Durch den Kiez

Teesy: "Wenn ich singe, dann singe ich geil!"

Teesy zwinkert vor einer Wellblechwand mit Graffiti in die Kamera
Macht er nun Soul, Pop oder Rap? Auf jeden Fall macht Teesy, worauf er Lust hat. Auch wenn er nicht weiß, wo es hinführt. Uns navigiert er sicher durch Kaulsdorf. Zur Foto-Galerie
Er singt und rappt irgendwo zwischen Balladen und Auf-die-Zwölf, wurde von Cro gefeatured und hat gerade eine Weltneuheit in Sachen Musikvideos geschaffen. Auf unserer Tour durch seine Heimat erzählt Teesy von der Kindheit in Kaulsdorf und davon, wen er für seinen Fame bestechen musste.

Es klingt nicht cool, aber es muss raus: Teesy ist einfach der netteste Typ von nebenan, den wir bisher zum Spaziergang getroffen haben. Es ist aber auch echt schwer, dem Charme von diesem Toni zu widerstehen, wenn er einen mitnimmt in sein persönliches Nebenan – nach „K-Town“ aka Kaulsdorf, wo er aufgewachsen ist und immer noch ständig rumhängt. Unser Treffpunkt ist der Hof seiner Grundschule. Die Kids flitzen durch die große Pause und Toni Mudrack quatscht mit einer der wenigen anderen Erwachsenen auf dem Hof darüber, welche seiner Lehrer noch immer hier unterrichten, während er seinen Blick schweifen lässt. Er ist kein bisschen genervt, weil wir zwei Stunden vor ihm am Treffpunkt für unser Interview sind. Ein kurzer Anruf genügt: Missverständnis? Kein Ding. „Bin in zehn Minuten da.“ Man, ist der nett. In Jogginghose und Shirt steht der Kerl dann vor uns, der seine großen Erfolge bisher mit Anzug und Fliege gefeiert hat. Jetzt hat er sich von den schicken Klamotten getrennt, die er sich fürs erste Album Glücksrezepte zugelegt und die er auch auf der Tour zum zweiten, Wünschdirwas, getragen hat. Aktueller Look: blondierte Frise und Streetstyle.

Musterschüler? An der Franz-Carl-Achard-Grundschule hieß Teesy noch Toni Mudrack.

Wobei, diese Rechnung seiner Alben geht nicht auf. „Man denkt, ich hätte drei Alben geschrieben. Aber eigentlich hab ich schon 16 geschrieben. 600 Songs“, sagt Teesy selbst. Los ging es mit 15 – mit einem Headset, dem heimischen Computer und einer Stimme, die auf dem 30-minütigen Schulweg mit Hits von den Backstreet Boys und anderen Ikonen aus den 90er Jahren trainiert wurde. Die ersten 13 eigenen Songs brannte Toni direkt auf eine CD und brachte sie unter die Mitschüler. Der Start war holprig. Anfangs zahlte OG Toni, so Teesys erster selbstgewählter Spitzname, einem Mitschüler sogar 20 Cent, damit der ihm eine Scheibe abnahm. Doch weitere Songs und selbstgedrehte Videos sorgten nicht nur auf Jappy für Fame: Schon bald nahm der Kaulsdorfer 1000 Euro mit Junostorys ein, dem ersten gemeinsamen Album mit seinem Kumpel Yves alias Ceesy. Namensgebend für die Platte war die Juno Crew, als die Teesy und seine Kumpels damals zusammen abhingen und Mucke machten. Auftritte in Köpenicker Clubs wie dem ABC Club, der Sommerkind Bar oder dem Kino Union standen bald auf dem Plan. Kleiner Eindruck gefällig?

Was die coolen Kids in Kaulsdorf sonst mit ihrer Freizeit machten, passte auch schon ganz gut ins Musikerleben: am Pool liegen und chillen zum Beispiel. Ceesys Haus in Kaulsdorf beherbergt nämlich nicht nur den „legendären Friseur-Salon“ Da Capo, den Ceesys Mutter betreibt und der auch der einzige ist, der Teesy an die Haare darf. Im Garten gibt es auch einen Pool wie aus einer mallorquinischen Finca, an dem der ganze Freundeskreis damals mit Vorliebe abhing. Klingt nach einer entspannten Jugend auf dem Berliner Dorf. „In Kaulsdorf aufzuwachsen war voll gut. In den Straßen in der Nähe haben viele Kids gewohnt und wir haben Fußball gezockt, bis es dunkel wurde. Und alles, was man machen musste, hat man mit dem Fahrrad gemacht“, bestätigt Teesy.

