Thees Uhlmann steht entspannt in einem Hinterhof in der Dieffenbachstraße, obwohl er an diesem Tag schon mehrere Interviews gegeben hat. Kurz bevor im August 2011 sein erstes Soloalbum erschien, erzählte uns der Musiker von seinem Kiez. Der Ort für das Interview ist perfekt gewählt, denn die meisten Stücke sind ganz in der Nähe entstanden – Uhlmann hat sie zuhause geschrieben.
Der Sänger und Kopf der Band Tomte ist nach Kreuzberg in den Bergmann-Kiez gezogen. Dazu riet ihm ein Kollege: „Sven Regener sagte mal zu mir, du bist ein Kreuzberg-Typ. Und er ist einer der schlausten Menschen, die ich kenne, ihm darf man nicht widersprechen.“ Uhlmann stammt aus Hemmoor in der Nähe von Cuxhaven. Nach Schule und Abitur zog es ihn zunächst nach Köln, später ging es weiter nach Hamburg, wo er Politik und Englisch auf Lehramt studierte. Der Erfolg seiner Band verhinderte den Abschluss.
Angekommen in der Hauptstadt
Heute trifft man den 37-Jährigen in Kreuzberg oder in Hamburg an, wo er noch ein Zimmer hat. Langsam scheint Uhlmann jedoch ein richtiger Hauptstädter zu werden. Fragt man ihn nach seinem Lieblingsplatz in Kreuzberg, führt er einen zu den Friedhöfen an der Bergmannstraße. Früher ging er hier mit seiner Tochter im Kinderwagen spazieren. Uhlmann geht jedoch an den Eingängen vorbei und bleibt erst an der Friedhofsmauer in der Golßener Straße stehen. Dort zeigt er auf einen nur noch schwer lesbaren Schriftzug. „Ich verschaffe mir Recht“, steht da in krakeligen Großbuchstaben, darunter die Initialen des Verfassers. Uhlmann sagt mit einem Grinsen: „Ich finde, das ist große Kunst.“
Zurück in einem Café in der Dieffenbachstraße. Thees Uhlmann trinkt Pfefferminztee, um ihn herum der ganz normale Kreuzberger Alltag. Ein Händchen haltendes altes Ehepaar. Junge Türkinnen, die laut lachend die Straße entlang gehen. Kinder, die aus der Schule kommen. Uhlmann zieht an seiner Zigarette und sagt: „Das mag ich an der Gegend hier, dass große Teile der Gesellschaft so locker nebeneinander herlaufen. Dieser unemotionale Alltag.“
Gestern flogen Steine, heute nerven Hundehaufen
An seinen ersten Besuch in Kreuzberg hat Uhlmann ganz andere Erinnerungen. Anfang der neunziger Jahre wollte er mit seinem in Berlin lebenden Bruder ein Bier trinken gehen. Es war der 1. Mai und die beiden landeten am Mariannenplatz. Dort standen sich Autonome und Polizisten bedrohlich gegenüber. Erstere klopften mit Pflastersteinen aufeinander. Klack, klack, klack. Uhlmann war die Sache nicht geheuer, er dachte: „Das kleine Dorfkind kommt in die große Stadt.“
Heute machen ihm andere Dinge Sorgen. Etwa die Zustände in der Reinhardswald-Grundschule in der Gneisenaustraße, wohin er seine Tochter zum Kinderturnen bringt. Dort sahen die Toiletten monatelang dramatisch aus und waren kaum benutzbar. „Schlimmer als im dreckigsten Punk-Laden, in dem ich je gespielt habe.“ Oder die Junkies, die im Winter am U-Bahnhof Südstern rumhingen. „Nicht dass ich Angst vor denen hätte, aber die Drogenpolitik der Stadt muss sich ändern. Es müssen mehr Therapieplätze geschaffen werden.“ Vor kurzem hat Uhlmann einen Hundebesitzer gebeten, die Hinterlassenschaften seines Tieres zu beseitigen. Wird er spießig? „Nein“, sagt Uhlmann und lächelt. „Es gibt keine Spießer, es gibt nur Leute über dreißig.“