West-Berlin als Antithese

Diese Jungs machen mit ihrem Startup eine wichtige Sache anders

Alle an einem Tisch. Das Team von Mediaspot bei der Kaffeepause.
Alle an einem Tisch. Das Team von Mediaspot bei der Kaffeepause.
Die Kreativwirtschaft boomt schon lange in Kreuzberg und Mitte. Das Startup Mediaspot bevorzugt den Bayerischen Platz. Und hat eine interessante Idee für die Zukunft des Lesens.

In den Cafés hier sitzen selten Endzwanziger mit Baseball-Mützen und Vollbärten, kein Rennrad rast an einem vorbei, an keinem der Läden steht „Popup“. Der Bayerische Platz scheint bisher seltsam unberührt von der digitalen Bohéme, die in den letzten Jahren erst Mitte und dann Neukölln überrollt hat.

Das Berliner Startup Mediaspot ist gerade deshalb an den hierher gezogen. Zwischen den alteingesessenen Läden wirkt das Büro mit seinen weißen Wänden und dem Tischkicker im Besprechungsraum wie ein Fremdkörper. „Die Leute sind überrascht, wenn sie hören, dass ein Startup mal nicht in Mitte ist“, sagt Tiemo Bayer, 40 Jahre alt, Jeans und Lederschuhe an den Beinen. Das sei aber gerade die Idee dahinter – Westberlin als Alleinstellungsmerkmal. Er nimmt noch eine Gabel von seinem Kuchen und erklärt das dann genauer: Während man in Mitte zwischen der Masse an Agenturen und Startups geradezu versinke, sei man hier etwas Besonderes. „Das ist als Antithese gedacht“, sagt Bayer. Man könne in den hippen Bezirken ja immer noch abends ausgehen. Aber Arbeiten? „Das geht dank des Internets doch von überall gleich gut“, meint der geborene Berliner. Er habe es nicht nötig, bei dem Hype mitzumachen.

„Außerdem ist die Gegend ein super Testbereich für unsere Idee“, fügt jetzt Adrian Podschus hinzu, einer der sieben Mitstreiter von Bayer. Diese Idee, also Mediaspot, ist so einfach wie einleuchtend – zumindest wenn Bayer und Podschus für sie werben: Wo Menschen lange sitzen, dort haben sie Zeit zu lesen. In Arztpraxen oder Friseurläden zum Beispiel, aber auch in Cafés und Strandbars

Lesezirkel auf Abruf

An vielen dieser Orte liegen schon seit Langem Zeitschriften aus. Wenn man Glück hat, sind sie aktuell, meist eher abgegriffen und nicht unbedingt diejenigen, die man gerade am Liebsten lesen würde. Die acht Berliner Jungs sehen das als Marktlücke. Warum gedruckte, veraltete Zeitschriften ausliegen haben, wenn fast alle Smartphones oder iPads bei sich tragen? Über Mediaspot können Zeitungen, Magazine oder Bücher am eigenen Bildschirm gelesen werden, solange man sich an einem bestimmten Ort befindet.

Eine weitere App also, die beständig meinen Standort wissen will? Nein, das funktioniere anders, erklärt Mario Sarich. Der 30-Jährige hat ursprünglich Mathe studiert. Bei Mediaspot kümmert er sich um die technische Entwicklung. In der Hand hält er ein kleines rundes Plastikgehäuse: „Das hier wird irgendwo in dem entsprechenden Raum festgeklebt. Über Bluetooth sendet es ein Signal.“ Dieses Signal bestätigt dem Smartphone, dass man sich an jenem Ort befindet, an dem kostenlos gelesen werden darf. Weil alle Inhalte zentral online gespeichert werden, müssen sich die Verlage keine Sorgen machen, dass ihre Inhalte illegal weiterverbreitet werden.

Auf den Schultern von Literaten

In Berlin hat Mediaspot schon ein paar Interessenten gefunden. Die Meyerbeer-Cafés zum Beispiel und einige Filialen von Coffee Fellows. Aber auch Meinfernbus bietet nun in 100 Bussen den digitalen Schmökerservice an. Und natürlich das Café Haberland am Bayerischen Platz. „Das passt doch ganz gut, dass wir hier sind“, sagt Podschus“„hier haben über die Jahrzehnte hinweg viele Literaten gewohnt“. Deren Bücher lesen die Kunden des Café Haberlands vielleicht bald auf ihrem iPhone.


Quelle: Der Tagesspiegel

Buchladen Bayerischer Platz, Grunewaldstr. 59, 10825 Berlin-Schöneberg

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