Sogar der weitgereiste Jim Avignon, der nach einer Einladung des Goethe-Institutes in Mexiko im Februar und März durch Mittelamerika reiste, zeigte sich von der Vielfalt der bereisten Länder überrascht: „Ich hab’ das empfunden wie ein Computerspiel. Alle paar Tage auf ein neues Spielfeld gestellt werden, arbeiten und gleichzeitig gucken, wie das Land tickt.“
Für den berühmten Streetart-Künstler besteht diese Arbeit natürlich aus dem Malen und gemeinsam mit seinem Freund, dem ehemaligen DJ und heutigen Kulturmanager Holger Beier, nahm er in Mexiko die Gelegenheit wahr, mit 70 verschiedenen Künstlern aus Ländern Süd- und Mittelamerikas zusammenzuarbeiten.
Die gemeinsam mit Streetartisten aus Trinidad, Guatemala oder auch Nicaragua entstandenen Werke werden nun in einer multimedialen Ausstellung im Haus Schwarzenberg präsentiert. Das letzte unsanierte Gebäude am Hackeschen Markt ist ein geeigneter Ort für die auf einer experimentellen und interkulturellen Reise entstandenen Werke, zu denen auch Videodokumente und Tagebucheinträge gehören.
Völkerverständigung mittels Streetart
„Aus meinem Kiez in deinen Kiez“ – so lasse sich der Titel der Ausstellung „De mi barrio a tu barrio“ laut Avignon am besten übersetzen. Grenzen zu überwinden und Künstler aus aller Welt miteinander zu verbinden, das sei der zentrale Gedanke hinter der Reise nach Mittelamerika und in die Karibik gewesen, so Avignon. Dieser Teil der Welt hätte dabei ganz besondere Herausforderungen an die beiden Kulturbotschafter gestellt: „Diese Region hat 150 Jahre bewegte Geschichte hinter sich, da gibt es untereinander sehr viel Misstrauen.“
Beier betont in diesem Zusammenhang die spezielle Bedeutung der Straßenkunst. In Honduras seien unmittelbar vor der Reise einige Streeartisten erschossen worden. „In vielen Ländern ist es undenkbar, einfach eine Wand im Zentrum der Stadt anzumalen“, so Beier. Und trotz des zu einem großen Teil offiziellen Charakters ihrer Reise, habe es immer wieder unvorhergesehene Komplikationen gegeben: In Jamaika wurden Wände kurzfristig für unzugänglich erklärt, in der Dominikanischen Republik gab es nicht genug Farbe und in Guatemala wurde eine feministische Künstlerin mit Steinen beworfen.
In Costa Rica sorgte die Aktion für einen noch größeren Eklat. Ausgerechnet auf die für ein riesiges Graffiti freigegebene Wand am Parlamentsgebäude sprühte der einheimische Künstler Fralem die Affen-Karikatur eines bekannten Politikers – und das auch noch rauchend, obwohl in dem Land seit kurzem ein Rauchverbot gilt. Die Aufregung unter Politikern, Medienvertretern und Costa-Ricanern war dementsprechend groß. „Das Motiv war der größte Treffer der Tour“, freuen sich Avignon und Beier. Daran konnte auch eine abschließende Verharmlosung des Bildes – der Affe hält nun nur noch einen Strohhalm – nichts ändern.
Diese und mehr Geschichten aus Lateinamerika kann man ab heute in der Galerie Neurotitan nachvollziehen. Die Ausstellung wird um 19 Uhr mit Buchpräsentation, Live-Painting und Party eröffnet und läuft bis zum 17. August.
Weitere Infos unter: www.neurotitan.de
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