Carl Großmann
Die Bestie vom Schlesischen Bahnhof kann einen grausamen Rekord verbuchen: Carl Großmann gilt in Deutschland als der Serienmörder mit den meisten Opfern. Die Frauen, die er in den Jahren 1918-1921 zerstückelte und deren Leichenteile er im Engelbecken und Luisenstädtischem Kanal versteckte, lernte er vermutlich an seinem Wurststand am Schlesischen Bahnhof kennen. Als der gelernte Schlachter dann tatsächlich in seiner eigenen Wohnung zur brutalen Tat schritt, wurde er von der Polizei auf frischer Tat ertappt. Nachgewiesen werden konnten ihm vor Gericht nur drei Morde. 23 Leichen, die in Kreuzberg gefunden wurden, entsprechen seinem Täterprofil und das Verschwinden von 80 weiteren Personen wird ihm angelastet. Über seine Taten ist ein dokumentarischer Roman erschienen:
Wie ein Tier: Der S-Bahn-Mörder, dtv, Taschenbuch: 9,95 Euro
Der Zehlendorf Coup
Vor über zwanzig Jahren gelang Tunnel-Toni ein spektakulärer Bankraub. Mit Fleiß und Präzision, die sogar Tiefbauexperten beeindruckte, hatte Moutaz Al Barazi – wie Tunnel-Toni richtig heißt – und seine Bande von einer angemieteten Garage aus einen Tunnel zur Commerzbank in der Breisgauer Straße gebuddelt. Am 27. Juli 1995 stürmten dann zwei seiner Getreuen mit Handgranaten und Gewehren bewaffnet die Bankfiliale, nahmen 16 Geiseln und forderten fünf Millionen DM Lösegeld. Das brutale Auftreten war aber nur ein Ablenkungsmanöver für die beiden Kollegen im Keller, die derweil die privaten Schließfächer leerten. Während die Polizei vor der Tür das zeitliche Ultimatum abwartete, türmte die Bande samt Schließfächer-Beute und Lösegeld durch den Tunnel. Gefasst wurden sie später trotzdem. Zu ihrem Pech gehörte nämlich Detlef Büttner zum Ermittlerteam, ein versierter Kriminaloberrat, der schon geholfen hatte, dem superschlauen Dagobert-Erpresser das Handwerk zu legen.
Brüder Sass
Inspiriert wurden die Zehlendorfer Tunnelräuber aus den 1990er Jahren ganz sicher von den Gebrüdern Sass: Als Franz und Erich Sass das große Buddeln für sich entdeckten, schrieb man das Jahr 1929. Als Einbrecher war das berüchtigte Brüderpaar schon seit Jahren erfolglos: Seit 1926 versuchten sie mittels eines Schneidbrenners Tresore zu öffnen, darunter Exemplare der Depositenkasse in Moabit, der Dresdner Bank an der Budapester Straße und der Reichsbahndirektion am Schöneberger Ufer. Ihr Vorgehen weckte nicht nur Interesse bei der Konkurrenz, sondern auch bei der Polizei. Am 27. Januar 1929 gelang den Brüdern der Durchbruch, in jedem Sinne: Durch einen Tunnel, den sie vom Nachbarhaus aus gegraben hatten, gelangten sie in die Diskontobank am Wittenbergplatz – heute Deutsche Post. Dort leerten sie neben zwei Flaschen Wein 179 Schließfächer. Mit rund zwei Millionen Reichsmark türmten sie. Trotz Observation und Wohnungsdurchsuchung konnte ihnen nichts nachgewiesen werden, wie sie gut gelaunt selbst auf einer Pressekonferenz im Lutter & Wegener bekannt gaben. Ein Happy End gab es aber nicht: Ihre Raubzüge im dänischen Exil brachten sie erst dort in den Knast, später wurden sie nach Deutschland ausgeliefert und hier nach Verurteilung durch neue Beweise ins KZ Sachsenhausen gebracht, in dem sie am 27. März 1940 ermordet wurden.
