten präsentieren. Für die männlichen Kunden gibt es den Pfefferminzlikör in einer 40-prozentigen Version. Naschkatzen werden sich auf „Berliner Luft“ mit Schokosahne-Zusatz freuen. „Der Konsument entscheidet am Regal“, sagt Ullrich und hofft, neue Marktanteile zu sichern.
Profitieren vom Berlin-Hype
Vom Massengeschäft hat sich Schilkin verabschiedet. „Wir haben einfach keine Chance gegen die Riesen“, sagt Hans-Jörg Ullrich. „Schilkin muss seine Nische finden, und das ist die Regionalität.“ Die Produktpalette wird mehr auf Berlin getrimmt, hinzu kommen neue Fanartikel in Form von Tabletts oder Gläsern. Immerhin konnte der Umsatz von Schilkin im Gegensatz zur Gesamtbranche um 20 Prozent gesteigert werden. Der harte Sanierungskurs des Unternehmens trägt erste Früchte. Ende November hat auch das Insolvenzgericht dem entsprechenden Plan zugestimmt.
„Wir sind optimistisch, dass es mit Schilkin weitergeht“, sagt Stephan Schilling, der Leiter der Abfüllung. Fast sein gesamtes Arbeitsleben hat er bislang bei Schilkin verbracht. Nach seiner Ausbildung bei dem Spirituosenhersteller zog es ihn zunächst in andere Unternehmen, 2008 bewarb er sich auf seine jetzige Stelle. „Meine Kollegen haben in den 1990er-Jahren die Wende in die Marktwirtschaft geschafft, da werden wir auch die jetzige Situation meistern“, sagt der 28-Jährige. Gern würde er bei Schilkin bis zur Rente arbeiten.
Hintergrund: Berliner Familienunternehmen
Die Schilkin GmbH & Co. KG Berlin wird von Schilkins Schwiegersohn Peter Mier und dessen Sohn Patrick Mier geführt. Das Unternehmen beschäftigt auf dem Gelände des einstigen Gutshofes in Alt-Kaulsdorf aktuell 44 Mitarbeiter.
Dieser Artikel wurde uns zur Verfügung gestellt von bezirksjournal.de