Taubenschlag am S-Bahnhof

Ein neues Zuhause für Schönebergs Täubchen

Schworck und Marquardt (v.l.) unterschreiben den "Regelkatalog" der Bahn AG, auf deren Gelände sich der umgebaute Bauwagen befindet.
Schworck und Marquardt (v.l.) unterschreiben den "Regelkatalog" der Bahn AG, auf deren Gelände sich der umgebaute Bauwagen befindet.
Werdauer Weg - Am 7. März wurde am S-Bahnhof Schöneberg ein zum Taubenschlag umgebauter Bauwagen von den ersten geflügelten Bewohnern bezogen.

Man glaubt gar nicht, wie viel Bürokratie hinter einem Taubenschlag stecken kann. Seit Monaten bereits laufen die Planungen für eine betreute Taubenstation am S-Bahnhof Schöneberg, doch erst jetzt konnte das Projekt dank einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Bezirk, Bahnkonzern und dem Avian Vogelschutz-Verein realisiert werden. Künftig sollen die Tiere in dem umgebauten Bauwagen nach Vorbild des sogenannten „Augsburger Modells“ sichere Schlafplätze finden und mit hochwertigem Futter und sauberem Wasser versorgt werden.

Das „Augsburger Modell“

Im Gegenzug tauschen die Pfleger die Gelege der brütenden Tiere gegen Kunsteier aus, um damit die wachsende Taubenpopulation rund um den S-Bahnhof Schöneberg einzudämmen. Nicht nur die Verschmutzung der Bahnanlagen hofft man damit deutlich zu verringern. Auch Vorfälle mit Personen, die auf die Gleisanlagen gefallene Jungtauben retten wollen und damit regelmäßig einen Betriebsstopp auslösen, sollen künftig der Vergangenheit angehören, hofft Bezirksstadtrat Oliver Schworck bei der Eröffnung des neuen Taubenschlags. Dass sich dank der Pflege- und Niststation auch der Gesundheitszustand der Vögel deutlich verbessert und deren Kot wieder „verträglicher“ wird, das beweisen in Berlin derzeit fünf Taubenschläge in Reinickendorf sowie jeweils eine weitere Anlage in Spandau und am Potsamer Platz.

Andere Bestrebungen, etwa Spikes oder Netze, mit denen die Tauben vom Nisten gerade im Bahnhofsbereich abgehalten werden sollen, erweisen sich dagegen häufig als wirkungslos oder sogar kontraproduktiv, betont Almut Malone vom Avian Vogelschutz-Verein. „Diese Vorrichtungen werden von den Tauben als Nisthilfe genutzt. Dabei können die Jungtauben gerade durch die Spikes schwere Spießverletzungen davontragen. Ein Aspekt, der tierschutzrechtlich nicht gerechtfertigt werden kann“, so Malone, die derzeit am S-Bahnhof Schöneberg mindestens 50 Brutpaare vermutet. Eine echte Kinderstube für Straßentauben also.

Die Locktauben sind schon eingezogen

Um die Vögel schneller an ihre neue Anlaufstelle zu gewöhnen, werden in den kommenden Wochen zahlreiche Tauben am S-Bahnhof eingefangen, beringt und in dem neuen Taubenschlag angefüttert. Außerden sollen einige „Locktauben“, die den Bauwagen am 7. März beziehen durften, den wilden Vögeln die Scheu vor dem umgebauten Bauwagen nehmen. Das dürfte nicht allzu schwer fallen: „Tauben sind nichts anderes als verwilderte Haustiere, die seit Jahrtausenden an das Zusammenleben mit dem Menschen gewöhnt sind und dessen Nähe suchen“, erklärt Malone.

Für die Pflege der Vögel sind künftig Arbeitssuchende zuständig, die vom gemeinnützigen Verein C.U.B.A. in ihre neue Tätigkeit als Taubensachverständige eingewiesen werden. Dessen Geschäftsführer Olaf Marquardt hofft auf eine langfristige Zukunft des Projektes und betont, wie viele Vorurteile noch abgebaut werden müssen: „Am Anfang stellt man mir im Jobcenter die Frage, ob ich tatsächlich Leute zum Taubentöten engagieren wolle.“

Im Gegenteil: Alle am Projekt Beteiligten scheinen vor allem um das Wohlergehen der Vögel besorgt. Einer der vom Jobcenter vermittelten Kräfte berichtet mir voller Stolz, dass er selbst einen Hund und zwei Vögel besitze und sich schon viel Wissen über seine künftigen Schützlinge angelesen habe. Schönebergs Tauben dürfen sich also freuen: Zwar gibt es künftig weniger Nachwuchs. Dafür endlich mal artgerechtes Futter und schöne, mit Stroh gepolsterte Schlafplätze statt kalter Betonsockel und unfreundlicher Blicke.

„Berlins Tauben werden häufig als ‚Ratten der Lüfte‘ beschimpft – womit man nicht nur den Vögeln sondern auch den Ratten Unrecht tut. Denn natürlich ist es auch in diesem Falle der Mensch, der für die Lebensbedingungen und den häufig schlechten Zustand der Tiere verantwortlich ist. Da scheint es nur gerechtfertigt, dass wie in diesem positiven Fall Geld in die Hand genommen wird, um sich für das einvernehmliche Zusammenleben von Mensch und Tier stark zu machen.“

Ein neues Zuhause für Schönebergs Täubchen, Werdauer Weg 8, 10829 Berlin

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