Bei so vielen Preisen ist es eigentlich kaum ein Wunder, dass nun ein weiterer dazukommt. Als „kontrastreich, spannend, wild“ bezeichnet die Jury der Berliner Meisterköche 2019 Björn Swansons Küche, mit der er sich in nur zwei Jahren an die Berliner Spitze gekocht hat. Wir wollen wissen, wie er das gemacht hat…
QIEZ: Wie wird man eigentlich Sternekoch?
Björn Swanson: „Man braucht eine Vision. Ich will mit dem Golvet weg von dem herkömmlichen Gourmet-Restaurant mit weiß eingedeckten Tischen, in dem man alle zwei Minuten vom Kellner mit einer Wasserflasche genervt wird. Wir sind mit 90 Sitzplätzen an den Start gegangen, statt mit den 20 oder 30 Plätzen wie in Edel-Restaurants üblich. Dazu kommt die schwierige Logistik in Form einer offenen Küche – da kann man sich nicht verstecken und schreien, wenn etwas schief geht. Die Abläufe müssen perfekt ineinander greifen, aber für den Gast verborgen und harmonisch ablaufen. Und diese große Herausforderung ist uns mit Bravour gelungen.“
QIEZ: Sind dir solche Auszeichnungen wie der Michelin-Stern selbst wichtig?
B.S.: „Das Ego ist schon groß, man muss ehrlich sein. Natürlich sind mir Auszeichnungen wichtig. Ich meine, wer freut sich nicht über einen Preis – egal wie cool man tut. Es war ja mein erklärtes Ziel, einen Stern zu gewinnen. Ich habe eine hohe Messlatte an mich und meine Angestellten. Wenn man die nicht hätte, wäre man auch in der falschen Branche, da hätte ich auch eine Pizzeria aufmachen können.“
QIEZ: Wofür steht das Golvet dann?
B.S.: „Wir sind kein typisches Gourmet-Restaurant, in dem nur 70-Jährige ihren Geburtstag feiern. Stattdessen sprechen wir eine neue Art Gast an, der keine Lust mehr hat auf Anzug oder Business Look. Bei uns ist alles ganz entspannt, man kann auch abends auf einen Käseteller und ein Glas Wein vorbeikommen. Wir sind für alle da und kein steifes Sterne-Restaurant, das dem Gast ein gewisses Menü aufzwingt.“
QIEZ: Wie würdest du deine Küche beschreiben?
B.S.: „Ich will einfach lecker kochen und mich dabei keinen Dogmen unterwerfen. Natürlich spielen meine amerikanische Herkunft aber auch meine Berliner Wurzeln eine große Rolle. Generell versuchen wir so nachhaltig und regional wie möglich zu arbeiten.“
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QIEZ: Das heißt, ihr serviert nur Gerichte mit Zutaten aus Berlin und Umgebung?
B.S.: „Ich steh nicht früh morgens auf, um Karotten auszubuddeln und mein Schwein zu schlachten. Es wäre gelogen zu sagen, dass wir nur regional kochen, das wäre in unserer Größenordnung nur mit Erzeugnissen aus Brandenburg gar nicht möglich. Ich würde aber nie ein Reh aus Neuseeland bestellen. Ich würde sagen, dass 100% der Lebensmittel, die wir verwenden aus Europa kommen. Das gilt im übrigen auch für unsere Weinkarte“
QIEZ: Und was meinst du mit nachhaltig?
B.S.: „Gewisse Produkte kommen bei uns einfach nicht auf die Karte. Sei es Stopfleber, Kabeljau, Thunfisch oder Aal. Das hat einzig und allein ethische Gründe für uns.“
QIEZ: Woher kommt der schwedische Name Golvet, der auf Deutsch Erde bedeutet?
B.S.: „Es denkt ja jeder, dass ich Schwede bin aufgrund meines Namens. Dabei kann ich kein Wort Schwedisch. Ich kam eines Nachts beim Grübeln auf die Idee bei Google-Translator verschiedene Namen auszuprobieren. Das Resultat war am Ende das Golvet – wobei ich jedoch dachte, es würde ‚die Etage‘ heißen. Jetzt haben wir den Salat es heißt – ‚der Boden‘. Da war es aber schon zu spät und da wir im besten Sinne bodenständig kochen – passt es ja auch wieder.“
QIEZ: Bodenständig und Fine Dining – wie passt das zusammen?
B.S.: „Mit einem Augenzwinkern vielleicht, aber ich finde schon, dass wir bodenständig kochen – ohne Schickimicki. Zwar kreativ, aber nicht nur mit Schaum, Espuma und Sorbet.“
QIEZ: Welche Gerichte würden bei dir zu Hause auf dem Menü stehen?
B.S.: „Die amerikanischen Wurzeln lassen sich halt nicht verleugnen. Zu Hause wird viel gegrillt – auch bei schlechtem Wetter. Ansonsten mag ich Soul Food, also die einfachen Dinge, die ehrlich gekocht sind und Spaß machen. Gutes Fleisch, frisches Gemüse und Salat, aber auch Pasta geht immer. Generell brauche ich aber kein 8-Gänge-Menü an meinen freien Tagen zu Hause.“
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QIEZ: Hast du einen Signature Dish?
B.S.: „Wir hatten lange Zeit die in Salz gebackene Kartoffel mit Frankfurter Grüne Soße und einem Stück mariniertem Gelbflossenmakrelen-Filet. Ansonsten lieben viele Gäste unsere karamellisierte Butter. Ich fühle mich aber noch nicht so alt, um nur noch Signature Dishes und Klassiker zu kochen. Wir wechseln ungefähr vier Mal im Jahr die Karte und eigentlich ist immer das aktuelle Gericht das Lieblingsgericht.“
QIEZ: Gibt es wen, von dem du dich mal bekochen lassen willst?
B.S.: „Von meiner Frau. Sie hat aber einen Koch geheiratet und hat das Motto: Wer sich nicht wehrt, landet am Herd. Das hängt auch an unserem Kühlschrank als Postkarte.“
QIEZ: Warum wurdest du Koch?
B.S.: „Ich war in der Schule ein Versager, weil ich nur Scheiße gebaut habe. Mit 16 Jahren habe ich die Schule nach dem Hauptschulabschluss abgebrochen und bin nach Amerika gegangen. Dort habe ich dann zwei Jahre bei meiner Familie gelebt. Als ich zurück nach Deutschland kam, gab es nicht wirklich viele Alternativen daher ging ich in die Lehre zum Koch. Konnte ja keiner ahnen, dass es so gut laufen würde.“
QIEZ: Und dann?
B.S.: „Zurück in Deutschland dann fragte ich mich, was ich jetzt noch mit deinem Leben machen kann. Größenwahnsinnig wie ich bin, dachte ich mir: ‚Was kann ich machen, um möglichst viel Geld zu verdienen und selbstständig zu sein?‘ Da musste ich mich zwischen Pornodarsteller und Gastronomie entscheiden und habe das Kochen gewählt.“ (lacht)
QIEZ: Wenn du mal nicht selber kochen willst: Wo gehst du gerne Essen?
B.S.: „Dafür habe ich wenig Zeit, da ich zwar in Steglitz aufgewachsen bin, aber jetzt mit der Familie im Havelland wohne. Aber ich gehe gern mit Freunden ins Chicago Williams in der Hannoverschen Straße. Da ist es locker, ungezwungen und es gibt eine nette Atmosphäre mit Sandwiches und amerikanischen BBQ-Klassikern.“