Überhaupt spielt Fußball eine wichtige Rolle im Leben des 28-Jährigen. Und das nicht nur, weil die nächste Station nach seiner Grundschule die Flatow-Oberschule in Köpenick war – eine Eliteschule für den sportlichen Nachwuchs. Teesy trainierte sogar am Köpenicker Förderstützpunkt des DFB beim 1.FC Union Berlin mit. Über die Profis sagt er: „Union ist halt DER Verein in Berlin. Ich finde das immer wieder krass, dass hier mitten im Wald in Köpenick 20.000 Leute schreien.“ Trotzdem war der Traum vom Profifußball nach einer Saison gegessen: „Ich konnte mit dem Druck nicht umgehen“, gesteht der Musiker. Dabei muss er in seinem aktuellen Job sicher auch mit Druck von allen Seiten umgehen. Aber: „Meine Stimme kann ich besser kontrollieren als die Füße und den Ball“, erklärt der Mann, der sich musikalisch zwischen R’n’B, Soul und Rap bewegt. „Wenn ich singe, dann singe ich geil! Das weiß ich halt.“

Teesy und QIEZ Reporterin im Kaulsdorfer Einkaufsmarkt

„Hier gibt es von allem fünf Dinge. Das finde ich sympathisch und hier kommen Kindheitserinnerungen hoch." Der Supermarkt "Nah und gut" eines Bekannten taucht auch im Video "Jackpot" auf.

Teesys Pläne für den Nachwuchs

Es könnte aber trotzdem sein, dass Teesy noch mal ins Fußballbusiness wechselt. Nicht in Köpenick, sondern beim SG Stern Kaulsdorf. „Insgeheim will ich hier irgendwann einsteigen und den Verein aufmöbeln“, sagt er. Dass der gebürtige Berliner so richtig verliebt ist in den Platz, merkt man sofort. „Hier hängt halt mein Herz. Mein Opa hat hier gespielt, mein Papa hat hier gespielt und meine Kinder werden hier auch irgendwann spielen.“ Und natürlich hat er selbst hier viel Zeit verbracht – schon als Kind, mit einem Eistee und einer „Bocki“ in der Hand, die sein Opa ihm gekauft hat. Der saß damals im Vereinsbüro. Auf dem Album Tones widmet Teesy dem mittlerweile verstorbenen Familienmitglied einen Song. Einen, der mal nicht nur traurig ist, sondern der ausdrückt, wie geliebte Menschen in unseren Erinnerungen weiterleben.

Und so quatschen wir gleich neben dem Trainingsplatz am Kaulsdorfer See nicht nur über Kindheitserinnerungen wie Familien-Badeausflüge, Schlittschuhlaufen oder Eishockey auf dem sogenannten „Kauler“, sondern auch darüber, wie persönlich Teesys neue Platte ist. Darüber, wie es sich anfühlt, wenn plötzlich jeder weiß, dass man noch am Tod von Opa zu knabbern hat. „Es fühlt sich cool an, dass ich mich so geöffnet habe. Und ich bin stolz drauf. Das Album ist eine Reise mit mir selbst“, ist Teesys Antwort. Dafür bekommt er auch etwas: „Wenn man selber aufmacht, kann man die Leute noch viel mehr erreichen.“ Woher der Antrieb dafür kommt? Teesy nennt sich selbst einen Motivator: „Ich erzähle nur meine Geschichte und vielleicht kann jemand was damit machen. Warum soll ich erzählen, dass ich der Geilste bin? Wenn ich das erzähle, dann nicht zum Selbstzweck, sondern damit die, die das hören, auch denken, sie sind die geilsten.“ Mann, ist der nett.

Musiker Teesy und QIEZ-Redakteurin im Interview am Seeufer unter Laubbäumen auf einer Bank.

Teesy erzählt von Erinnerungen aus seiner Kindheit am Kaulsdorfer See.

