Nicht schon wieder so ’ne olle Tragödie? Genau das muss sich Ersan Mondtag gedacht haben, der gehypte junge Regisseur, der dieses Jahr schon zum zweiten Mal zum Theatertreffen eingeladen ist. In Ödipus und Antigone, seiner ersten Berliner Inszenierung, lässt er die Tragödie alt aussehen.
Im wahrsten Sinne: mit ihren purpurnen Roben, grauen Perücken und bröckligen Gesichtern wirken seine Figuren, als seien sie gerade einer Gruft entstiegen. Dabei inszeniert Mondtag nicht nur eine Tragödie, sondern macht aus dem Stoff gleich ein All in One Paket. Mindestens vier antike Stücke hat er vermixt. In neunzig Minuten kann man mit ansehen, wie erst Ödipus, dann seine Söhne Eteokles und Polneikes und am Ende auch seine Tochter Antigone dem familiären Fluch zum Opfer fallen.
Dabei bleibt vom tragischen Spannungsbogen wenig übrig. Auch die Figuren sind alles andere als ergreifende tragische Helden. Als Ödipus (Benny Claessens), gekleidet in pinkem Rüschenmäntelchen, erfährt, dass er seinen Vater getötet und seine Mutter geheiratet hat, purzelt er die Treppe herunter und jault dabei wie eine kranker Hund. Als die Leiche von Polyneikes, der in der Schlacht mit seinem Bruder getötet wird, plötzlich von der Decke auf den Boden knallt, hört man es im Hintergrund nur hysterisch kreischen. Und als Tochter Antigone, die mit einer Halbglatze geschlagen ist, auf der eine Krampfader pocht, ihr Leben riskiert um ihren Bruder zu bestatten, heißt es nur „she’s pissed“ und „she’s possessed“.
Hochaktuelles Theater
Antigone als Drama Queen – auch die Musik von Beni Brachtel erzeugt eine dramatische Stimmung. Dazu passt auch der Palast von Theben, der an das Haus in Hitchcocks Psycho erinnert (auch da fand man ja eine Leiche im Keller …). Man kann es aber wohl auch als aktuellen Bezug verstehen. Denn auf die Aktualität will sich die Inszenierung unbedingt beziehen. Wenn Orit Nahmias und Yousef Sweid sich als Eteokles und Polyneikes in die Haare kriegen, da Theben beiden versprochen wurde, sind Anspielungen auf den Nahostkonflikt vorprogrammiert. Eine der interessantesten Seiten des Stücks ist dabei, wie das Switchen zwischen Sprachen benutzt wird, um eine Art comic relief zu erzeugen – wenn etwa Orit Namias auf einmal einen hebräischen Wortschwall vom Stapel lässt und mit ihrem pinken Handtäschchen drohend auf ihren Gegner losgeht.
Erfrischend ist sie, die antike Tragödie inszeniert zwischen Muppet Show und schlechtem Psychothriller. Auch wenn man sich fragt, ob man Tragik heute wirklich nur noch mit Ironie und Lakonismus begegnen kann. Visuell jedenfalls überzeugt das Stück als das, was es sein will: ein böser Spaß.
Die nächsten Vorstellungen finden am 5. März, um 18 Uhr und am 25. März, um 19.30 Uhr im Maxim Gorki Theater statt. Karten gibt es ab 10 Euro entweder an der Abendkasse oder im Vorverkauf.