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Schilkin plant mit "Berliner Luft" den Siegeszug

"Berliner Luft" soll ein Zugpferd im überarbeiteten Sortiment des Spirituosenherstellers werden.
"Berliner Luft" soll ein Zugpferd im überarbeiteten Sortiment des Spirituosenherstellers werden. Zur Foto-Galerie
Kaulsdorf - Der Berliner Spirituosenhersteller Schilkin ordnet sein Geschäft neu. Um das Unternehmen in Kaulsdorf wieder auf Kurs zu bringen, wird das Sortiment umgekrempelt. Der Fokus liegt auf Regionalität.

Es ist so ein bisschen wie bei einem Heißluftballon. Je mehr Ballast an Bord ist, umso eher droht der Absturz. Beim Spirituosenhersteller Schilkin hat man offenbar in letzter Minute erkannt, dass mehr als 80 verschiedene Produkte im Sortiment zu viel Ballast sind. Also trennt sich das Familienunternehmen mit Sitz in Kaulsdorf von einer Reihe seiner Artikel und wirft sie bildlich gesehen über Bord. Künftig wird sich Schilkin ganz auf seine regionalen Berliner Liköre und Schnäpse konzentrieren. Ziel ist es, das in eine wirtschaftliche Schieflage geratene Unternehmen wieder auf die richtige Bahn zu bringen. Erste Erfolge sind inzwischen sichtbar.

Im Sommer hatten die beiden Geschäftsführer des Unternehmens, Peter Mier und sein Sohn Patrick, das Amtsgericht Charlottenburg eingeschaltet. Seit September befindet sich Schilkin in einem sogenannten Planinsolvenzverfahren in Eigenverwaltung unter der Aufsicht eines Sachwalters. „Das bedeutet nicht, dass wir zahlungsunfähig sind“, betont Vertriebsleiter und Prokurist Hans-Jörg Ullrich. Am Standort auf dem Gutshof Kaulsdorf wird weiter produziert und an den Handel geliefert.

Sanierungskonzept unter Aufsicht erstellt

Schilkin Fruchtliköre
Allerdings zeichnete sich im Sommer ab, dass man wie bisher nicht weitermachen kann. Spätestens zum Ende des Jahres hätte das einst von Sergei Schilkin (1915-2007) gegründete Unternehmen rote Zahlen geschrieben. Um diese Pleite abzuwenden, holten sich Schilkins Schwiegersohn und dessen Enkel Hilfe. Unter strenger Auflage des Gerichts wurde ein Sanierungskonzept erarbeitet. Von Anfang an sei man mit der schwierigen Situation transparent umgegangen, sagt Hans-Jörg Ullrich. In dieser Phase hätte auch der Handel bestehende Verträge leicht kündigen können. „Wir wurden aber nicht ausgelistet, da wir ja weiter liefern konnten.“ Ein Planinsolvenzverfahren bedeute schließlich nicht automatisch die Pleite eines Unternehmens. Bis heute konnten die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft erhalten bleiben. Für das kommende Jahr könnten sogar zusätzliche Mitarbeiter ins Boot geholt werden, etwa für das dringend notwendige Marketing.

Die wichtigste Entscheidung ist erst einige Wochen alt: Schilkin produziert nicht mehr im Auftrag von Supermarktketten deren Eigenmarken, die dann zu Discountpreisen verkauft werden. Während nämlich die Rohstoffpreise und die Energiekosten stiegen, blieben die Margen der Auftraggeber gleich. Das hätte sich auf Dauer nicht mehr gerechnet, Schilkin verdiente mit diesem Massengeschäft kein Geld mehr. Also konzentrieren sich die Mitarbeiter von Schilkin auf die Traditionsmarken des Unternehmens.