Teesy rappt und singt auf dem Album aber nicht nur über die Familie, sondern zum Beispiel auch über Clubbing mit dem coolsten Kerl der Stadt namens Wesley. Dabei hatte der Musiker selbst mit dem Berghain und Co. lange nichts am Hut: „Ich war früher im Maxxim, Asphalt, 40 Seconds. In Otto-Normal-Clubs halt. Die ganzen krassen Clubs kannte ich damals noch gar nicht.“ Jetzt hängt er dagegen oft im 808 Club ab, in dem auch das Video zum Gute-Laune-Ohrwurm Wesley gedreht wurde.

Apropos Video. Nachdem es zum Release von Girls schon ein eigenes Handygame zum Downloaden gab, hat Teesy mit dem Video zu Likes direkt mal eine Weltneuheit rausgeballert: Es ist das erste Memoji-Musikvideo überhaupt. Der Berliner Musiker steppt also als Animoji – animiertes Emoji – durch das Filmchen, das aussieht wie er selbst. Dabei betrachtet der Song Social Media und Jagd nach Herzchen und Likes kritisch: „Ich chille nicht mehr mit der Family, ich mache Smart Business“, ist eine der Zeilen aus dem Song.

Doch die scheint in Teesys Fall nicht aus dem Leben gegriffen, so oft wie er heute von seiner Familie erzählt – von der Oma, die schon in Kaulsdorf gelebt hat, als man hier noch nicht „Teller an Teller“ im Garten gesessen hat und mit der der Enkel alle zwei Wochen chinesisch essen geht. Er erzählt auch von seinen Eltern, die total entspannt damit sind, dass er sein Vorhaben, Lehrer zu werden für das Musikerleben aufgegeben hat. Oder von seiner Tante, die seine Nachbarin ist – in der „zweiten Homebase der Familie“: Lichtenberg. Das erklärt auch seinen lokalen Kneipentipp: das Morgen wird besser, eine Mischung aus Bar und Kneipe nahe dem Bahnhof Lichtenberg. Abgesehen davon fährt Teesy für den Feierabenddrink aber auch mal vom Funkhaus Berlin, in dem er sein Studio hat, nach Mitte: ins Mein Haus am See oder in die Odessa Bar.

Wobei das Funkhaus an sich schon eine Menge bietet, um den Sänger, Rapper, Songschreiber, Produzenten und Sympathieträger glücklich zu machen: „Ich geh jeden Tag die Treppe hoch und denke mir: Wie krass ist das, dass man hier arbeiten kann!“ Zumal die Milchbar, die hauseigene Kantine, Teesy mit fantastischem Essen zu Mittag verwöhnt. Ob er außerdem Restauranttipps in seiner Hood für uns hat, fragen wir? Klar: die Rouladen im deutschen Restaurant S-Bahn am Kaulsdorfer Bahnhof, den Gasthof zum Oberfeld ein paar Straßen weiter, der auch gute deutsche Küche anbietet. Und in den Genuss einer kulinarischen Empfehlung kommen wir auch noch persönlich, als Teesy uns am Ende unseres Spaziergangs in eines seiner Lieblingslokale ausführt: Ayy Kebab.

Am Tresen von Ayy Kebab. Laut Teesy einer der besten Döner-Imbisse Berlins.

Nach einer kollektiven Runde Döner stimmen wir Teesy absolut zu in seiner Meinung, dass die Sauce fürs Fastfood hier besonders gut schmeckt. Und erfahren nebenbei noch, dass er zwar vom Rap bis zur Soul-Nummer alles perfekt performen kann, dass er aber nie professionell an seinen Skills gearbeitet hat. „Ich bin voll faul. Im Moment denke ich immer noch, es ist Magie, wenn man den perfekten Ton trifft. Aber ich weiß, man kann das trainieren. Mit meiner Stimme geht schon noch viel mehr.“ Wir dürfen also gespannt bleiben, was der Rand-Berliner uns in Zukunft serviert.

Wenn du Teesys Charme live erliegen möchtest, dann kannst du das am 15. Dezember 2018 in der Columbiahalle machen. Da gibt er das Abschlusskonzert seiner Tour zum Album Tones.

Foto Galerie

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