Virtual Reality als Sehenswürdigkeit

Neu in Mitte: Virtuelle Fahrt in die DDR mit TimeRide

Simulation von Trabis in Ostberlin
Trabis in Ostberlin an der Leipziger Straße: ein Teil der simulierten Zeitreise durch die DDR bei Time Ride Berlin. Zur Foto-Galerie
Seit August kannst du wieder in die DDR reisen: Eine neue Attraktion soll Touristen, Zeitzeugen und jungen Berliner*innen zeigen, wie es in der geteilten Stadt aussah. Möglich macht das eine eigens entwickelte Virtual Reality-Simulation. Wir haben die neue Berliner Sehenswürdigkeit ausprobiert.

Das klingt mal nach einer Attraktion, die nicht nur Touristen begeistern könnte: TimeRide schickt dich in verschiedenen deutschen Städten in die Vergangenheit; mithilfe von Virtual Reality. So soll „geschichtliches Wissen auf emotionale Art und Weise“ vermittelt werden. Für die Idee heimste die Firma im Jahr 2018 unter anderem den Deutschen Tourismuspreis ein. Sobald die VR-Brille auf dem Kopf sitzt, fährst du in Köln mit einer historischen Straßenbahn in die Kaiserzeit oder mit einer goldenen Kutsche durch das barocke Dresden. Neu ist der Berliner Standort der Kette. Dort wird uns seit August eine Stadtrundfahrt durch das Berlin der 1980er Jahre geboten. Das VR-Erlebnis simuliert eine Busfahrt vom Checkpoint Charlie aus über die innerdeutsche Grenze nach Ostberlin.

So ist die Virtual Reality-Zeitreise aufgebaut

Wir melden uns zur Probefahrt. Ein Guide führt uns durch die drei Stationen der DDR-Sehenswürdigkeit: Zuerst platzieren wir uns vor einer Mauer, in die Bildschirme eingelassen sind. Ein Film erklärt anhand von originalen Videoaufnahmen das Leben im geteilten Berlin. Jugendorganisationen in der DDR, gefälschte Wahlergebnisse, lebenslange Wartezeiten auf ein Telefon, Proteste in Ostberlin sowie Party und sexuelle Freiheit in Westberlin flackern über die Monitore. Im nächsten Raum schildern drei Zeitzeugen in Videos kurz ihr Leben in der DDR: Einer berlinert ordentlich und war schon zu Jugendzeiten gegen das System. Es gibt auch eine Frau, deren kritischer Blick erst aufflammte, als ihr Mann auf den Radar der Stasi geriet. Schließlich spricht noch ein Mann aus Westberlin über seinen Blick auf die Nachbarn im Osten – und über seine Liebe zu einem Mädchen aus dem anderen Teil der Stadt.

Dann müssen sich die Besucher*innen entscheiden: Welche/r der Zeitzeug*innen soll die anschließende virtuelle Fahrt durch Berlin kommentieren? Wir entscheiden uns für den Ur-Berliner Systemkritiker, als wir im dritten Raum Platz nehmen. Sobald die VR-Brillen sitzen, legen wir mit der Hauptattraktion von TimeRide Berlin los: In einem Bus fahren wir vom Checkpoint Charlie bis zu „Erichs Lampenladen“ – dem mittlerweile abgerissenen Palast der Republik. Dabei können wir uns hin und her wenden und einen 360-Grad-Einblick in ein Land genießen, das es längst nicht mehr gibt. Das ist durchaus beeindruckend und wir sind nach fast 20 Minuten Fahrt etwas traurig, dass es schon vorbei ist.

Besucher der Berliner Attraktion Time Ride Berlin

Durch die VR-Brille sieht man das geteilte Berlin in den 1980er Jahren.

So haben wir die DDR-Simulation erlebt

Unsere Enttäuschung rührt aber nicht nur daher, dass der Besuch in der neuen Berliner Sehenswürdigkeit von kurzer Dauer ist. Wir haben uns einfach mehr davon versprochen: Wir hofften, Berlin mal so sehen zu können, wie es unsere Eltern gesehen haben müssen, als sie hier aufgewachsen sind. Das schafft die Attraktion leider nicht. Kritisch werden wir schon, als in den einleitenden Filmen Worthülsen fallen wie: „wer etwas brauchte, musste tauschen“ – was ohne Hintergrundwissen einen ziemlich falschen Eindruck erwecken kann. Oder sinngemäß: „Ostberliner besuchten Konzerte in den Kirchen“. Warum Kirchen als Räume für Protest so wichtig waren, wird nicht erklärt.

Etwas Authentizität und Tiefgang könnten die Zeitzeug*innen gut beisteuern, würde ihnen mehr Raum für ihre Erzählungen gegeben. Warum die Frau unter ihnen am Ende in Konflikt mit dem System gerät, wäre sicher eine spannende Info – die schlicht unerwähnt bleibt. Und die Rundfahrt? Ist eben eine vom Checkpoint Charlie über die Leipziger Straße zum Palast der Republik. Dabei hätte man auf einer Fahrt über den Alex oder entlang der Stalinbauten sicher mehr als nur tristen Ostberliner Prunk gesehen.

Und womit endet unsere Fahrt? Na klar, mit den allseits bekannten Bildern vom Mauerfall, die natürlich immer wieder bewegen, aber die wir schon oft genug gesehen haben. Im Gegensatz wahrscheinlich zu Touristen oder Schulklassen, für die ein Besuch von TimeRide Berlin ein schöner Start sein kann, um sich mit dem Leben in der DDR zu beschäftigen. Alle, die mehr wollen, gehen vielleicht lieber ins DDR Museum.

 

Ein reguläres Ticket für TimeRide Berlin kostet an der Tageskasse 14,50 Euro. 12,50 Euro zahlt, wer es im Voraus auf der Website von TimeRide bucht.  Uns wurde der Ticketpreis für einen Test freundlicherweise erlassen. Das ändert natürlich nichts an unserer objektiven Berichterstattung.

Foto Galerie

TimeRide Berlin, Zimmerstraße 91, 10117 Berlin

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Täglich von 10:00 bis 20:00 Uhr

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