Das Sortiment wurde zunächst einmal ordentlich abgespeckt, 36 der 86 Artikel aus dem Programm genommen. Darunter waren Boonekamp, verschiedene Goldbrände und Wodka. „Was wir jahrelang versäumt haben, holen wir jetzt nach: Wir trennen uns von den nicht mehr nachgefragten Produkten“, sagt Vertriebsleiter Ullrich selbstkritisch. Dabei bleibt es aber nicht: Auf der Grünen Woche 2015 will Schilkin sein Flaggschiff „Berliner Luft“ mit neuen Sorten präsentieren. Für die männlichen Kunden gibt es den Pfefferminzlikör in einer 40-prozentigen Version. Naschkatzen werden sich auf „Berliner Luft“ mit Schokosahne-Zusatz freuen. „Der Konsument entscheidet am Regal“, sagt Ullrich und hofft, neue Marktanteile zu sichern.

Profitieren vom Berlin-Hype

Regional und traditionell will Schilkin künftig stärker betonen. Derzeit finden die überarbeiteten Produkte des Spirituosenherstellers zunehmend Absatz in Westdeutschland. Schilkin setzt auf den Berlin-Hype, denn die Hauptstadt ist derzeit schwer gefragt in den anderen Bundesländern. Den Likör „Berliner Luft“ gibt es als Mitbringsel für Touristen unter anderem an Bahnhöfen zu kaufen. Die Flaschen haben die Form des Fernsehturms oder des Brandenburger Tores. Selbst die Japaner und Koreaner interessieren sich aktuell für die Kaulsdorfer Schnäpse, deren Rezepte bis in die 1950er-Jahre zurückreichen.

Vom Massengeschäft hat sich Schilkin verabschiedet. „Wir haben einfach keine Chance gegen die Riesen“, sagt Hans-Jörg Ullrich. „Schilkin muss seine Nische finden, und das ist die Regionalität.“ Die Produktpalette wird mehr auf Berlin getrimmt, hinzu kommen neue Fanartikel in Form von Tabletts oder Gläsern. Immerhin konnte der Umsatz von Schilkin im Gegensatz zur Gesamtbranche um 20 Prozent gesteigert werden. Der harte Sanierungskurs des Unternehmens trägt erste Früchte. Ende November hat auch das Insolvenzgericht dem entsprechenden Plan zugestimmt.

„Wir sind optimistisch, dass es mit Schilkin weitergeht“, sagt Stephan Schilling, der Leiter der Abfüllung. Fast sein gesamtes Arbeitsleben hat er bislang bei Schilkin verbracht. Nach seiner Ausbildung bei dem Spirituosenhersteller zog es ihn zunächst in andere Unternehmen, 2008 bewarb er sich auf seine jetzige Stelle. „Meine Kollegen haben in den 1990er-Jahren die Wende in die Marktwirtschaft geschafft, da werden wir auch die jetzige Situation meistern“, sagt der 28-Jährige. Gern würde er bei Schilkin bis zur Rente arbeiten.

Hintergrund: Berliner Familienunternehmen

Die Geschichte von Schilkin geht zurück auf dessen Gründer Sergei Apollonowitsch Schilkin. Bereits dessen Vater produzierte in St. Petersburg (Russland) Spirituosen. 1921 emigrierte die Familie nach Berlin. Sergei Schilkin baute 1945 die väterliche Schnapsfabrik in Kaulsdorf wieder auf. 1971 wurde Schilkin jedoch verstaatlicht. Schilkin blieb Produktionsleiter. Erst 1990 – im Alter von 75 Jahren – erhielten die Schilkins ihr Eigentum zurück. 2007 starb er. Sein Grab befindet sich in Kaulsdorf.

Die Schilkin GmbH & Co. KG Berlin wird von Schilkins Schwiegersohn Peter Mier und dessen Sohn Patrick Mier geführt. Das Unternehmen beschäftigt auf dem Gelände des einstigen Gutshofes in Alt-Kaulsdorf aktuell 44 Mitarbeiter.

Dieser Artikel wurde uns zur Verfügung gestellt von bezirksjournal.de

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Quelle: Bezirks-Journal

Schilkin GmbH & Co. KG Berlin, Alt-Kaulsdorf 1-11, 12621 Berlin

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