Als es am viel umfahrenen Mirbachplatz los ging, dachte man in Weißensee erstmal an Sex. „Einige Kirchenfrauen dachten zunächst, wir würden in den Häusern sexuelle Dienstleistungen anbieten“, erzählt Tiny-House-Bauer Max Warkentin lachend.
Stand im Oktober 2018 neben einer Kirchenruine erst ein kleines Wohnhaus aus Holz, sind es auf der Verkehrsinsel mittlerweile vier Minihäuser, die die „Insel Weißensee“ bilden. Eine Gemeinschaft von fünf Menschen, die ihren Traum von Autarkie und Nachbarschaft lebt. „Wir sind ein Netzwerk, das mit Wohnformen und Tiny Houses experimentiert,“ erklärt Max.
Inzwischen entsteht unter seiner Anleitung bereits das nächste Tiny House, das als Mehrzweckhaus fungieren soll. „Mein Haus ist das Community House, das für Lesungen, Kochabende oder andere Veranstaltungen gedacht ist“, so der Tischler. Es besteht ebenso wie die anderen Häuser komplett aus recycelten Materialien. Nur die Schrauben habe er neu gekauft, sagt Max stolz.
Gemeinsam mit „Insel“-Initiatorin und Künstlerin Pia Grüter, Garten- und Landschaftsbauer Kornelius Maurath, Digitaldesignerin Kerstin Stepper und Kulturwissenschafsstudentin Katharina Hohaus baut, forscht und wohnt Max auf der Grünfläche am Mirbachplatz. Er selbst ist erst im Februar dazugestoßen, Pia hat ihr Haus bereits seit Oktober 2018 dort stehen. Eher zufällig fand sie im vergangenen Jahr bei einer Fahrradtour die Fläche mit der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Bethanienkirche.
Gemeinschaftswohnen statt Eigentumswohnungen
Eigentlich sollen dort rund um den noch erhaltenen und unter Denkmalschutz stehenden Bethanienturm Eigentumswohnungen entstehen. Doch seit mehreren Jahren liegt das Projekt von Grundstücksinhaber und Architekt Bernd Bötzel auf Eis.
Daher ist die Nutzung der Fläche durch die Tiny-House-Besitzer eine Übergangslösung. Die offizielle Vereinbarung über die mietfreie Nutzung läuft im Oktober aus. „Wir haben die Hoffnung, dass sie verlängert wird, suchen aber vorsorglich nach Alternativen„, sagt Max. Bis sie einen neuen Standort gefunden haben, bleiben sie und zahlen für Wasser und Strom.
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Mittlerweile hat die Wohngemeinschaft sogar eine eigene Toilette, eine Outdoor-Küche und experimentiert mit einer Wasseraufbereitungsanlage. Momentan reiche das Wasser aus der Kläranlage für den Abwasch, künftig soll es aber auch zum Duschen und für die Pflanzen genutzt werden, so Max. Zudem seien Solarpanele auf den Hausdächern geplant. „Ich möchte gern ausprobieren, ein Jahr autark im Tiny House zu wohnen“, erzählt Handwerker Max, der Architektur studiert hat und auch beruflich Minihäuser entwirft und baut.
Minidorf als Begegnungsstätte
Aktuell ist es den fünf „Insel“-Bewohnern aufgrund der gegebenen Gesetzeslage nicht gestattet, dauerhaft in ihren Holzhäusern zu wohnen. Daher hat jede*r von ihnen auch noch einen festen Wohnsitz. Trotzdem ist die kleine Grünoase für sie zu einem zweiten Zuhause geworden: „Die ‚Insel‘ fühlt sich für uns auch wie eine Insel an“, sagt Max. Das liege zum einen daran, dass das Minidorf auf einer Verkehrsinsel steht, zum anderen daran, dass Weißensee wie eine Insel in der Großstadt sei. „Weißensee ist besonders spannend, da es eine Mischung aus Bodenständigkeit und Lebendigkeit bietet“, sagt der Tiny-House-Designer, der seit zwölf Jahren in Berlin wohnt.
Neben dem Pankower Bezirksbürgermeister Sören Benn (Die Linke) schauen gelegentlich Nachbarn und Neugierige auf der „Insel“ vorbei. „Wir haben bisher nur positive Resonanz bekommen, weil wir hier auf alles aufpassen, es grün halten und weder Müll rumliegen lassen, noch Partys veranstalten“, so Max. Stattdessen organisieren die fünf Bewohner regelmäßig Stammtische, Kulturabende oder auch Schachturniere für die Nachbarschaft. Zudem haben sie auf dem Gelände einen Schrank zum Tausch von Büchern und Kleidern, sowie eine Ausleihstation für Gesellschaftsspiele installiert.
Wer die „Insel Weißensee“ einmal besuchen möchte, kann das digital auf der Facebook-Seite der Initiative oder beim Sommerfest am 24. August vor Ort tun.