17. Jun 2016 um 6:35 Uhr
Carl Schurz
Dass man es als Verbrecher in der amerikanischen Politik weit bringen kann, hat Carl Schurz schon vor über 160 Jahren bewiesen. Als Revolutionär selbst ein Gejagter preußischer Behörden, kehrte er im August 1850 inkognito aus dem französischen Exil zurück, um seinen inhaftierten Freund und Lehrer Gottfried Kinkel aus dem Zuchthaus Spandau zu befreien. Der erste Versuch scheiterte, weil ein Schlüssel fehlte. Beim zweiten Versuch ließ sich Schurz durch nichts aufhalten. Seine Hilfsmittel waren Pistolen, eine Axt und Bestechungsgelder. Obwohl die Flucht nicht so leise vonstattenging wie geplant, gelang sie. Beim Wechseln der Häftlingskleidung in einen zivilen Anzug in der gegenüberliegenden Gaststätte sollen Schurz und Kinkel auf ihren Erfolg ausgerechnet mit Bowle angestoßen haben, die von einer Gefängnisbeamten-Feier übrig geblieben war. Schurz ging in die USA, wurde ein Vertrauter Lincolns und unter US-Präsident Hayes sogar Innenminister. Hierzulande wurde ihm auch verziehen und so widmete Berlin Carl Schurz eine Straße.
Paul Ogorzow
Noch heute ist S-Bahnfahren nachts eine Herausforderung, der gerade Frauen am liebsten aus dem Weg gehen. 1939 galt die Strecke zwischen Rummelsburg und Friedrichshagen als Horrortrip. Acht Morde an Frauen geschahen hier, sechs weitere kamen nur knapp mit dem Leben davon und 31 Opfer wurden vergewaltigt oder konnten sich gerade noch retten. Als 1941 endlich der S-Bahn-Mörder gefasst wurde, staunten die Berliner nicht schlecht: Paul Ogorzow war ein pflichtbewusster Hilfsweichenwärter, ein guter Ehemann, Vater von zwei Kindern – ein Normalo, dem niemand ein Doppelleben zugetraut hätte. Er selbst versuchte einem jüdischen Arzt die Schuld zu geben und seine Mordlust als Behandlungsfehler darzustellen, aber das Gericht verurteilte ihn zum Tode, der ihn per Guillotine am 25. Juli 1941 ereilte.
Werner Gladow
375 Überfälle gehen auf das Konto der Gladow-Bande, die auch unter dem Namen Weiße Krawatte bekannt war. Der Anführer Werner Gladow war ein Bewunderer Al Capones und er eiferte seinem Vorbild in Sachen Gewalt, Mode und Dreistigkeit nach. Seiner Festnahme – nach einem Verrat durch ein inhaftiertes Bandenmitglied – ging eine einstündige Schießerei voraus, bei der Gladow filmreif beidhändig Pistolen einsetzte. Mit gerade mal sechzehn Jahren hatte der kleine Schwarzhändler vom Alexanderplatz die Bande gegründet und mit einem simplen Trick zum Erfolg geführt: Die Jugendlichen verübten im Westteil der Stadt Verbrechen und flohen dann in den Ostteil. Und umgekehrt. Die Sektorengrenze war ihr persönlicher Schutzwall. Wurden die Jungs anfangs von den Medien noch gehypt, ließ man sie fallen als nach Banküberfällen Tote zu beklagen waren. Bei seiner Hinrichtung, die angeblich aufgrund eines verklemmten Fallbeils dreimal durchgeführt wurde, war Werner Gladow neunzehn.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Lucie Berlin
Der Mord an einem Kind zählt zu den schrecklichsten Vergehen, zu dem Menschen fähig sind. Die achtjährige Lucie Berlin wurde 1904 sexuell missbraucht und ermordet. Ihre zerstückelte Leiche fand man nach und nach in und an der Spree. Enorme Bekanntheit erhielt ihr trauriger Fall aber dadurch, dass bei diesem Mord erstmals ein Blutnachweis vor Gericht als Beweis zugelassen wurde. Johanna Liebetruth, eine Prostituierte und Nachbarin der kleinen Lucie, hatte – um ihren Liebsten zu schützen – die Polizei auf die Spur eines falschen Verdächtigen gebracht. Jener Otto Lenz konnte sich mit Hilfe eines wasserdichten Alibis aber aus der Affäre ziehen und schon bald kam die Polizei auf Theodor Berger, dem besagten Lebensgefährten und Zuhälter von Frau Liebetruth. Nach etlichen Verhören der beiden gab Liebetruth an, einen Reisekorb zu vermissen. Berger behauptete, damit eine andere Prostituierte bezahlt zu haben. Als der Korb nach Wochen gefunden wurde, konnten anhand von Tests Wollfasern und Blut dem Fall Lucie zugeordnet werden. Obwohl die Indizien Berger nicht mit Gewissheit als Täter überführen konnten, befanden die Geschworenen ihn für schuldig.
