Auf dem ehemaligen Tacheles-Gelände zwischen Friedrichstraße und Oranienburger Straße klafft im Herzen Berlins eine der letzten Wunden des zweiten Weltkrieges und der deutschen Teilung. Seit Ende September 2014 gehört die Fläche der internationalen Fondsgesellschaft Perella Weinberg Real Estate (PWRE). Sie versprach, das Brachland zu bebauen und in der alten Kaufhausruine eine Stätte der kulturellen Nutzung zu schaffen. Doch das von den einstigen Besetzern vor fast drei Jahren verlassene Areal befindet sich immer noch im Dornröschenschlaf. So scheint es.
Nach Informationen des Tagesspiegels arbeitet inzwischen das international renommierte Baseler Architektenbüro Herzog & de Meuron an Entwürfen für das Areal. Bisher lägen Vorentwürfe „im Sinne einer stadträumlichen Studie“ vor, hieß es aus der Berliner Verwaltung.
Vorhandene Hoffassade soll bleiben
Diese Überlegungen kollidieren teilweise mit dem geltenden Bebauungsplan. Darauf weist das dafür zuständige Stadtplanungsamt im Bezirksamt Mitte hin. Zurzeit würden mit den Beteiligten Alternativen entwickelt. Man habe auch über Kompromisse gesprochen. „Wichtig ist“, so der Bezirk, „dass das Tacheles in seiner derzeit vorhandenen rohen Hoffassade erlebbar bleibt.“ Es ist unklar, ob es Befreiungen vom Bebauungsplan geben könnte, um das Vorhaben voranzubringen. Dafür sei es noch zu früh, hieß es auf Anfrage: Es liegen noch keine baurechtlichen Anträge vor.
Das Ensemble am Oranienburger Tor hat mit seinem morbiden Charme weiterhin große Anziehungskraft. In Scharen ziehen Berlin-Besucher die Oranienburger Straße entlang. Von einem Parkplatz aus kann man über den Zaun auf die verwaiste Fläche und die Rückseite der Ruine schauen. „So hat es in Berlin nach dem Krieg überall ausgesehen“, erklären Stadtführer gerne Gruppen von Jugendlichen. Es ist eine unwirkliche Szenerie.
„Das Gebäude aus dem Dornröschenschlaf holen“
Das Gelände wurde unterdessen durch einen Metallgitterzaun gesichert und abgeriegelt. Plastikfolien sollen neugierige Blicke fernhalten. Dort, wo einst die Tacheles-Fans zwischen Metallskulpturen, einem abgewrackten Düsenjäger und provisorischen Hütten mit Gästen aus aller Welt Grillfeste und Partys feierten, ist es still geworden wie auf einem Friedhof. Noch stehen ein alter Bagger und zwei Wohnwagen auf ausgedörrtem Boden; leere Bierflaschen künden von feuchtfröhlichen Zeiten im Sand.
Wie PWRE bekannt gab, sollen auf der Fläche Wohnungen, Geschäfte, Hotels und Büros Platz finden. Das einstige legendäre Kunsthaus – mit Kino, Café, Eisenskulpturen, Ateliers und Ausstellungsfläche – soll weiterhin kulturell genutzt werden. So sieht es auch der gültige Bebauungsplan I-41 vor. Danach ist auf dem Areal – ohne die bestehenden Gebäude – eine Gesamtgeschossfläche von 91.500 Quadratmetern zulässig, davon 83.000 Quadratmeter oberirdisch und 8500 Quadratmeter für Tiefgaragen. 1800 Quadratmeter sind für eine gärtnerische Nutzung reserviert, weitere 3000 Quadratmeter für Gründächer vorgesehen.
Am Bebauungsplan I-41 haben sich mit Duany Plater-Zyberk (DPZ) aus Miami schon einmal renommierte Architekten versucht. Sie legten 2000 einen Masterplan für das „Johannisviertel“ im Stile des „New Urbanism“ vor, der stark an New Yorker Vorbilder erinnerte. Die Entwürfe blieben damals aber in der Schublade. Und auch nach dem Eigentümerwechsel hatte „Klein Amerika“ keine Chance auf Realisierung. Duane Phillips, in Berlin ansässiger Sprecher von DPZ Europe, sagte dazu: „Wir haben versucht, einen Kontakt zu Perella Weinberg herzustellen, haben aber keine Antwort bekommen.“