Mit dem Bau eines schnieken Wohnviertels bemühte sich die damals noch unabhängige Stadt Schöneberg Anfang des 20. Jahrhunderts um den Zuzug von zahlungskräftigem Publikum. Errichtet und angelegt wurden zwischen 1900 und 1914 elegante Mehrfamilienhäuser im süddeutschen Renaissancestil, akkurate Vorgärten, kleine Schmuckplätze und ein eigener U-Bahnhof, der heute von den U-Bahnlinien U4 und U7 angesteuert wird. Das Werben ums Bürgertum war erfolgreich: Künstler, Anwälte und Intellektuelle siedelten sich rasch in dem perfekt erschlossenen und grünen Viertel an. Zu den prominentesten ehemaligen Bewohnern gehören unter anderem Albert Einstein, Erich Fromm oder Gottfried Benn. Auch Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki wuchs im Bayerischen Viertel auf.
Bis heute habem sich die Straßen rund um den Bayerischen Platz viel von ihrem einstigen Charme erhalten. Kleine Gärtchen, schmucke Fassaden und kleine Läden prägen das Straßenbild. Und auch die sogenannte „Mittelschicht“ hat dem Viertel die Treue gehalten: Senioren flanieren mit Spazierstock rund um den Bayerischen Platz, Familien eilen zur nahegelegenen U-Bahnstation und manch ein schicker Wagen parkt vor frisch sanierten Altbauten. Doch snobistisch geht es im Bayerischen Viertel keineswegs zu. Die Lage zwischen der trubeligen Bundesallee und dem Multikulti-Bezirk Schöneberg, bezahlbare Wohnungen in weniger begehrten Häusern aus den 60er und 70er Jahren sowie der motorisierte Durchgangsverkehr und Passanten, die auf der Berliner Straße kleinere Einkäufe erledigen, sorgen für ein durchmischtes Publikum und entspannte Gelassenheit.
Neben kleinen Buchläden, Werkstätten und Cafés, die zum Teil schon seit Jahrzehnten im Kiez beheimatet sind und auf ein treues Stammpublikum zählen können, gibt es türkisch geführte Bäckereien, preiswerte Restaurants und in manchen Nebenstraßen sogar ein wenig Leerstand und Verfall. Edel ist anders. Doch gerade darin liegt der Charme des Bayerischen Viertels: Wer seinen Nachbarn, seinen Schuster oder seine Apothekerin noch mit Namen ansprechen möchte, wer eine unspektakuläre Wohngegend mit viel Grün schätzt und dabei die perfekte Anbindung an die Innenstadt wünscht, kann sich im unweit der City West gelegenen Bayerischen Viertel rundum wohl fühlen. Und das ist kein Geheimtipp mehr: Nachfrage und Preise ziehen auch in diesem Teil Schönebergs an.
„Ich wohne selbst nicht weit vom Bayerischen Viertel entfernt auf der Bundesallee. Und zum Brötchenholen oder Gassigehen mache ich gern einen Abstecher in den Kiez. Die Atmosphäre rund um den Bayerischen Platz ist einfach angenehm: Man kennt sich, bekommt auf der Straße auch mal ein Lächeln geschenkt und kann sich im Sommer an der schönen Bepflanzung der Vorgärten und Balkone erfreuen. Hoffentlich bleibt es hier so entspannt!“