Streit um Berliner Liegenschaftspolitik

Media-Spree: Geld oder Kultur?

Das ehemalige Bar 25-Gelände an der Spree sorgt weiter für Dissens in der Berliner Politik. Der neu gewählte SPD-Chef Stöß sympathisiert mit dem Konzept der Bietergemeinschaft um die Kater Holzig-Betreiber, das bezahlbaren Wohnraum und Kulturprojekte vorsieht. Teile der SPD- und CDU-Fraktion unterstützen ihn, während der Eigentümer, die BSR, lieber meistbietend verkaufen will.

Die Arena, in der symbolisch um die neue Berliner Liegenschaftspolitik gerungen wird, steht fest: Es ist die Brache in der Nähe des Ostbahnhofs, wo bis vor zwei Jahren die berühmte Bar 25 residierte – und die jetzt Teil des Neubau-Programms Media-Spree ist. Das mehr als 6000 Quadratmeter große Bauland soll verkauft werden. Zahlreiche Interessenten haben sich gemeldet, der Meistbietende soll zum Zug kommen. Das beabsichtigt zumindest der Eigentümer, die landeseigene Berliner Stadtreinigung (BSR). Doch das Vorgehen ist umstritten. Der neue SPD-Chef Jan Stöß sowie die im Abgeordnetenhaus für Stadtentwicklung zuständigen Fraktionssprecher von SPD und CDU plädieren für eine alternative Nutzung, die günstigen Wohnraum schafft und Platz für kulturelle Projekte lässt. Sie verweisen dabei auf den Koalitionsvertrag. Doch Leidtragende wäre die BSR, weil dieses Konzept von den Meistbietenden nicht vorgesehen ist.

„Dieses Grundstück ist nicht irgendein Ort, deshalb ist die anstehende Vergabe der richtige Anlass, mit der beschlossenen Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik zu beginnen“, sagt SPD-Chef Stöß. Einfach gesagt: Grundstücke im Besitz des Landes sollen nicht mehr zum Maximalpreis an einen beliebigen Investor gehen. Der Senat soll stattdessen das Nutzungskonzept der potenziellen Käufer berücksichtigen – speziell ob es den Bürgern zugutekommt, indem öffentliche Grünflächen angelegt werden, Kultur- oder Sozialeinrichtungen ihren Platz bekommen und neuer Wohnraum nicht nur für Spitzenverdiener entsteht. Mit einem solchen Konzept kann nur eine Bietergemeinschaft aufwarten: die früheren Betreiber der Bar25, die heute das Kater Holzig leiten.

Kommt die Grundstücks-Revolution?

Eine solche politische Neuausrichtung wäre eine kleine Revolution. Denn bisher beschränkte sich die neue Liegenschaftspolitik auf Ankündigungen. Dabei wollte Rot-Schwarz der Wohnungsknappheit und der Verdrängung von Sozial- und Kulturprojekten aus dem Zentrum den Kampf ansagen. Doch es gibt Widerstand. Vor zwei Jahren bat die SPD Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos; für SPD) darum, Vorschläge für entsprechende Vergabekriterien zu erarbeiten – „Konzepte sind es, die wir von der Finanzverwaltung erwarten“, drängt Ellen Haußdörfer, die sich in der SPD-Fraktion um Stadtentwicklung kümmert. Geändert hat sich bisher nichts: Der Senat offeriert weiterhin Grundstücke zu Höchstpreisen oder gemäß anderen nicht immer nachvollziehbaren Kriterien. Beim BSR-Areal an der Holzmarktstraße soll das nach Stöß‘ Willen anders sein. Das Land müsse „das beste Konzept für dieses Stück Spreeufer finden“, sagt der SPD-Chef.

Kommt es nun zur Kraftprobe mit dem Senat? Sicher ist nur, dass die BSR wirtschaftlich gesehen verpflichtet ist, das Areal an den Meistbietenden zu verkaufen, wie das Unternehmen verlauten lässt. Ansonsten müssten die BSR-Vorstände für den finanziell entstehenden Schaden haften. Denn es gibt viele Bewerber für das erstklassig gelegene Spreegrundstück – und diese bieten hohe zweistellige Millionenbeträge.

Finanzsenator und BSR im Schwarzer-Peter-Spiel

Wer in das laufende Bieterverfahren noch eingreifen möchte, muss dem BSR-Vorstand eine Weisung erteilen. Der Senat ist dazu in der Lage, er ist als Eigentümer des Betriebs im Aufsichtsrat vertreten. Doch der Chef des Gremiums ist Finanzsenator Ulrich Nußbaum, und der lässt durch seinen Sprecher ausrichten: Das Grundstücksgeschäft sei „operative Aufgabe des BSR-Vorstands“. Nußbaum hatte bereits Initiativen des Liegenschaftsfonds und der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Degewo ausgebremst, die Grundstücke für günstige oder alternative Wohnraumprojekte nutzen wollten.

„Es gilt, was im Koalitionsvertrag ausgehandelt wurde“, kontert Stöß. Auch die Richtlinien einer neuen Liegenschaftspolitik seien dort festgelegt. Darüber dürfe man nicht hinweggehen, auch bestehe ein „breiter Konsens innerhalb der SPD, den wir im Übrigen mit dem Koalitionspartner teilen“. Mitglieder der CDU-Fraktion, die beim Senat wegen der Sache nachfragte, äußern sich zustimmend. „Große Sympathie“ bestehe für eine kulturelle Nutzung, sagt der für Stadtentwicklung zuständige CDU-Sprecher Stefan Evers. Und der Doyen der Berliner Stadtentwicklung, Ex-Kultursenator Volker Hassemer, hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet: Das Vorhaben der „Holzmarkt“-Genossenschaft ist das Beste für diesen Ort. Die höchsten Einnahmen kämen Berlin hier teuer zu stehen.

 


Quelle: Der Tagesspiegel

Media-Spree: Geld oder Kultur?, Holzmarktstraße 32, 10243 Berlin

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