Die vom schottischen Schriftsteller J.M. Barrie geschaffene Figur des Peter Pan hat Generationen von jungen Lesern in ihren Bann gezogen. Der Junge, der fliegen konnte und nicht erwachsen werden wollte, wurde bereits 1904 zum Helden eines Bühnenstücks. Knapp 110 Jahre später hat der US-Amerikaner Robert Wilson sich an eine neue Adaption des Klassikers gemacht und diese ans Berliner Ensemble (BE) gebracht, für das er bereits mehrfach inszenierte.
Gespannt durfte man ohne Zweifel sein, wie der Stoff in der Gegenwart an einem der renommiertesten Hauptstadt-Theater ankommen würde. Nicht nur QIEZ war neugierig: Am 19. April versuchten einige derer, die keine Restkarten an der Abendkasse mehr bekommen hatten, kurz vor der Vorstellung mit Hilfe selbstgeschriebener Kaufgesuche doch noch an Tickets zu kommen. Im Foyer befand sich unterdessen der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit im angeregten Gespräch.
Zeitlose Geschichte
Als sich der Vorhang zum inklusive Pause etwa zweieinhalbstündigen Stück hob, wurde schnell klar, dass kaum jemand den Besuch bereuen würde. Die Geschichte vom fliegenden Jungen Peter Pan, der zusammen mit der Fee Tinker Bell die drei Kinder des Ehepaars Darling mit auf eine fantastische Reise nimmt, hat nichts von ihrem Charme eingebüßt. Robert Wilson versteht es, mit leicht zugänglichem Humor auch jüngere Besucher einzubinden. Maske und Kostüme von Peter Pans Freunden, den „Lost Boys“, sowie der Piraten rund um Captain Hook erinnern an eine Mischung aus Punk und Rockabilly.
Ältere, erfahrenere Theatergänger erfreuen sich an der Präsenz und Wandlungsfähigkeit der Schauspieler. Peter Pan wird in Wilsons Inszenierung von Sabin Tamprea dargestellt, der seit fünf Jahren zum Berliner Ensemble gehört. Anna Graenzer ist Wendy, eines der drei ‚entführten‘ Darling-Kinder. Zu ihr fühlt sich Peter Pan hingezogen, doch trotz aller zusammen bestandenen Abenteuer steht dem gemeinsamen Glück die Weigerung des Titelhelden, erwachsen zu werden, im Weg. Tamprea und Graenzer überzeugen in ihren Rollen. Hervorzuheben sind aber auch Christopher Nell als Tinker Bell und Martin Schneider, der den ob des Verlustes seiner Kinder trauernden Herrn Darling spielt und außerdem hinter dem immer wieder für Lacher sorgenden Krokodil steckt, das Jagd auf Peter Pans Widersacher Captain Hook macht.
Coco Rosie können es
Das eigentliche Highlight der Wilson-Inszenierung ist jedoch die Musik. Sie stammt vom US-amerikanischen Frauenduo Coco Rosie und schafft es, eine enorme Bandbreite abzudecken und dabei kaum jemanden unberührt zu lassen, ohne sich dafür anbiedern zu müssen. Zeitgenössische Klänge, die an Seeed erinnern sind ebenso vertreten wie klassische Balladen, doch nichts wirkt wie eine bloße Kopie. Die zahlreichen Songs werden kongenial umgesetzt von den „Dark Angels“ unter der Leitung von Stefan Rager und Hans-Jörn Brandenburg. Und auch die Sangeskünste der Schauspieler wissen zu überzeugen, auch wenn nicht jede/r das gleiche Stimmvolumen erreicht.
Der minutenlang anhaltende Applaus am Ende war aufgrund dieser Darbietung nicht verwunderlich. Wilson ist eine Inszenierung des Peter Pan-Mythos gelungen, die Familienunterhaltung im besten Sinne ist und vor allem im zweiten Teil dank der Emotionalität und Variabilität der Musik zu begeistern weiß.
Weitere Informationen zum Stück und zur Verfügbarkeit von Karten unter www.berliner-ensemble.de
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