Berlin ist ein europäisches Zentrum des “Self-Employments“. Die Attraktivität der deutschen Hauptstadt hat in den letzten Jahren zahlreiche Entrepreneure der Kreativ-Branche an die Spree gelockt und unzählige Start-ups aus dem Boden schießen lassen, kleine Projekte, die sich vor allem in den Szene-Bezirken der City angesiedelt haben. Da dort die Mieten jedoch seit geraumer Zeit steigen und Existenzgründungen erschweren, wird für die Jungunternehmer nun auch die Peripherie interessant. Der Stadtplaner und frühere Präsident des Bundesamtes für Bauwesen Florian Mausbach sowie die PROPOS Projektentwicklung GmbH haben am gestrigen 16. September ein Projekt vorgestellt, das auf dem ehemaligen Siemens-Gelände Gartenfeld in Spandau entstehen soll. Es ist die Vision eines neuen Stadtquartiers, in dem Jungunternehmer nicht nur arbeiten, sondern auch wohnen können.
Die “Inselstadt Gartenfeld“ soll zu einem Refugium für Kreative werden, die vor allem zwei Dinge benötigen: niedrige Mieten und genügend Platz. Das Areal des ehemaligen Siemens Kabelwerks sei dafür vortrefflich geeignet, so Mausbach, da man hier nicht nur ausreichend Baugrund vorfinde, sondern ebenfalls komplett erhaltene und funktionsfähige Einrichtungen wie Tonstudios oder Akustikräume. Diese könnten vor allem für die Musikindustrie von Interesse sein. Mit dem neuen Eigentümer des Geländes, der Jula GmbH, hat man sich auf einen Startpreis von 1 Euro pro Quadratmeter geeinigt, das Risiko wird geteilt. Man wolle gemeinsam wachsen, sagt Mausbach, „und dann schauen, ob es funktioniert“.
Eines der langfristigen Ziele des ehrgeizigen Projekts besteht aus einer Zusammenführung von Old- und New-Economy. Für Mausbach ist es entscheidend, den vorhandenen Raum klug zu nutzen und eine Verbindung von traditionellem und digital-kreativem Gewerbe herzustellen. Man wolle keinesfalls die bereits auf dem Gelände ansässigen Branchen vertreiben, sondern eine “Hand-in-Hand-Wirtschaft“ aufbauen.
Leben und arbeiten in Naturnähe
Die Inselstadt, die vom Hohenzollernkanal und dem Alten Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal eingefasst wird, soll jedoch kein reiner Industriestandort bleiben. Der vorläufige Bebauungsplan sieht eine Gliederung des Geländes in zwei Bereiche vor. Während im Süden ausschließlich Gewerbe angesiedelt werden soll, möchte man im Nordteil eine „neue Berliner Mischung“ aus Wohngebieten, Kultur, Gewerbe und Bildung schaffen und somit eine räumliche Nähe von Arbeit, Wohnen und Freizeit realisieren. Mausbach hat sogar komplette Umstrukturierungen bereits vorhandener Gebäude im Visier: „Das denkmalgeschützte Heizkraftwerk ließe sich ideal als Kita und das große Verwaltungsgebäude als Schule nutzen.“ Außerdem sollen auf der Nordbrache 1142 Wohnungen für rund 2800 Menschen entstehen: Singles, Paare und Familien. Mit dem Hohenzollernkanal und dem nah gelegenen Tegeler Forst befindet sich ein Naherholungsgebiet direkt vor der Tür.
Einen festen Zeitpunkt für die Fertigstellung des gesamten Projekts gibt es nicht. „Wir sind auch abhängig von der Schließung des Flughafens Tegel“, sagt Jens Schönewetter, Geschäftsführer der IFM Inselstadt Facility Management GmbH, die das Gelände verwaltet. Obwohl schon über zwei Millionen Euro in Infrastrukturmaßnahmen geflossen sind, steht vor allem ein Problem im Raum: Eine fehlende S- oder U-Bahn-Anbindung. Gemeinsam mit den Betreibern des geplanten Tegel-Nachfolgeprojekts „Urban Tech Republic“ möchte man sich beim Senat für eine Angliederung des Standorts an die U-Bahn-Linie 7 oder den S-Bahn-Ring stark machen.