Das ehemalige Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen ist eine Pflichtstation für viele Hauptstadt-Besucher und Klassenfahrten. Und auch wenn die Führungen aus eigener Erfahrung hier wirklich gut und eindrücklich sind, vermittelt die Besichtigung bei manch verkatertertem Schüler vielleicht nicht den ganzen Schrecken dieses Ortes, in dem Oppositionelle gefoltert und gebrochen wurden. Doch in Zukunft kannst du den Gefängnisaufenthalt mit den Augen eines Insassens selbst erleben! Im Eingangsbereich der Gedenkstätte wird Geschichte mit modernster Virtual Reality(VR)-Technik auf ganz neue Art und Weise erfahrbar. Mit der VR-Brille auf dem Kopf siehst und hörst du nicht nur die Geschichte eines gerade frisch eingewiesenen Häftlings, du bist der Gefangene selbst und wirst von der Stasi verhört, erpresst und in eine Zelle gesteckt.
Es ist eine bedrückende Situation, in die man sich als Besucher auf einmal hineinversetzt fühlt: Finstere Offiziere in original Stasi-Uniformen, psychischer Druck und echte DDR–Requisiten verfehlen ihre Wirkung nicht. „Bleiben Sie stehen, sitzen werden Sie noch lange genug“, spottet unter anderem Schauspieler Udo Schenk in seiner Rolle als hinterhältiger Stasi-Offizier bei der Einweisung. Im nächsten Moment beginnt er dich unvermittelt anzuschreien, während sein Kollege Verständnis für deine Situation zeigt: good cop, bad cop-Theater vom Feinsten. So intensiv ist die virtuelle Erfahrung, dass man sogar beginnt, den Befehlen seiner Wärter zu gehorchen: „Schritt nach rechts“, „Blick zur Wand!“ Sobald man sich umdrehen will, schreit dein Aufseher erneut: „Gesicht zur Wand, habe ich gesagt!“ – langsam wird das hier unheimlich.
Eine neue Dimension des Journalismus
Wichtige historische Orte mit Hilfe von Virtual Reality erlebbar zu machen, hebt Museumsbesuche auf ein ganz neues Level: Verlassene Orte aus Stein und Erinnerungen werden so zu lebendigen Geschichtslektionen. Das war auch die Absicht der beiden Macher, IntoVR-Autorin Christiane Wittenbecher und Kommunikationschef der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Michael Ginsburg. Sie schrieben das Drehbuch für den 360 Grad-Film „Was wollten Sie in Berlin“ gemeinsam und erhielten dafür den Deutschen Reporterpreis. Der VR-Film ist nach den Vernehmungsprotokollen des DDR-Oppositionellen Jürgen Fuchs gedreht, Zeitzeugen-Interviews und Archiv-Material halfen außerdem beim Schreiben des Drehbuchs.
Von einer „neuen Dimension des Journalismus“ sprach da ZDF-Moderator Claus Kleber und Journalist Richard Gutjahr riet dem Publikum, sich diese Reportage auf jeden Fall anzusehen. Mit dem neuen VR-Feature soll übrigens künftig bei Hochbetrieb die Wartezeit bis zur Führung verkürzt werden. Wahrscheinlich wird die Warteschlange dann stattdessen vor den VR-Brillen stehen – denn diese Erfahrung sollte sich niemand entgehen lassen.
Ein genaues Datum für den Einsatz der VR-Brillen ist noch nicht klar, ist aber für den Februar geplant. Wir halten dich natürlich auf dem Laufenden. Hier hast du schon mal einen kurzen Vorgeschmack auf den Film, aber am besten nicht gleich alles vorher schon angucken!