10 Jahre Street UniverCity Berlin

An dieser Uni studiert man Straßenkultur, Hip Hop und Skaten

Ein Projekt von der Street UniverCity Kreuzberg
Ein Projekt der UniverCity: Goethes "Faust" wurde in den modernen Film “Faust in da Street” umgewandelt.
Dies ist keine traditionelle Uni: Statt Mathematik, BWL oder Germanistik zu studieren, kann man an der Kreuzberger Street UniverCity an Beatbox-Workshops teilnehmen, Musikvideos drehen und Kurse zu Respekt und Anerkennung besuchen. Ausbildungsziel: Street Master werden.

Von der Straße, für die Straße lautet das Motto von der Street UniverCity, die Jugendlichen aus sozialen Brennpunkten die Gelegenheit gibt, ihre Stärken auszubauen, sich weiterzubilden und dabei ihre eigene Zukunft zu gestalten. 2008 begann das erste richtige Semester und 2018 feiert die Uni ihr zehnjähriges Jubiläum.

Initiator und künstlerischer Leiter Giò di Sera hatte immer ein Herz für die Jugendarbeit. Er wuchs in armen Verhältnissen in Neapel auf: Nach dem Tod seines Vaters wegen Alkoholismus war seine Mutter nicht imstande, sich allein um sechs Kinder zu kümmern, so landete er schließlich im Heim. „Diese schwierige Erfahrungen in meiner frühen Kindheit haben mich stark geprägt,“ sagt er, „vielleicht ist es mir deswegen immer wichtig gewesen, anderen die Chancen zu geben, die ich während meiner Jugend nicht hatte.“ 1986 begann er ein neues Leben in Berlin und hatte dort viel Erfolg als Multimediakünstler, mit Ausstellungen in Kulturinstituten wie beispielsweise der Akademie der Künste. Der kreative Kopf wollte seine Verbindungen in der Kunstwelt aber nutzen, um anderen zu helfen.

“Als Künstler kann man die Gesellschaft positiv verändern, und genau das wollte ich machen”, so Giò. Seitdem führt er Projekte kultureller und politischer Bildung für die Jugendlichen Berlins, um ihnen zu ermöglichen, über ihren eigenen Tellerrand hinauszublicken. Eines davon ist die Street UniverCity in Kreuzberg.

 

Wie der Spruch “Trust Yourself” (“Traue dich”) schon sagt, wird Wert darauf gelegt, dass die Studenten Selbstständigkeit und Selbstvertrauen entwickeln.

„Bei uns wird keiner ausgeschlossen“

Das Angebot der UniverCity richtet sich insbesondere an junge Leute, die durch das normale Bildungssystem gerutscht sind oder von der Gesellschaft abgelehnt wurden. „Jeder wird akzeptiert“, sagt Giò. So bleiben die Jugendlichen der Kriminalität fern, nehmen keine selbstgefährdenden Gewohnheiten an und gewinnen neue Perspektiven für ihr Leben, ergänzt der Initiator. „Was wir hier anbieten, ist Hoffnung in eine bessere Welt.“

Das Hauptziel ist, den Teilnehmern dabei zu helfen, ihre individuellen Stärken zu erkennen und auszubauen. „Unsere jungen Leute haben viel Talent und das sollte man merken und nutzen“, sagt Gio. „Wir akzeptieren einfach nicht, dass ihr Potenzial verschwendet wird.“

Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Universität im Lauf der Jahre Unterstützung von zahlreichen Partnern und Förderern gewonnen: Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die Berliner Sparkasse, Daimler Financial Services sowie die Hauptstadt Kulturfonds sind nur einige der vielen Sponsoren des Projekts.

Ein abwechslungsreicher Lehrplan

Junge Leute zwischen 15 und 25 Jahren, die an der UniverCity eingeschrieben sind, tauchen in viele verschiedene Fachbereiche ein. Im Bereich Gesellschaft und Politik studiert man unter anderem Frauenrechte, Meinungsfreiheit und Sicherheit im Netz; im Streetculture lernt man Street-Philosophie, Rap und Jugendkultur; in Sozialer Kompetenz und Berufsorientierung hat man Anti-Konflikt und IT-Fitness; in Künste und Medien kann man Radio, Kunst und Theater ausprobieren; und in Sport und Kampfkunst werden Skaten, Fußball, Boxen und Streetdance gelehrt.

Lehrveranstaltungen finden nicht nur in der Zentrale in Kreuzberg statt, sondern überall in der Stadt. Geführt werden die Workshops und Kurse von Profis auf ihrem Gebiet, die die Jugendlichen inspirieren wollen. „In der Gesellschaft gibt es viel zu viele negative Vorbilder für junge Leute“, sagt Giò. „Unsere Aufgabe dagegen ist es, unseren Studenten positive Role Models zu zeigen.

Seit dem Start des Programms sind zahlreiche Projekte initiiert worden. 2017 zum Beispiel präsentierten die Studenten eine Ausstellung Dignitas – Würde – ich bin da im Märkischen Museum. Und vor kurzem, im Juni diesen Jahres, fand der StreetUniCity Cup statt: ein Fußballturnier und Hip-Hop-Jam mit dem Ziel, Respekt und Toleranz zu fördern.

So wird man zum Street Master

Wer an einer Pflicht-Lehrveranstaltung teilnimmt, gewinnt Punkte. Und Studenten, die am Ende des dreimonatigen Programms eine bestimmte Anzahl von Punkten erreicht haben, erhalten das anerkannte Abschlussdiplom Master of Street UniverCity. „Das zeigt Unternehmen, dass man Kompetenzen in sozialen, politischen und medialen Bereichen entwickelt hat“, erklärt Giò. „Der Master demonstriert auch, dass man sich für die Selbstentwicklung engagiert und fleißig gearbeitet hat, um seine Ziele zu erreichen.“ Deswegen sei er von entscheidender Bedeutung bei der zukünftigen Jobsuche, so der Initiator. Nach dem erfolgreichen Abschluss bekommen manche Teilnehmer die Gelegenheit, sich zum Juniordozent weiterzubilden. So können sie zur Bildung der nächsten Generation der aufstrebenden Street Meister Berlins beitragen.

Und die Initiative geht jetzt auch über die Grenzen Berlins hinaus. „Wir wollen nicht stehen bleiben, sondern weitergehen“, sagt Giò. Geplant seien vergleichbare Straßenuniversitäten in Neapel und in New York. Wie der Spruch also ganz richtig sagt, kann aus einem kleinen Anfang etwas Großes entstehen. „Als wir die Idee ursprünglich vorgeschlagen haben, haben uns alle ausgelacht“, so Giò. Zehn Jahre später sprechen die Erfolge der Studenten für sich.

Das Leben prägen

„Man kann die ganze Welt nicht verändern, aber einen kleinen Unterschied im Leben von jemandem kann man schon mal machen“, findet Giò. Jacques Klement, Absolvent der Street UniverCity, der momentan seinen Freiwilligendienst dort leistet, erklärt: „Was ich hier gelernt habe, ist unbezahlbar. Jetzt habe ich eine Richtung im Leben und kann konkrete Pläne für meine Zukunft machen.“

Street UniverCity e.V., Waldemarstraße 57, 10997 Berlin

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