Ich wage zu behaupten, dass ich zu den Berlinern gehöre, die den Grunewald zu ihren engsten Vertrauten zählen. Seit zwei Jahren bin ich dank unseres Hundes täglich in dem 3.200 Hektar großen, innerstädtischen Waldgebiet unterwegs, das sich vom Strandbad Wannsee im Süden bis fast zur Heerstraße erstreckt. Ob im westlichen Teil längs der Havel, an seinen schönen Seen im Osten, im Trubel rund um den Teufelsberg oder mittendrin in der Kiesgrube, am „Selbstmörderfriedhof“ oder auf der riesigen Lichtung am Teltower Weg – es gibt gefühlt kaum einen Pfad, den ich noch nicht durch den Grunewald geschlendert, gestapft oder geschlittert bin.
Die Gesichter des Waldes
Unsere lange und eingehende Beziehung schafft natürlich eine ziemliche Vertrautheit. Ich kenne den Grunewald, wenn er morgens noch verschlafen, von Nebelschwaden bedeckt daliegt und Wildschweine, Rehe, Kraniche und Schwäne die einzigen sind, die seine Ruhe genießen. Ich kenne den Grunewald, wenn er wie ein aufgekratzes Kind an einem sonnigen Samstagnachmittag voller Geräusche und Schabernack steckt. Ich kenne ihn dort, wo er sich von seiner menschenfreundlichsten Seite zeigt – etwa am Chalet Suisse, rund um den Grunewaldturm oder am Naturschutzzentrum Ökowerk – und ich kenne ihn an Orten, an die gefühlt seit Jahren kein Mensch mehr seinen Fuß gesetzt hat.
Ich bin ein Landei, in mir ruft die Erfahrung von Natur nicht zwangsläufig romantisch-euphorische Gefühle hervor. Und doch verzaubert mich der Grunewald jeden Tag aufs Neue. Wie das Licht durch seine Bäume fällt, wie unbekannte Vögelchen vor einem auffliegen, wie intensiv sich der Lauf der Jahreszeiten hier widerspiegelt – all das macht den Grunewald vielleicht nicht einmalig. Aber doch einmalig schön, wenn man zehn Minuten zuvor noch an seinem Computerbildschirm oberhalb der lauten Bundesallee gesessen hat.
Hach Grunewald, ick liebe dir!