Ich muss mal entspannen! Immer nur feiern, trinken, in lauten Cafés rumhängen, das schlägt auf die Dauer auf die Kondition – und sorgt für Falten. Deswegen: Zeit für einen Außenreport. Meine Freundin Lisa und ich haben die geniale Idee: Wir suchen uns den entspanntesten Ort auf der ganzen Welt und fahren nach Norderney. Genau, diese kleine ostfriesische Insel. Strand, frische Meeresbrise, gutes Essen und – das war meine heimliche Hoffnung – ganz bodenständige, von der guten Luft naturhighe Männer ohne Neurosen, Bindungsängste und andere Schäden. Und vor allem: So wenige davon, dass mir der eine gutaussehende bestimmt sofort auffallen würde. Denn wer weiß: Vielleicht wartet mein Traummann ja auf einer Nordseeinsel?
Die beiden einzigen akzeptablen Männer: Zwei Matrosen
Schon auf der Fährfahrt machen sich erste Zweifel breit: Lisa und ich senken den Altersdurchschnitt um circa 35 Jahre. Die zwei jungen Typen, die wir entdecken, sind Matrosen. Also auf diesem Schiff gefangen. Und dann ist da noch diese Männergruppe. Alle Ende 30, Shirts mit Sprüchen oder wahlweise Markenlogo und einer Kurzhaar-Gelfrisur, die eigentlich Teenager-Jungs aus den 90ern vorbehalten bleiben sollte. Wir sind uns nicht ganz sicher: Junggesellenabschied? oder „Männerurlaub, mal ohne die Mädels“? Der Alkoholpegel würde zu beidem passen. Und dann sind da noch zehn junge Paare mit einem bis drei Kleinkindern. Aber egal: Ich will ja auch an die Einheimischen ran. Die Entspannten. Die echten Insulaner.
Nach dem ersten Tag ist klar: Das wird nicht einfach. Zwischen den Horden von Senioren in pastellfarbenen Steppjacken, die sich in ihrer Camp-David-Einheitsuniform in DER Strandbar zum Sonnenuntergang Aperol Spritz hinter die Binde kippen, entdecke ich keinen charmanten Jungseebären. Und wer jetzt tatsächlich hier lebt, ist auch schwer zu sagen. Das Barpersonal vermutlich.
Frust mit Insel-Tinder
Tatsächlich sind die interessanten Männer die, die in Restaurants und Bars arbeiten. Und die sind allesamt auf diversen Inselmagazinen abgelichtet, mit denen clevere PR-Menschen suggerieren: „Hier auf Norderney ist ganz schön was los. Und all die jungen, schönen Menschen …“ Ein bisschen Smalltalk ist da drin, mehr aber nicht. Und die grauenhaft gut gelaunten Männergruppen, von denen wir noch zwei treffen, sind einfach nicht unser Ding.
Etwas frustriert schmeiße ich Tinder an. Einen Versuch, dann ergebe ich mich. Wisch, wisch, wisch… uff. Gar nicht mal so gut. Und die meisten sowieso nicht auf der Insel, denn so klein kann man den Suchradius ja kaum einstellen, um nur Männer auf diesem winzigen Fleckchen Erde zu orten. Doch dann: Ein bärtiger Mann, braun gebrannt. Surflehrer auf Norderney. Der erste und einzige, bei dem ich das Herzchen drücke, bevor die App „keine neuen Leute in deiner Umgebung“ kreischen kann. Und zack, ein Match. Ich schreibe ihn an. Irgendwas von haha, Klischee, Surflehrer auf ’ner Insel… und er schreibt auch nett zurück. Als ich ihn dann aber direkt nach einem Trinktreffen frage, antwortet der wuschelig-wilde Surflehrer: „Ich muss mein Dach ausbauen. Dann bin ich leider meist zu müde, um noch auszugehen.“
Die Einsicht: Einfach mal entspannen
Will ich so viel Bodenständigkeit? Oder faule Ausreden? Nein. Zum Glück bin ich ja auch ab und zu lernfähig. Ich deute das Ganze als ein Zeichen, lasse Tinder Tinder und Barkeeper Barkeeper sein und entspanne mich. Mehr Firtenergie für Berlin! Denn, ich glaube, so ein Inselleben ist nicht so mein Ding… Ach, übrigens: Der Surflehrer war auch auf einem Inselmagazin abgebildet, sehe ich später. Sogar auf dem Cover. War ja klar.
Was soll ich als nächstes ausprobieren? Schreib an: redaktion@qiez.de
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