MfS
Es gibt unzählige Verbrechen, die auf das Konto des Ministeriums für Staatssicherheit, besser bekannt als Stasi, gehen. Unter den Opfern sind rund 400 Menschen, die im Auftrag der Stasi bis 1961 aus West Berlin in die DDR entführt und dort als Staatsfeinde inhaftiert wurden. Die üblen Täuschungsmanöver, Lockvogel-Einsätze und perfiden Methoden wirken, als hätte ein schlechter Krimiautor sie erfunden. Vergiftete Pralinen und Getränke mit Betäubungsmitteln kamen ebenso zum Einsatz wie rohe Gewalt und Waffen. Nur wenige Fälle konnten vor einem bundesdeutschen Gericht geahndet werden, geschnappt wurden meist nur erfolglose Täter, wie ein 29-jähriger Westberliner, der eine RIAS-Mitarbeiterin mit Cognacbohnen betäuben wollte. Die Frau brach nicht wie geplant vor dem Café sondern erst zuhause zusammen und entging so dem Täter. Heinz Brandt hatte weniger Glück, der ehemalige SED-Funktionär wurde drei Jahre nach seiner Flucht in die BRD brutal zurückgeführt und als Spion in einem Geheimprozess verurteilt. Er saß drei Jahre in Bautzen, bis er 1964 dank internationaler Proteste frei kam.
Klaus Speer
Nur selten bekommen Normalbürger mit, was im Untergrund für Kämpfe ausgefochten werden. Die Schießerei am 27. Juni 1970 in der Bleibtreustraße vor der Filmkunst 66 war eine legendäre Ausnahme. Der damalige Kiez-König Klaus Speer traf sich zu einer Besprechung mit iranischen Zuhältern, um die Vorherrschaft im Rotlichtmilieu des Berliner Westens zu klären. Offensichtlich reichten verbale Argumente nicht aus und es wurde zu den Waffen gegriffen: ein Toter, drei Verletzte. Der Tatort wurde fortan Bleistreustraße genannt und Klaus Speer zu einer Freiheitsstrafe von 27 Monaten verurteilt. Aus der Haft entlassen, widmete sich der ehemalige Boxpromoter wieder dem Boxsport und förderte den jungen Graciano Rocchigiani. Speers zweites Standbein ragte ins Immobiliengeschäft. 1992 wurde ihm erneut vorgeworfen, dem organisierten Verbrechen anzugehören. Nach einem sehr langen Prozess wurde Speer 1995 tatsächlich noch einmal verurteilt. Seit seiner Entlassung 1998 arbeitet er weiterhin als Boxpromoter.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Peter Lorenz
Abschließen wollen wir die Verbrecher-Liste mit einem Fall, der keine Leichen forderte: In den 1970er Jahren hielten linksradikale Terroristen die Bundesrepublik in Atem. Morde, Überfälle und Entführungen waren an der Tagesordnung. Aus der wohl bekanntesten Vereinigung – der RAF – spalteten sich kleinere, gewaltbereite Zellen ab. Darunter die Bewegung 2. Juni, deren Entführung von Peter Lorenz zu den wenigen Taten zählte, die kein Todesopfer zur Folge hatte. Zum Zeitpunkt seiner Entführung 1975 war Lorenz Landesvorsitzender der Berliner CDU und für die Terroristen damit ein Vertreter der Reaktionäre und der Bonzen, verantwortlich für Akkordhetze und Bespitzelung am Arbeitsplatz. Gegen Freilassung inhaftierter Gesinnungsgenossen sollte Lorenz ungeschoren davon kommen. Es war das einzige Mal, dass die Bundesregierung unter Kanzler Schmidt den Forderungen einer terroristischen Vereinigung nachkam, auch weil die freigelassenen Aktivisten erneut für Morde und Überfälle verantwortlich waren. Peter Lorenz blieb in der Politik, es heißt jedoch, dass ihn die Tat nachhaltig traumatisiert habe.